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einer Schläfe zur anderen ging, die Grenze zwischen beiden bezeichnet hätte. Diese Narbe bewies, daß, wenn er auch sein Haupthaar noch besaß, er doch große Gefahr gelaufen hatte, es gewaltsam zu verlieren.

      Seine sonnverbrannten Züge schienen aus Bronze gegossen zu sein, soviel helles Licht und scharf dagegen abstechende Schatten verliehen ihnen der Glanz des Feuers und die Dunkelheit der Nacht. Übrigens lag in seinem Gesicht ein Ausdruck von Gutmütigkeit, der ganz zu der herkulischen Kraft seiner Glieder paßte, denn die Natur hat vorsorglich solchen Kolossen ebensoviel Sanftmut als Kraft verliehen.

      Obgleich sein Gefährte von ziemlich hohem Wuchs war, so erschien er doch ihm gegenüber wie ein Pygmäe; dem Anschein nach war er fünfundvierzig Jahre alt – das heißt fünf oder sechs Jahre jünger als der Kanadier —, aber sein Gesicht ließ bei weitem nicht auf eine solche Seelenruhe schließen, wie diejenige ist, deren Ursache in einer unwiderstehlichen Kraft liegt. Seine schwarzen Augen hatten einen kühnen, fast trotzig unverschämten Ausdruck; seine stets beweglichen Züge zeugten von heftigen Leidenschaften, die, einmal aufgeregt, sich bis zur Grausamkeit steigern konnten. Alles an ihm ließ einen Mann von einer anderen Rasse in ihm erkennen; einen Mann, in dessen Adern südliches Blut floß.

      Obwohl er einen Anzug trug, der dem seines Gefährten beinahe gleichkam, und auch ebenso bewaffnet war, so ließ seine ganze Kleidung doch eher einen Reiter als einen Fußgänger in ihm vermuten. Indes bezeugten seine zerrissenen Schuhe, daß er mit ihnen mehr als einen langen Marsch hatte zurücklegen müssen.

      Der Kanadier hatte sich seiner ganzen Länge nach auf das Moos gestreckt und schien mit besonderer Aufmerksamkeit eine Hammelkeule zu überwachen, die an ein Eisenholzstäbchen, das auf zwei kleinen Gabeln von demselben Holz ruhte, gespießt war und über glühenden Kohlen röstete, während deren schmackhafter Saft niedertropfte und zischend ins Feuer fiel. Er entwickelte bei diesem Geschäft so viel gastronomischen Eifer, daß er nur unvollkommen hörte, was ihm sein Kamerad sagte.

      »Ich versichere dir«, sagte dieser, der auf einen Einwurf zu antworten schien, »daß, wenn man einem Feind auf der Spur ist – sei er Apache oder Christ – man sich auf gutem Weg befindet.«

      »Aber«, antwortete der Kanadier, »du vergißt, daß wir nur gerade Zeit haben, nach Arizpe zu gehen, um den Preis zweijähriger Anstrengungen zu holen, und daß du mich schon zwingst, unsere beiden Jaguarhäute und die des Pumas zu opfern.«

      »Ich vergesse niemals meinen eigenen Vorteil; ebensowenig aber vergesse ich auch die Gelübde, die ich getan habe; zum Beweis dafür dient, daß ich schon vor fünfzehn Jahren das getan habe, was ich nun nächstens zu erfüllen hoffe. Ich rechne darauf, noch lange genug zu leben, um jedes Ding zu seiner Zeit zu tun – nur fange ich immer beim Notwendigsten an. Ich werde immer noch die Summen vorfinden, die man uns in Arizpe schuldet; wir werden überall diese drei Häute verkaufen können, die dir am Herzen liegen – aber der Zufall, der mich mitten in diesen Einöden dem Mann begegnen läßt, dem ich soviel Haß angelobt habe, wird mir keine solche Gelegenheit wieder bieten, wenn ich sie entschlüpfen lasse.«

      »Bah!« sagte der Kanadier. »Die Rache ist eine Frucht wie viele andere: sie ist süß, ehe man sie gepflückt, sie ist bitter, wenn man sie gekostet hat.«

      Einen Augenblick schwiegen beide Jäger, dann begann Pepe wieder: »Es will mir indes vorkommen, Señor Bois-Rosé, daß du in bezug auf die Apachen, die Sioux, die Crow und andere innige – Feinde von dir nicht dieser Ansicht bist, denn deine Büchse hat ihnen ich weiß nicht wie viele Schädel zerschmettert, ohne die Krieger zu rechnen, denen dein Messer den Leib aufgeschlitzt hat.«

      »Oh, das ist was ganz anderes, Pepe; die einen haben mir meine Häute gestohlen, die anderen haben mich halb skalpiert, alle haben mich schreckliche Augenblicke erleben lassen; und dann ist es auch eine gerechte Strafe, die Wälder und die Ebenen von solcher Brut zu befreien! Aber obgleich ich mich fast ebensosehr über die Engländer zu beklagen habe, so wird doch niemals meine Büchse einen von ihnen töten, den der Zufall vor die Mündung ihres Laufes führen könnte – ich müßte denn dazu gezwungen sein —, und das um so mehr, wenn es statt eines Engländers ein Landsmann wäre.«

      »Ein Landsmann, sagst du, Bois-Rosé? Das ist ein Grund mehr! Man haßt immer nur diejenigen recht von Herzen, die man aus Pflichtgefühl oder seiner Stellung halber lieben sollte, wenn man dennoch besondere Gründe hat, sie zu hassen. Diejenigen, die dieser Mann mir gegeben hat, sind der Art, daß sie nicht so bald vergessen werden könnten, denn vor fünfzehn Jahren habe ich geschworen, ihrethalben Rache zu nehmen. Um dir die Wahrheit zu sagen, so trennte uns ein solcher Abstand, daß ich nicht wußte, wann ich meinen Eid würde erfüllen können, und ich kann es mir noch immer nicht erklären, wie zwei Menschen, die sich in Spanien gekannt haben, in diesen Wäldern einander wieder treffen. Aber dieser Tag ist gekommen, und ich wiederhole es dir: Ich will mir diese Gelegenheit nicht entschlüpfen lassen!«

      Pepe schien so hartnäckig seinen Entschluß gefaßt zu haben, daß sein Gefährte wohl einsah, wie es verlorene Mühe sein würde, ihm eine andere Ansicht beizubringen, und da er einen nachgiebigen Charakter hatte und die Tat mehr liebte als den Wortstreit, so begann er nach einigem Nachdenken: »Alles in allem habe ich zu lange unter den Indianern gelebt, um deine Anschauungsweise zu mißbilligen, und wenn ich die Gründe kennte, die dich leiten, so würde ich dir vielleicht ganz beistimmen.«

      »Das kann ich dir mit zwei Worten sagen«, antwortete der Jäger, den der Kanadier Pepe nannte. »Vor zwanzig Jahren war ich, wie ich dir schon gesagt habe, Grenzsoldat im Dienste Seiner katholischen Majestät. Ich wäre mit meinem Schicksal ziemlich zufrieden gewesen, denn unser Sold war gut; unglücklicherweise zahlte man ihn uns aber niemals aus. Wir hätten wohl, da wir zugleich Küstenwächter waren, auf einen guten Fang der Konterbande, der uns früher oder später entschädigt hätte, hoffen können; aber die Schmuggelei war dabei ebenso selten als die Auszahlung unseres Soldes.

      Welche Hoffnung blieb auch wohl den Schmugglern übrig, zweihundert kühnen Burschen gegenüber, die immer auf der Lauer lagen? Wenn ein hungriger Magen, wie man zu sagen pflegt, keine Ohren hat, so hatte in diesem Fall der unsrige Luchsaugen, und vom Capitan bis zum letzten Soldaten fand sich ein erschreckender Eifer in Wachsamkeit und Dienstpflicht.

      Unter solchen Umständen betrachtete ich die Sache aus folgendem Gesichtspunkt: Es ist klar, sagte ich zu mir, daß ein Schmuggler, wenn er sich trotz dieser Lage der Dinge an unsere Küste wagt, dies nur unternehmen wird, nachdem er sich mit dem Capitan verständigt hat. Der Capitan würde, wie du wohl denken kannst, eine solche Verständigung nicht zurückweisen und müßte in solchem Fall den Beistand desjenigen unter seinen Grenzjägern in Anspruch nehmen, der ihm das meiste Vertrauen einflößte.

      Um zu diesem Ziel zu gelangen, machte ich einen Umweg: Ich tat, als ob ich immer schliefe. Ich hatte dabei einen doppelten Vorteil, denn wer schläft, ißt nicht, und von einem Tag zum anderen hoffte ich den Gewinn mit dem Capitan zu teilen, der mich vor allen wählen würde, in der festen Überzeugung, daß ich auf meinem Posten schliefe.«

      In diesem Augenblick holte der Kanadier die Hammelkeule aus dem Feuer, die einen köstlichen Duft durch die kühle Nachtluft verbreitete. »Heran«, sagte er, Pepe unterbrechend, »wenn du Appetit hast; du kannst deine Geschichte beim Essen vollenden.«

      »Ob ich Appetit habe?« antwortete Pepe. »Caramba! Die Erinnerung an meine Enthaltsamkeit im Dienst des Königs von Spanien macht mir immer fürchterliche Magenschmerzen.«

      Die beiden Männer setzten sich einander gegenüber und bildeten mit ihren Füßen einen länglichen Kreis, dessen Mittelpunkt der Braten bildete; ein gewaltiges Geräusch der Kinnbacken unterbrach während einiger Augenblicke allein die Stille der Wälder.

      »Ich sagte dir also«, nahm Pepe wieder das Wort, »daß ich immer schlief; ich tat gar nichts anderes und war wirklich nicht allzu unglücklich dabei. Eines Abends ließ der Capitan mich rufen.

      Gut, sagte ich zu mir, da steckt etwas dahinter, denn der Capitan wird mir einen Posten anvertrauen. Wirklich schickte er mich zum Schlafen – so hoffte er wenigstens – an das Ufer des Meeres, und zwar sehr weit entfernt. Aber ich schlief nicht, wie du dir wohl denken kannst.

      Ich fasse mich nun kürzer, denn ich spreche nicht gern beim Essen; man verliert zuviel Zeit. Kurz und

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