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lächerliche Rolle spielen laßt.«

      Hier trat Cayatinta mit bescheidener Miene dazwischen. »Ich würde«, sagte er, »unserem Freund Canelo erwidern, daß, wenn diese Glasscheibe zu dem Zweck, den er andeutet, zerbrochen wäre, dies nur von außen hätte geschehen können; die Stücke würden also nach innen gefallen sein; und doch liegen sie hier auf dem Balkon! Es ist also der Wind, der es getan hat, wie der Herr Alkalde Grund gehabt hat, zu glauben. Es sei denn«, fügte er mit seinem falschen Lächeln hinzu, »daß es ein Bündel gewesen ist, das man unvorsichtig durch das Fenster geworfen hat, denn die Gräfin muß ihre Luftfahrt – nach der Zahl der Effekten zu urteilen, die sie mitgenommen hat – verlängern wollen, wie solches auch diese leeren Schubfächer beweisen.«

      Der alte Hausmeister hatte seinen Kopf vor dem Beweis, der seine Behauptung umstieß, gesenkt und hörte die letzte Bemerkung Cayatintas nicht. Was diesen letzteren anlangte, so fragte er sich heimlich, ob er nicht vom Alkalden ein wenig mehr als die versprochene Belohnung als Preis dieses neuen Dienstes verlangen sollte.

      Während der alte Diener der Mediana in schmerzliche Gedanken, die seine heiße Stirn verfinsterten, versunken war, näherte sich ihm leise der Alkalde. »Ich bin ein wenig aufgeregt gegen Euch gewesen«, sagte er zu ihm; »ich habe nicht genug auf den Schmerz, den ein redlicher Diener wie Ihr bei einem so unvorhergesehenen Schlag empfinden muß, Rücksicht genommen. Aber sagt mir: Ganz abgesehen von dem Kummer, den Ihr fühlen müßt – beunruhigt Euch nicht die Furcht vor der Zukunft? Ihr seid alt, folglich schwach und ohne Hilfsquellen.«

      »Eben deshalb, weil ich alt bin, Herr Alkalde, und weil meine Zukunft, was mich betrifft, eng begrenzt ist, beunruhigt sie mich wenig. Aber mein Schmerz«, fügte der Diener mit einer Art Stolz hinzu, »ist rein von jeder Beimischung; die edle Freigebigkeit der gnädigen Herren von Mediana hat mich sogar in den Stand gesetzt, die wenigen Tage, die mir noch zu leben übrigbleiben, ruhig zuzubringen. Aber ich würde glücklich sein, die Gemahlin meines alten Herrn rächen zu können.«

      »Ich billige Eure Gefühle«, erwiderte der Alkalde mit tiefgerührter Miene. »Ihr seid ein Mann, doppelt achtbar durch Euren Kummer … und durch Eure Sparsamkeit, Herr de Canelo.« Dann änderte er plötzlich den Ton und sagte: »Schreiber, bringt zu Protokoll, daß der hier gegenwärtige Don Juan de Dios de Canelo sich zum peinlichen Kläger aufwirft gegen die Räuber seiner Herrin; denn es läßt sich nicht mehr zweifeln, meine Herren, ein Verbrechen ist begangen worden, und wir schulden uns selbst – wir schulden diesem ehrenwerten Greis die Genugtuung, dessen Urheber zu finden und zu bestrafen.«

      »Aber Herr Alkalde«, rief der bestürzte Hausmeister, »es ist mir niemals eingefallen, mich als peinlichen Kläger zu stellen!«

      »Nehmt Euch in acht, alter Mann!« sprach Don Ramon mit feierlicher Stimme. »Wenn Ihr verleugnet, was Ihr mir soeben anvertraut habt, so würden erschwerende Beweise auf Euch lasten. Wie mir nämlich vor kurzem unser Freund Cayatinta bemerklich gemacht hat, würde diese Leiter, die Euch zur Ersteigung des Zimmers Eurer Herrin gedient hat, böswillige Absichten beweisen! Aber ich glaube, Ihr seid deren unfähig; bleibt also Ankläger, anstatt Angeklagter zu werden! Vorwärts, meine Herren, unsere Pflicht ruft uns hinaus; vielleicht finden wir unter diesen Fenstern Spuren, die zur Entdeckung leiten.«

      Der arme Juan de Dios, der sich so unversehens zwischen den beiden Spitzen dieses Dilemmas befand, dessen doppeltes Resultat dasselbe sein mußte – nämlich die Plünderung des kleinen Vermögens, das sein Greisenalter erleichtern sollte —, senkte sein Haupt und nahm mit erhabener Ergebung die Stimme des Unrechts für die Gottes, indem er sich mit dem Gedanken tröstete, daß dieses letzte Opfer vielleicht noch seinen Herrschaften nützlich sein würde.

      Keine Spur war am Fuß des Balkons – wie wir schon oben erwähnt haben – im Boden zurückgeblieben.

      Man glaubte einen Augenblick, einen wichtigen Fang zu tun in der Person eines Mannes, der unter einer Felsenkrümmung eingeschlafen war. Es war Pepe der Schläfer. Plötzlich aufgeweckt und befragt, ob er nichts gesehen habe, bediente sich Pepe, der zum erstenmal seit langer Zeit seine Tasche nicht leer wußte, um alle Gefahr abzuwenden, eines Mittels, das von Anfang an einem so gierigen Menschen wie dem Alkalden gegenüber ganz außerordentlich erscheinen wird; er bat ihn nämlich, ihm einen Real zu leihen, um Brot zu kaufen.

      Was war mit einem solchen Tollkopf zu tun? Der Alkalde richtete auch keine weiteren Fragen an ihn und ließ ihn sich nach Gefallen ermuntern. Man mußte also bis auf weiteren Befehl auf jede Nachforschung Verzicht leisten; man hatte ja auch genug getan, um die Kosten des Prozesses bis zur Summe der Ersparnisse des klagenden Teils zu erhöhen.

      Als jedoch nach diesem in den Annalen Elanchoves unerhörten Morgen die Dämmerung dem Tag gefolgt war, irrten zwei Männer noch traurig an der Küste umher, waren aber eifrig bemüht, einander nicht zu begegnen. Der eine war der arme Juan de Dios, der einen Seufzer seinen ersparten Geldern nachschickte, die nahe daran waren, sich in den verzehrenden Abgrund der Justiz zu stürzen, und hartnäckig die Spuren seiner Herrin suchte, für sie und seinen jungen Herrn betete und Gott anflehte, ihr Leben zu schützen.

      Der andere war der traurige Cayatinta. Der Alkalde nämlich hatte das Vertrauen des Escribano, der ihm seinen Eid, ehe noch die versprochene Belohnung erteilt war, geleistet hatte, so benutzt, daß er geradezu seine Hosen verweigerte und an ihrer Stelle einen ziemlich alten Hut anbot, den Gregorio mit Unwillen zurückgewiesen hatte. Cayatinta beweinte also seine verschwundenen Träume, sein blindes Vertrauen und die Unsittlichkeit der falschen Eide … wenn sie nicht bezahlt werden, und dachte über einen günstigen Augenblick nach, um den alten Hut statt seiner ach so wohl verdienten Beinkleider zu erhalten.

      3 . Wie Pepe der Schläfer seine Pflichtverletzung wiedergutmacht

      Als Pepe der Schläfer dem Capitan Despierto sein Geheimnis abgelockt hatte – ein Geheimnis, von dem er seinen Vorteil gezogen hatte —, wußte er nicht, daß Don Lucas ihm noch ein anderes verbarg. Der Soldat jedoch, der infolge einiger Gewissensbisse eifrig wünschte, seine Pflicht vielleicht zum erstenmal in seinem Leben zu erfüllen, bat an dem Tag nach der Nacht, in der er auf Posten gestanden hatte, seinen Capitan um die Gunst, seinen Wachtdienst an demselben Abend wiederaufnehmen zu dürfen. Man errät, daß er ohne Mühe die Erlaubnis erhielt; aber während Don Lucas ihn seiner Gewohnheit nach eingeschlafen glaubte, wachte Pepe wie in der vorhergehenden Nacht.

      Wir wollen ihn unterdessen auf seinem Posten lassen, um zu erzählen, was sich an der Küste Elanchoves, nicht weit von der Bucht Ensenada, ereignete.

      Die Nacht war ebenso neblig wie die vorhergehende, als gegen zehn Uhr abends ein rascher und segeltüchtiger Kutter in die geheimen Zugänge eines Felsenlabyrinths einbog. Die Haltung des Kutters, sein Takelwerk, seine Segelstellung bezeichneten ihn als ein Kriegsschiff oder wenigstens als ein bewaffnetes Schiff auf der Fahrt. Die Kühnheit, mit der er mitten durch die Dunkelheit steuerte, bewies ebenfalls, daß sein Lotse seit langer Zeit diese gefährliche Küste befahren haben mußte und daß der Kommandant des Schiffes geheime Verbindungen auf dem Festland hatte. Das Meer brach sich wütend links und rechts von dem engen Labyrinth, an dessen Felsen das Fahrzeug unter gerefften Segeln hinglitt, nur wenig von ihnen entfernt. Als diese enge Durchfahrt erst hinter ihm lag, öffnete sich eine weite Bucht vor dem Kutter, in der das viel ruhigere Meer ein ebenes und sandreiches Ufer bespülte.

      Das Schiff drehte jetzt nach einer Wendung, die der wachhabende Offizier auf französisch befahl, mit einer Schnelligkeit bei, die eine zahlreiche Mannschaft voraussetzen ließ. Zwei kleine Fahrzeuge wurden nach und nach bewaffnet und ins Meer gelassen, und ihre Bemannung steuerte nach dem höchsten Punkt der Bucht, über der sich einige auf dem flachen Ufer verstreut liegende Häuser durch ihre weiße Farbe unterscheiden ließen.

      Wir wollen es gleich hier sagen, um nicht noch länger ein Geheimnis daraus zu machen, daß das kleine Fahrzeug ein französisches war – halb Korsar, halb Schmuggler —, das in der doppelten Absicht kam, eine Anzahl Kaufmannsgüter an ihren Bestimmungsort zu bringen und Mundvorräte, an denen es zu fehlen begann, wieder einzunehmen.

      Der Kapitän hatte es, geführt durch einen Fischer von Elanchove, den der Capitan Despierto gestellt hatte, für gut gehalten, in diesen Engpaß einzulaufen, um sich während des Augenblicks sicherzustellen, wo er, einer bestimmten Zahl seiner Matrosen

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