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klagte die Kleebinderin, »die Dirn‘ hat ein‘ Stolz, wie ich nie ‚glaubt hab‘, und je mehr der Bub‘ unterduckt, je stolzer tut sie und mit allem stellt er sich zufrieden.«

      Er stellte sich nicht zufrieden, er war es wirklich. Lieber wie eine, die sich z‘gring acht‘t, muß ihm doch die Dirn sein, die sich vielleicht ein bissel z‘hoch halt‘t, aber doch nit zu gut für ihn. Nein, das tut sie nit. Er weiß ja, was ihm auf nächste Kirchweih‘ bevorsteht! Es war noch ziemlich lange bis dahin.

      5. Kapitel

      Daß schöne Mädchen gerne unscheinbare neben sich dulden, dürfte nicht schwer zu erklären sein, und daß letztere sich den ersteren aufdrängen, hat seinen Grund wohl darin: weil im Umgange mit einer so viel Umworbenen vielseitigere Aufschlüsse über das zu erwarten stehen, was nun einmal der großen Mehrzahl der Menschen das Interessanteste im Leben ist und bleibt, über das Lieben und Geliebtwerden. Daß sich die Minderhübschen dabei auch mit der Hoffnung trügen, gelegentlich einen der herzwunden Abgewiesenen für sich in Beschlag zu nehmen, mag im allgemeinen wohl nur eine boshafte, durch nichts begründete Anschuldigung sein.

      Unter den Dirnen, die sich zu Helen‘ gesellten, war auch die Matzner Sepherl. Die Harthändige mit den wundernden Augen wußte sich einzuschmeicheln, sie pries so rückhaltlos die Schönheit der Kameradin, und andernteils wußte sie den Muckerl nicht genug zu loben, so daß sie es nur rechtschaffen recht fand, daß die Schönste nicht mit einem der g‘mein‘ Bauersleut‘, sondern mit einem so Kunstfertigen und Ausbündigen hausen wolle, was ganz angenehm zu hören war.

      Sepherl teilte auch mit Helene die neidische Bewunderung des Sternsteinhofes, während alle andern da unten am Fuße des Hügels sich mit dem gotteingesetzten Unterschiede zwischen reich und arm zufrieden gaben und von keinem Wunschhütchen träumten, das sie auf den Gipfel versetzen könnte.

      Sepherl war schon zu öfteren Malen auf dem reichen Hofe gewesen, sie hatte dort eine alte Base, die seit dem vor Jahren erfolgten Tode der Bäuerin dem Hauswesen vorstand; diese brave Schaffnerin tat sich nicht wenig auf ihre Bedeutung zugute, schätzte aber ganz richtig, daß sie selbe nur dem mächtig‘ großen Anwesen verdanke, und ließ sich bei günstiger Gelegenheit gerne dazu herbei, ein oder das andere Dorfkind darauf herumzuführen und zu verblüffen. Ein paarmal hatten die beiden Dirnen die Alte aufgesucht, ohne mehr als deren allerdings wohnliches Stübchen vom ganzen großen Sternsteinhof gesehen zu haben, dann aber wurden sie auf den nächsten Sonntagnachmittag geladen, wo die Herrenleute »aus« sein würden und auch wenig Gesinde sich daheim verhalten werde.

      Es war ein sonniger Herbstnachmittag, an dem die beiden Dirnen in Begleitung Muckerls längs des Baches durch das Dorf schritten, bis wo in der Mitte desselben, der Kirche gegenüber, die Brücke über das Wasser und auf den Weg führte, der zum Sternsteinhof hinanstieg.

      »B‘hüt dich Gott, Muckerl,« sagten die beiden, denn der war nicht geladen worden, und ihn mitbringen, wäre eine Unhöflichkeit gewesen. »B‘hüt‘ dich Gott und laß‘ dir unterdess‘ die Zeit nit lang werden.«

      »Habt derwegen kein‘ Sorg‘,« sagte er, indem er sich auf das Brückengeländer stützte. »Unterhaltet euch gut.«

      Helen‘ war boshoft genug, ihm ein »Auch so viel« zuzurufen, dann eilten die Dirnen mit flinken Füßen den Hügel hinan.

      »Wirst sehen, Helen‘,« keuchte Sepherl, der es nicht gelingen wollte, den halben Schritt, den sie gegen die Kameradin zurückblieb, einzubringen. »Wirst sehen, wieviel und was ‚s all‘s da oben gibt; ganz weg wirst sein darüber.«

      Helene lächelte mit den geöffneten Lippen, zwischen denen sie im raschen Gehen die Luft einsog. Sie nahm sich vor, nicht »ganz weg« zu sein.

      Aber was sind menschliche Vorsätze ungekannten und ungeahnten Eindrücken gegenüber? Die alte Schaffnerin empfing die beiden Mädchen mit herablassender Freundlichkeit, bewirtete sie mit einer Schale Kaffee, ein seltenes Getränk für Leute von da unten, das sollte die richtige Stimmung hervorrufen, denn leerer Magen macht trübe Augen, dann ging es an‘s »Umsehen«.

      Bei Sepherl war dabei nichts Neues zu sehen, sie schenkte all‘ dem Aufgezeigten und Vorgewiesenen einen flüchtigen Blick – wobei ihre Augen immer noch verwundert genug taten, um die ehrgeizige Frau Bas‘ bei guter Laune zu erhalten, – und machte sich das Vergnügen, auf Helenens Gesicht zu achten; diese brauchte sich anfangs gar nicht Gewalt anzutun, um das gleichgültigste von der Welt beizubehalten, denn als es im Erdgeschosse durch die Gesindestuben ging, fand sie eben nur mehr Stuben und mehr Hausrat auf einem Flecke, als sie sonst Gelegenheit hatte, beisammen zu sehen, indeß weder die einen noch der andere vom Gewohnten sich unterschieden. Als sie aber über den Hof nach den Wirtschaftsgebäuden folgte, die mit den blanken, handlichsten Geräten, ja mit Maschinen vollbestellt waren, zu deren Gebrauchserklärung sie allerdings noch stolz mit dem Kopfe nickte und ein erheucheltes Verständnis murmelte, als sie an den Scheuern mit den aufgehäuften Vorräten vorbeikam und im Geflügelhofe Hunderte von girrend, krähend, quakend und kollernd sich brüstenden Tieren sie wirre machten und als sie endlich in den übergroßen Ställen vor einer ganzen Herde Vieh stand, ein Stück immer schöner als das andere, da waren ihre Augen denn doch allmählich größer geworden, und befangen schlich sie nebenher, als es zurück nach dem Wohnhause ging, dessen Oberstock nun erstiegen ward.

      Was sie da sah, als sie mit eingehaltenem Atem von Stube zu Stube ging, an Notwendigem in ausgesuchter Form und an Entbehrlichem, das breit, wie hier nicht zu entraten, an seinem Orte stand, der reiche Vorrat an Wäsche und Kleidern, der ihr einen halblauten Schrei der Verwunderung erpreßte, als die Schaffnerin die Schränke aufschloß, der große versperrte Schrank, dem sie einen scheuen Blick zuwarf, als sie hörte, er wäre bis an‘s oberste Fach mit reichem Geschirr und Silbergeräte angefüllt, endlich die eiserne Kasse, der weder ein Dieb noch das Feuer ankonnte, worin der Bauer bar mehr liegen hatte, als alle Dörfler da unten zusammen mit Häusern und Gründen schwer waren, und vor der sie fast andächtig die Hände faltete, all‘ das verschmolz in ihr zu einem Bilde der Macht und Herrlichkeit des Reichtums.

      Gedrückt und verschüchtert verließ sie das Haus und atmete froh auf, als es nach dem Garten ging. Die beiden Dirnen wurden übrigens von der Alten auch nur dahin geführt, weil sich dort, von einer großen Rebenlaube aus, am schönsten weisen ließ, was für Liegenschaften zum Sternsteinhofe gehörten. Es war viel Grund und Boden, aber den Eindruck ausschließlichen Besitzes machte er doch nicht, er reichte nicht, bis wo Himmel und Erde in eins verschwammen, und rings lag doch auch viel fremdes Eigentum. Die Schaffnerin setzte den Dirnen noch ein Gläschen Wein vor, damit diese, wie sie wohlwollend bemerkte, wieder zu Leben kämen, dann entließ sie die beiden sehr zufrieden darüber, ihnen Anlaß gegeben zu haben, das weniger als je zu sein.

      Eine gute Strecke legten die Mädchen schweigend zurück, dann blieb Helene stehen und sah nach dem Hofe. »Hast recht g‘habt, Sepherl,« sagte sie, »man kann wirklich ganz weg sein.«

      »Gelt ja?« sagte die.

      »Denk‘ nur,« fuhr Helene fort, »Die, welche ‚mal den Bub‘n vom Sternsteinhof-Bauer kriegt,… er hat ja wohl nur den ein‘?«

      »Wie d‘ fragen magst! Freilich, nur ‚n Toni.«

      »Die den einmal kriegt und da oben hinauf zu sitzen kommt, die muß‘s schon so gut haben, wie‘s kein‘ Prinzessin auch nit besser haben kann!«

      »Pah, was d‘ red‘st! Einer Prinzessin, die g‘wöhnt is, vom goldenen Geschirr zu essen und daß die Soldaten vor ihr, G‘wehr h‘raus‘ schreien, der fehlet noch viel! Meinst denn, so a recht a reiche Bauerstochter bekäm‘ da sonderlich mehr unter d‘Händ‘, als ‚s von ihr‘s Vaters Hof her g‘wöhnt is? So arme Menscher wie wir, glaubeten sich dort freilich wie im Himmelreich, aber von uns kommt keine h‘nauf.«

      »Schwerlich,« seufzte Helen‘.

      »Gar nit, sag‘ ich dir! Du denk‘st nit, wie stolz die allzwei sein, der Alte wie der Junge. Kein‘ Dirn‘ im Ort, so viel wir ihrer auch sein, halt‘ der Toni auch nur des Dank‘s für‘s Grüßen wert.«

      »Da g‘schieht nur denen recht, die ihn anred‘n,« rief Helen‘, »ich grüß ihn nit!«

      »Und

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