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Der blaurote Methusalem. Karl May
Читать онлайн.Название Der blaurote Methusalem
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Karl May
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
»Dat is richtig. So eine Palankin-Spinde zu bezahlen und dennoch laufen, dieser Jedanke ist jrad so bodenlos wie die Sänfte selber. Ich habe mal einen Elefanten jesehen, welcher in ähnlicher Weise transportiert wurde. Bei so einem Tiere hat das seine Jründer, bei einem Menschen aber ist es jrundlos zu nennen.«
»Wer weiß, welche Dummheit er begangen hat. Wir werden es ja hören. Wollen uns beeilen, damit er nicht etwa im Zorne noch ärgeres unternimmt.«
Sie schritten schneller aus als bisher und nahmen sich nicht Zeit, auf die Aufmerksamkeit, welche sie erregten, zu achten. Glücklicherweise lag das Hotel in ziemlicher Nähe.
Hongkong hat keine guten Gasthäuser. Das Einkehrhaus gleichen Namens ist das einzige, welches einigermaßen die Bezeichnung Hotel verdient; aber es ist doch nur ein riesiger Kasten, in welchem man sich nicht wohl zu fühlen vermag. Die Zimmer sind ohne allen Komfort; alles andere läßt ebenso zu wünschen übrig, und dennoch hat man ganz außerordentliche Preise zu bezahlen.
Hongkong heißt bei den Chinesen Hiang-Kiang und ist eine bergige Insel, welche rechts vor dem Eingange des Mündungsgolfes des Tschu-kiang liegt. Es besitzt einen der besten Hafen des chinesischen Reiches und kann als das englische Gibraltar des Ostens angesehen werden. Die Hauptstadt ist Viktoria. Sie ist fast ganz europäisch gebaut, hat breite Straßen, schöne große Häuser, großartige Warenspeicher und elegante Villen. Derjenige, welcher chinesisches Leben kennen lernen will, wird sich hier nicht verweilen, sondern die erste Gelegenheit benutzen, nach Kanton zu gehen, was ja auch die Absicht des »blauroten Methusalem« war.
Als dieser mit seinen Begleitern das Hotel erreichte, hörten sie aus dem Innern die laute, zornige Stimme Turnersticks erschallen. Sie traten in die Restaurationsstube und sahen da den Kapitän, umgeben von dem Wirte, dessen in langen, blauen Gewändern steckenden Kellnern und mehreren Polizisten. Diese letzteren stammen meist aus Vorderindien, tragen dunkelblaue Uniformen und rote Turbane und sind mit kurzen Keulenstäben bewaffnet.
Diese Leute hörten die Erzählung des Seemannes an, konnten aber nichts verstehen, da er nicht dazu zu bringen war, englisch zu sprechen. Er war nun einmal darauf versessen, sein Chinesisch hören zu lassen, und da keiner von ihnen deutsch verstand, so konnten sie sich unmöglich in den vorgebrachten Unsinn finden. Darum war er froh, als er die drei Ankömmlinge erblickte. Er stieß die ihm im Wege stehenden beiseite, eilte auf den Methusalem zu und sagte:
»Es ist unerhört, wirklich unerhört! Erst zwingt man mich, in der wohlbezahlten Sänfte zu laufen, und dann, als ich mich darüber beschweren will, kann kein einziger dieser Eingeborenen chinesisch verstehen. Es ist geradezu zum Verzweifeln!«
»Sie irren sich, Kapitän, wenn Sie diese Leute für Eingeborene halten,« belehrte ihn der Angeredete. »Sprechen Sie doch englisch, so wird man Sie verstehen.«
»Englisch? Fällt mir gar nicht ein! Wenn ich mich in China befinde, so bediene ich mich der Sprache des himmlischen Reiches. Ich kann verlangen, daß man mich versteht, mich, einen Mandarin von achtzehnhundert Sapeken!«
»Sie sind noch nicht in China, sondern in England, Hongkong ist englische Besitzung.«
»Das weiß ich wohl; aber ich verlange, daß man auch hier sich meiner Sprachkenntnisse erfreue. Wissen Sie, was mir passiert ist?«
»Ja.«
»Nun, was?«
»Es hat Ihnen beliebt, in einer Portechaise Dauerlauf zu üben.«
»Beliebt? Wollen Sie mich auch noch foppen? Gezwungen hat man mich, hinterlistig gezwungen!«
»Und Sie haben sich nicht gewehrt?«
»Konnte ich mich etwa wehren?«
»Warum nicht?«
»Weil man mir den Kopf eingestoßen hätte, wenn ich nicht mitgelaufen wäre. Ich nahm vergnügt in der Sänfte Platz; da schwand der Boden unter mir, und ich geriet mit den Beinen in die Unterwelt. Das wäre noch gar nicht schlimm gewesen, denn der Boden konnte leicht wieder eingehakt werden; aber anstatt das zu thun, rannten die Kerls wie besessen von dannen, und mir blieb nichts anderes übrig, als mitzurennen.«
»Vielleicht haben die Leute gar nicht bemerkt, daß Sie aus dem oberen Stockwerke ins Parterre geraten waren?«
»Oho! Die haben es gar wohl gewußt. Ich wollte ja stehen bleiben; sie schoben aber aus Leibeskräften; ich bekam Stoß auf Stoß. Mein Kopf brummt mir noch jetzt wie eine Baßgeige; mein Rücken muß in allen Farben schillern, und in den Beinen habe ich eine Empfindung, als ob ich auf dem hohen Turmseile tanzte. Mir zittern alle achtundneunzig Glieder; es ist mir ganz schwindelig zu Mute, und der Schweiß marschiert mir in dicken Strömen und Kolonnen vom Leibe. Soll ich mir das gefallen lassen?«
»Sagen Sie mir vor allen Dingen, wo die beiden Kulis sind!«
»Wo die sind? Ja, wo sind sie denn? Ich weiß es nicht.«
»Aber gerade Sie müssen doch am besten wissen, wo sie sich befinden. Sie haben sich ja von ihnen tragen lassen.«
»Tragen lassen! Tragen lassen! Welch eine Schlechtigkeit von Ihnen! Ich sage Ihnen ja, daß ich nicht getragen, sondern gelaufen worden bin! Ich danke für dieses chinesische Reich, wo man hundert Li bezahlen muß, um Sänfte rennen zu dürfen! Das ging so atemlos rasch, daß ich gar keine Zeit fand, einen rettenden Gedanken zu fassen. Ich weiß nur noch, daß ich gebrüllt habe wie ein Tiger; aber geholfen hat es nichts, denn die Kerls verstanden kein Sterbenswort chinesisch. Und als sie endlich hier vor der Thür anhielten, so schütteten sie die Sänfte um, daß ich dick auf die Mutter Erde zu sitzen kam, und rannten von dannen. ‚Tsching leao‘ haben sie mir noch zugerufen. Was bedeutet das?«
»Es ist der chinesische Abschiedsgruß.«
»Danke für solchen Gruß! Ich bin natürlich sofort hier hereingegangen und habe nach Polizei und dem Staatsanwalt verlangt. Statt dessen aber kamen diese Blaukittels welche nichts thun, als die Mäuler aufsperren. Ist das etwa Zucht und Sitte?«
»Nein, jedenfalls geschieht es aus Bewunderung Ihrer Sprachkenntnisse.«
»Wenn das der Fall wäre, so wollte ich es mir gefallen lassen.«
»Leider scheinen diese braven Leute sich noch zu wenig mit der chinesischen Sprache beschäftigt zu haben. Man bedient sich hier vorzugsweise des Pitchenenglisch. Wollen Sie verstanden werden, so müssen Sie englisch sprechen.«
»Leider scheinen Sie da recht zu haben. Aber ist es nicht eine Schande, hier in Hongkong nicht verstanden zu werden? Freilich ist es gerade wie im Deutschen. Der Plattdeutsche kann den Hochdeutschen nicht verstehen, und weil ich nur das reinste Hochchinesisch mit eleganten Endungen spreche, so können sich diese Menschen nicht in meine Linguistik finden. Ich werde mich also des Englischen bedienen müssen, wenn ich Genugthuung haben will. Denn bestraft müssen die Halunken werden, exemplarisch bestraft. Man muß sie mir ausliefern. Ich transportiere sie auf mein Schiff und lasse sie da auspeitschen, daß sie für ewig und noch länger an mich denken sollen!«
Er hatte noch immer im zornigsten Tone gesprochen. Die Polizisten und Hotelbediensteten standen wartend da, neugierig, wie die Angelegenheit sich weiter entwickeln werde. War das Erscheinen des Kapitäns für sie ein ungewöhnliches gewesen, so doch noch viel mehr das Auftreten der drei studentisch gekleideten Personen. Sie wußten nicht, was sie aus denselben machen sollten, doch zeigten ihre respektvollen Mienen, daß sie keine geringe Meinung von ihnen hatten. Sie verstanden zwar nicht die Worte des Methusalem, aber der Ton, in welchem dieselben gesprochen wurden, und seine ernste, selbstbewußte Haltung imponierte ihnen.
Er hielt es für angezeigt, den Kapitän vor Weiterungen abzuhalten. Darum zog er ihn am Arme zur Seite und sagte zu ihm:
»Auf das Auspeitschen wollen wir doch lieber verzichten, mein lieber Freund.«
»Verzichten? Was fällt Ihnen ein! Wenn Sie mich um meine Satisfaktion bringen wollen, so brauchen Sie mich gar nicht Ihren ‚lieben Freund‘ zu nennen. Mein Freund ist nur derjenige, welcher in meinem Interesse handelt.«
»Das thue ich ja!«
»So? Inwiefern dient es denn zu meinem Wohle, wenn ich