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ergab es sich, daß der vom Weine sehr erhitzte Graf d‘Armagnac den jungen Kardinal, der ebenfalls dem Weine reichlich zugesprochen hatte, aber völlig nüchtern geblieben war, um eine Unterredung unter vier Augen bat. Sie gingen abseits, und an zwei Bäume gelehnt, schwiegen sie sich zuerst eine Zeitlang an, ehe der Graf den Mut zu den ersten Worten fand.

      Er schlug mit seiner Reitgerte in das Laub der Bäume.

      Ob der hochwürdige Herr Kardinal sich irgendwie mit dem Wesen der Liebe beschäftigt habe – in der freien Zeit, die seine geistlichen Exerzitien ihm ließen —? Der Kardinal lächelte höflich:

      Gewiß, mehr theoretisch allerdings, mehr platonisch, wie es einem Kirchenfürsten gezieme.

      Gewiß, gewiß. Der Graf pflichtete ihm bei. Aber gerade auf die Theorie, auf das Prinzipielle komme es ihm an. Nämlich, inwieweit Heirat zwischen Blutsverwandten kirchlich gestattet oder – so wolle er sich ausdrücken – möglicherweise geduldet würde?

      Die Iris in den Augen des Kardinals begann aufzuleuchten. Dürfe er den Herrn Grafen fragen, wen der Herr Graf zu heiraten wünsche?

      Der Graf war vor Aufregung fast nüchtern geworden. Er bereute seine Offenherzigkeit dem undurchdringlichen Borgia gegenüber. Aber es war zu spät, das Geheimnis zu behalten. Er senkte den Kopf wie ein auf unrechtem Pfade ertappter Schüler. Ich liebe – meine Schwester.

      Der Kardinal schwieg.

      Oben in den Bäumen sauste der Wind.

      Und im Wind schrie ein Merlan, ein Raubvogel.

      Hören Sie, sagte der Kardinal, wie schön, wie stark, wie ehrlich dieser Vogel schreit! Wir Menschen sind erbärmliche Lügner gegen ihn.

      Der Graf blieb stumm. Er meinte sich von diesen glühenden, schwarzen Augen, die er kaum ertragen konnte, abgeblitzt.

      Der Kardinal drehte den Ring mit dem Mondstein an seiner linken Hand.

      Ein Halbedelstein – aber ein Glücksstein. Sie sollten sich und Ihrer Schwester – Ihrer Geliebten und bald ihrer Gattin – einen Mondstein schenken.

      Der Graf fühlte sein Antlitz von Purpurröte übergössen.

      So beschimpft und verachtet Ihr mich nicht wegen meiner unnatürlichen Liebe und Leidenschaft?

      Der Kardinal lächelte:

      Wie kann, was in der Natur ist, wider die Natur sein?

      Und Ihr meint, Ihr könntet bei Seiner Heiligkeit, Eurem erhabenen Herrn Oheim, ein gutes Wort für einen Dispens einlegen?

      Er senkte wieder die Stirn:

      Yvonne erwartet in sieben Monaten ein Kind.

      Der Kardinal löste sich vom Baum, als ob er wie ein Waldgott aus dem Stamm heraustrete:

      Seid unbesorgt. Ich selbst werde die Bulle mit dem Ehedispens für Euch ausfertigen. Ihr werdet die Gewogenheit haben, meinem Bankier 25.000 Dukaten zu überweisen, wovon ein nicht unbeträchtlicher Teil für den Sekretär Seiner Heiligkeit, Herrn Giovanni di Volterra, und einen zweiten gegenzeichnenden Kardinal bestimmt ist.

      Und die Unterschrift des Heiligen Vaters?

      Der Kardinal lachte schallend.

      Der Heilige Vater gibt seine Unterschrift umsonst! Kommen Sie, Graf, unser Gefolge vermißt uns schon.

      VI

      Calixtus stirbt im Alter von achtzig Jahren.

      Die Feinde der Borgia, dieser verfluchten katalanischen Eindringlinge, atmen und leben auf.

      Im Palast der Orsini, die sich die Bekämpfung der spanischen Nepotenwirtschaft zum besonderen Ziel gesetzt, findet ein Fest- und Freudenmahl statt, dem Rodolfo Orsini hager und hochmütig präsidiert und an dem auch Mitglieder der Familie Colonna teilnehmen. Noch nachts empfängt der Orsini einen seiner vertrautesten Diener, einen Franzosen namens Briconnet.

      Briconnet wird am nächsten Morgen in der Via Giudea erstochen aufgefunden.

      Das Attentat auf Rodrigo Borgia war mißglückt. Rodrigo Borgia selbst war ihm zuvorgekommen.

      Auf die Kunde des Attentats flohen viele Borgia und Spanier aus Rom und ließen ihre Häuser im Stich, die der Pöbel plünderte. Nur Rodrigo Borgia wich nicht. Mit einer Leibwache von zehn schwerbewaffneten Katalanen ging er aus und besuchte Rodolfo Orsini, sich mit ihm sehr artig über die griechischen Handschriften der vatikanischen Bibliothek zu unterhalten.

      Pius II. besteigt den päpstlichen Stuhl.

      Der Kardinal Rodrigo Borgia lag noch zu Bett, als man ihm die Ankunft eines päpstlichen Kuriers meldete. Julietta, völlig nackt, servierte ihm die Schokolade. Corinna, nur mit einem silbernen Schleier bekleidet, saß auf dem Bettrand.

      Der päpstliche Kurier, ein achtzehnjähriger hübscher Junge aus Piemont, trat über die Schwelle des Schlafzimmers und stutzte. Er versuchte die Augen zuzukneifen.

      Dann sah er angestrengt zur Decke empor. Aber auch dort fand er nackte weibliche Gestalten sich zu einem sinnlich aufreizenden Reigen schlingen, der ihn erröten ließ. Tritt näher, mein Sohn, sprach der Kardinal.

      Julietta lachte.

      Corinna lächelte.

      Der Kurier errötete.

      Seine Heiligkeit benutzt die Bäder von Petriolo? Der Kurier nickte.

      Er schien sich vorgenommen zu haben, kein Wort zu sprechen.

      Julietta und Corinna tuschelten zusammen und zeigten ungeniert mit den Fingern nach dem sehnigen Burschen. Der Kardinal riß den Brief auf und las:

      Geliebter Sohn! Eure Eminenz!

      Es ist etwa eine Woche her, daß in den Gärten des Signor Giovanni de Bichi eine Festlichkeit stattfand und eine große Anzahl als leichtfertig verschriener Frauen Sienas dort zusammenkamen, um sich in Anwesenheit Euer Eminenz Lustbarkeiten hinzugeben, die mit näherem Namen anzuführen mir meine Scham verbietet. Eure Eminenz nahmen von der siebzehnten bis zur zweiundzwanzigsten Stunde, wenig eingedenk Ihres erhabenen Amtes, an dem unchristlichen Bacchanal teil. Um die Schande vollzumachen, waren die Gatten, Brüder, Väter und Vettern der jungen Damen von der Teilnahme an dem Gelage ausgeschlossen, die Lust Euer Eminenz und einiger weniger Auserwählter nicht zu stören. – Ich vermag meiner Empörung und meinem Mißfallen kaum die geziemenden Worte zu finden. Hier in Petriolo, einem von Geistlichen und Laien in der gegenwärtigen Jahreszeit stark besuchten Bade, ist das eines Kirchenfürsten unwürdige, zügellose Betragen Euer Eminenz zum Tagesgespräch geworden. Die Kleriker schämen sich Euer Eminenz Genossenschaft, und die Laien abstrahieren von Eurem frivolen Wandel auf das Leben der Geistlichkeit insgesamt. Selbst Wir, der Statthalter Christi auf Erden, geraten in Gefahr, der allgemeinen Verachtung, dem Spott und Hohn der Welt anheimzufallen, da Wir Euer Eminenz sittenloses Gebaren zu dulden scheinen. Das Maß Unserer Nachsicht ist aber am Überlaufen, und Wir bitten Euer Eminenz ein allerletztes Mal, in sich zu gehen und Buße nicht nur zu geloben, sondern zu tun. Euer Eminenz haben einen Sitz unter den Räten des Heiligen Stuhles, wozu Euer Eminenz Klugheit, Tatkraft und Wissen Sie gewißlich befähigen. Möge aber Euer Eminenz bedenken, wie sehr die Autorität der Kirche gemindert wird, wenn ein Baumeister, ausersehen, sie zu stützen, fortgesetzt Steine aus ihren Mauern löst und endlich den Turm selbst zum Einsturz bringen wird. Euer Eminenz sind noch sehr jung, neunundzwanzig Jahre, aber nicht mehr so jung, um den ganzen Tag auf nichts als Wollust zu sinnen. Wir vermahnen Euch streng, aber väterlich und zeichnen als

      Petriolo, 11. Juni 1460 Pius II.

      Der Kardinal hatte mit steigendem Unmut gelesen, der sich in den Zornesfalten seiner Stirn ausdrückte. Als er geendet hatte, warf er sich in die Kissen zurück und überlegte, was zu tun sei. Er schrieb mit dem rechten Zeigefinger allerlei Zeichen in die Luft. Der Kurier folgte seinen Bewegungen und schien sie entziffern zu wollen.

      Endlich fiel des Kardinals Blick auf Julietta. Er wandte sich mit einem Ruck an den Kurier:

      Bist du geritten, oder hast du einen Wagen mit, mein Sohn?

      Ich bin geritten, Eure Eminenz.

      Schön. Man wird einen meiner

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