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      Während das Mädchen dies sang, vergoß er viele Tränen und seufzte ununterbrochen. Als Schems Annahar diese Verse hörte und seine Tränen sah, konnte sie sich nicht mehr länger zurückhalten; sie stand auf, um nach dem Saal zu gehen. Ali ging ihr bis zur Tür entgegen und streckte seine Arme nach ihr aus: sie umarmten sich an der Tür: wer noch niemals sah, wie die Sonne den Mond umarmte, sah nie zwei schönere Menschen beisammen, als diese beiden! Ihre Kraft verließ sie endlich, sie fingen an zu wanken; alle Mädchen umgaben sie und legten sie auf die Polster im Saal, sie brachten Rosenwasser und Moschuspulver und bespritzten sie damit, bis sie wieder zu sich kamen und so schön und blühend waren, wie zuvor. Schems Annahar wandte sich dann zur Rechten und zur Linken, und suchte den Spezereihändler, der sich hinter den Mädchen verborgen hatte. Als sie nach ihm fragte und er hervortrat, grüßte sie ihn und hieß ihn willkommen und dankte vielmal und sagte ihm: »Deine Güte gegen mich hat den höchsten Gipfel erreicht, ich weiß nicht, wie ich dich belohnen soll; du stehst niemand nach, wenn es sich darum handelt, als Mann eine schöne Tat zu vollbringen.« Er ward so schamrot, daß er den Kopf zur Erde neigte. Sie sagte dann zu Ali: »Mein Herr, wenn auch deine Liebe den höchsten Gipfel erreicht hat, so ist doch gewiß die meinige nicht geringer! Es bleibt nichts übrig, als auf Gottes Ratschlüsse zu vertrauen und bei seinen Versuchungen standhaft zu bleiben.« Ali antwortete: »O meine Gebieterin! meine Vereinigung mit dir und dein Anblick können das Feuer der Sehnsucht in mir nicht löschen und das, was ich empfinde, nicht vertreiben; ich wiederhole, was ich schon gesagt habe: daß ich nur mit dem Tode aufhören werde, dich zu lieben; nur wenn mein Herz vergeht, wird auch meine Liebe vergehen.« So weinten dann beide und es flossen die Tränen wie zerstreute Perlen über ihre Wangen, die dadurch einer mit Regentropfen behängten Rose glichen. Abul Hasan sagte dann: »Eure Lage ist zart und euer Zustand wunderbar; wenn ihr in der Nähe schon so seid, was wollt ihr in der Entfernung beginnen? Seid munter und verscheucht den Kummer! Liebende müssen ihre Zeit, wie eine Beute, schnell benützen.« Sie hörten auf zu weinen, und Schems Annahar machte der ersten Sklavin ein Zeichen: diese ging schnell weg und kam mit zwei Sklavinnen wieder, die ein silbernes Tischchen trugen, das sie vor Ali und den Spezereihändler setzten. Schems Annahar ging auf sie zu und sagte: »Nach einer solchen Unterredung darf man wohl durch fröhlichen Scherz sich erheitern.« Sie setzten sich dann zu Tische, und Schems Annahar fing an zu essen und dem Ali Speisen vorzulegen, während er ihr manchen Bissen in den Mund schob. Als sie genug gegessen hatten, ward der Tisch weggetragen; man brachte dann ein silbernes Waschbecken mit einer goldenen Kanne, sie wuschen ihre Hände und gingen wieder auf ihren Platz. Schems Annahar winkte wieder einer Sklavin; diese blieb eine Weile weg, kam dann mit drei Sklaven zurück, welche drei goldene Platten brachten; auf jeder derselben war ein Trinkgefäß aus Kristall, mit Gold verziert und mit köstlichem Wein gefüllt. Es war jedem eine Platte vorgestellt. Hierauf befahl Schems Annahar zehn Sklavinnen, sich an unsere Seite zu stellen, auch ließ sie zehn Sängerinnen kommen; alle übrigen mußten sich entfernen. Sie nahm dann einen Becher, füllte ihn und ließ ein Mädchen folgende Verse singen:

      »Ich gebe mein Leben hin für den, der meinen Gruß lachend erwidert, und nach der Verzweiflung mir wieder Luft zur Vereinigung gegeben. Sobald er erscheint, entdeckt die Sehnsucht meine Geheimnisse, und zeigt denen, die mich tadeln, was ich im Herzen trage; die Tränen meiner Augen bilden eine Scheidewand zwischen mir und dem Geliebten, als wenn die Tränen ihn eben so liebten, wie ich!«

      Sie trank den Becher aus, füllte einen anderen mit Wein und reichte ihn ihrem geliebten Ali. Er nahm ihn und bat eine Sklavin, folgende Verse zu singen:

      »Wie dieser Wein, fließen auch meine Tränen; was meine Augen vergießen (blutige Tränen) gleicht dem, was der Kelch enthält. Ich weiß wirklich nicht, ob meine Augen Wein vergießen, oder ob ich meine Tränen getrunken.«

      Der junge Mann trank, und Schems Annahar füllte einen dritten Becher und reichte ihn Abul Hasan; dieser nahm ihn an, und sie ergriff eine Laute von einem der Mädchen und sagte: »Ich werde zu diesem Becher singen; es ist das wenigste, was ich für dich tun kann.« Sie sang dann folgende Verse:

      »Die wunderbaren Tränen zittern auf seinen Wangen und das Feuer der Liebe brennt in seiner Brust. Wenn die Freunde nahe sind, weint er aus Furcht vor ihrer Entfernung, so daß Tränen fließen, sie mögen nahe oder ferne sein.«

      Die zwei Liebenden schwebten in Entzücken. Sie sang mit so vieler Kunst und mit solch himmlischer Stimme, daß Ali einem Vogel glich, dem man seine Flügel geraubt, so schön harmonierte ihr Gesang mit ihrem Spiele. Als sie so eine Weile beisammen waren, kam eine Sklavin gleich einer Biene herbeigeflogen, zitterte dabei wie die Spitze eines Dattelbaums und rief: »O meine Gebieterin! die Diener des Fürsten der Gläubigen sind an der Tür mit Masrur, Afif und Wasif.« Alle sanken fast in den Boden vor Schrecken und vor Furcht; der Mond ihrer Freuden verdüsterte sich und die Sterne ihrer Wonne gingen unter; sie fürchteten, es möchte schon alles entdeckt sein.

      Schems Annahar lachte über die Furcht Alis und Hasans, und sagte zu ihrer Sklavin: »Halte sie ein wenig zurück, daß sie nichts merken!« Wiewohl ungern stand sie auf, ließ die Kuppel und den Saal schließen und die Vorhänge an den Fenstern herunterrollen, ging hinunter in den Garten, und die beiden, Ali und der Spezereihändler, blieben, wo sie bisher waren. Schems Annahar ließ die Stühle wegbringen, setzte sich auf ihren Stuhl und ließ sich durch eine Sklavin ihre Füße kneifen und gab endlich die Erlaubnis, die Angemeldeten näherkommen zu lassen. Diese erschienen, von zwanzig Dienern begleitet, im schönsten Aufzug, die Schwerter an einem goldenen Gürtel an ihrer Seite, sie brachten ihr den schuldigen Gruß, sie erwiderte ihn und kam ihnen freundlich und ehrerbietig entgegen. Sie fragte dann Masrur, was er neues bringe, und dieser antwortete: »Der Fürst der Gläubigen grüßt dich, läßt sich nach deinem Wohl erkundigen und dir seine Sehnsucht anzeigen. Er wird heute einen fröhlichen Tag zubringen und wünscht ihn diese Nacht mit dir zu beschließen; bereite dich daher zu seiner Ankunft vor und laß deinen Palast ausschmücken.« Sie antwortete: »Ich gehorche Gott und dem Fürsten der Gläubigen!« Sie ließ dann durch ein Mädchen ihre Haussklavinnen rufen, und als diese kamen, verteilte sie solche in den Garten und den Palast, um den Leuten zu zeigen, daß sie, wie ihr befohlen, Vorkehrungen treffen lasse. Im Palast fehlte nichts an Teppichen und an anderen Ausschmückungen. Sie sagte dann den Dienern: »Geht nun mit Gottes Schutz und Vertrauen! Berichtet dem Fürsten der Gläubigen, was ihr gesehen, und sagt ihm, er solle nur ein wenig verziehen, bis sein Zimmer und sein Lager in Ordnung gebracht seien.« Die Diener gingen fort, Schems Annahar aber kehrte zu ihrem Geliebten und seinem Freunde zurück, die wie Vögelchen vor Angst zitterten. Sie drückte Ali fest an sich, weinte dabei heftig und sagte: »O mein Herr, dieser Abschied wird meinen Tod herbeiführen! Gott gebe mir Geduld, bis ich dich wiedersehe, oder er nehme mir das Leben nach deiner Entfernung!« Sie setzte hinzu: »Was dich betrifft, so wirst du unversehrt und ungesehen von hier wegkommen; du kannst leicht deinen Liebesgram verbergen, so daß dich niemand durchschaut! Aber ich gehe meinem Unheil und meinem bösen Geschick entgegen. Der Kalif wird wohl merken, daß ich, aus Gram über deine Trennung, nicht wie sonst gegen ihn bin. Mit welcher Stimme soll ich vor ihm singen, mit welchem Herzen bei ihm sein, mit welcher Kraft ihn bedienen, mit welchem Witze ihn und die, welche er mitbringt, unterhalten und zufriedenstellen?« Abul Hasan sagte ihr:

      »Ich beschwöre dich, dich in Geduld zu fassen und dir diese Nacht so viel Mut als möglich zu machen, Gott wird in seiner Güte euch wieder vereinen.« Während sie so sprachen, kam eine Sklavin und fragte: »O meine Gebieterin, die Diener sind schon wieder zurück und du bist noch hier?« Sie sagte: »Wehe dir! eile und bringe diese beiden schnell in das Sommerhaus, das in den Garten geht, und wenn es dunkel wird, so sorge dafür, daß sie wegkommen!« Die Sklavin sprach: »Ich werde pünktlich gehorchen.« Schems Annahar sagte ihnen dann Lebewohl und verließ sie in Verzweiflung. Die Sklavin nahm hierauf die beiden, brachte sie in das Sommerhaus, das von der einen Seite in den Garten und von der anderen nach dem Tigris hinausgeht, ließ sie dort niedersitzen, schloß die Tür und ging fort.

      Schehersad erzählte weiter: Als die Sklavin sie in das Sommerhaus gebracht, ging sie weg. Abul Hasan und Ali blieben allein; es ward schon Nacht und sie wußten nicht, was aus ihnen werden sollte und wie sie gerettet werden könnten. Als sie nach dem Garten hinabblickten, sahen sie mehr als hundert Diener, wie Hochzeiter in den schönsten Farben gekleidet, jeden mit einem goldenen Gürtel, an dem ein

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