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nämlich daß das Val d‘Or von indianischen Stämmen, wie es der mexikanische Bandit beschrieben hatte, umschwärmt werde und nur für eine ziemlich beträchtliche Streitkraft zugänglich sei und daß er allein nur über eine Anzahl von Männern verfügte, die zu dieser Besitznahme durchaus notwendig war.

      Der Spanier träumte und schwieg; die Entdeckungen Cuchillos in betreff des Sohnes Marcos Arellanos‘ hatten seinem Geist eine Gedankenreihe eröffnet, in die alle übrigen sich verloren. Wir wollen nur sogleich sagen, daß er aus Gründen, deren Erklärung noch nicht hierher gehört, zu erraten suchte, ob nicht etwa Tiburcio Arellanos der junge Fabian de Mediana sei.

      Cuchillo dachte seinerseits an gewisse Umstände in der Vergangenheit, die den Gambusino Arellanos und seinen Adoptivsohn betrafen und die er aus wichtigen Gründen nicht erwähnte. Damit wir aber diese Erzählung von Anfang an soviel wie möglich ungehindert verfolgen können, ohne auf die Vergangenheit zurückweisen zu müssen, so wollen wir diese früheren Ereignisse hier erwähnen.

      Wie wir schon gesagt haben, änderte Cuchillo oft seinen Namen. Unter einem dieser angenommenen Namen, die er so schnell verbrauchte, befand sich der Bandit gerade in Tubac, als er den unglücklichen Arellanos kennengelernt und sich mit ihm verbunden hatte. Als der erstere vor dem Beginn eines neuen und gefährlichen Streifzugs vom Presidio zurückgekehrt war, um seine Frau und den jungen Mann, den er wie einen Sohn liebte, wiederzusehen, vertraute er seiner Frau allein den Zweck seiner Unternehmung an und ließ ihr sogar eine genaue Beschreibung des Weges zurück, den man verfolgen mußte.

      Cuchillo wußte übrigens diesen besonderen Umstand nicht. Aber eine Tat, die er sorgfältig verschwieg, war, daß er selbst, nachdem er das Val d‘Or nur flüchtig gesehen, Arellanos ermordet hatte, um sich allein die Schätze anzueignen, die es enthielt. Wir haben gesehen, wie er seinerseits gezwungen war zu fliehen, ohne jedoch die Frucht seines Verbrechens zu verlieren, da er allein Vorteil aus dem Verkauf seines Geheimnisses zog. Wir wollen nun den Banditen selbst eine kleine Lücke ausfüllen lassen durch die Erklärung, wie er Bekanntschaft mit dem Sohn Arellanos‘ gemacht hatte.

      »Nichtsdestoweniger«, sagte Cuchillo, das Schweigen unterbrechend, »habe ich mein Herz von jeder Besorgnis befreien wollen. Als ich nach Arizpe zurückgekehrt war, erkundigte ich mich nach der Wohnung Arellanos‘ und fand seine Witwe, um sie vom Tod des armen Marcos zu benachrichtigen. Doch den Schmerz ausgenommen, mit dem meine Botschaft aufgenommen wurde, habe ich nichts gesehen und nichts geargwöhnt, was mich hätte glauben lassen, ich sei nicht der alleinige Besitzer des Geheimnisses, das ich Euch eben entdeckt habe.«

      »Man glaubt leicht, was man hofft«, sagte Arechiza.

      »Hört, Don Estévan«, erwiderte er, »es gibt zwei Dinge, worauf ich mir etwas einbilde: nämlich auf ein Gewissen, das leicht zu beunruhigen, und auf einen Scharfblick, der schwer zu täuschen ist.«

      Der Spanier machte keine Einwürfe mehr – er war überzeugt; ohne Zweifel nicht vom Gewissen, sondern vom Scharfblick des Banditen.

      Was Tiburcio Arellanos selbst betrifft, so halten wir es für überflüssig zu sagen, was der Leser schon begriffen hat: nämlich, daß dieser junge Mann kein anderer war als Fabian, der letzte Sprößling der Grafen von Mediana. Cuchillo hat eben erklärt, wie die englische Brigg, die den französischen Kutter genommen hatte, ihn nach der Gefangennahme des kanadischen Matrosen in ein fremdes Land brachte. Dort besaß er von nun an – ohne Führer, um seine Familie wiederzufinden, der Güter seines Hauses beraubt, verwaist zurückgelassen von denen, die seine Kindheit und seine Jugend beschützt hatten – nichts weiter, als was der Ärmste in diesem Land besitzt: ein Pferd und eine Bambushütte.

      6. Der letzte Mediana

      Als Cuchillo nach dem Schluß der Unterredung, von der wir eben berichtet haben, die Hütte verließ, wo sie stattgefunden hatte, stand die Sonne schon nicht mehr senkrecht am Himmel und fing an, sich gegen den Horizont zu neigen. Die von der Hitze des Tages ausgedörrte Erde sandte aus ihrem Schoß die glühenden Ausdünstungen zurück. Diese durch den Wind, der schon viel frischer wehte, verdichteten Dünste gaben durch die Luftspiegelung den trockenen Ebenen, die den Wald begrenzten, das Aussehen eines klaren Sees, als ob die Natur, die nur die vollkommenste Harmonie liebt, dem Auge eine Entschädigung der traurigen Nacktheit dieser Landschaft hätte bieten wollen.

      Dumpfes Krachen ließ sich noch im Wald hören, ähnlich dem Krachen des Holzes, das sich bei der Berührung des Feuers krümmt und windet. Aber die Bäume richteten nach und nach ihr Laubdach unter dem Südwind wieder auf und schienen ungeduldig die Stunde zu erwarten, wo die Nebeldecke, die sie während der Nacht umhüllt hatte, ihre Wipfel wieder erfrischen würde.

      Cuchillo pfiff, und auf diesen wohlbekannten Ton lief ein Pferd im Galopp herbei. Das Auge des armen Tieres war erloschen vor Durst. Sein Herr goß mitleidig ein wenig Wasser aus seinem Schlauch in eine Schale, und obgleich dies für das Tier nur ein Tropfen war, so belebte sich sein trübes Auge doch. Cuchillo zäumte, sattelte sein Pferd und schnallte die Sporen an seine Füße. Darauf rief er einen der Diener Don Estévans und gab ihm den Befehl, die Maultiere und die Pferde anzuschirren und vorauszureiten, um das Nachtlager instand zu setzen, das einige Stunden weiter an einem Ort, den man la Poza nennt, aufgeschlagen werden sollte, wo die Reisenden die Nacht zubringen mußten.

      Der Diener warf ein, daß dies nicht der geradeste Weg nach Tubac sei, wohl aber der nach der Hacienda del Venado. Doch auf die entschiedene Antwort Cuchillos, daß es die Absicht seines Herrn sei, einige Tage auf der Hacienda zu verweilen, begann der Diener pflichtgemäß die Befehle auszuführen, die ihm übermittelt worden waren.

      Der Eigentümer dieses weitläufigen Landguts – des einzigen von dieser Größe und Bedeutung zwischen Arizpe und der Grenze – war in der ganzen Gegend, die zwischen diesen beiden Punkten liegt, berühmt durch seine Freigebigkeit zu seinen Gästen. Ohne Murren also hörten die Leute aus dem Gefolge der beiden Reisenden, daß sie durch Verlängerung ihres Marsches wenigstens einige Tage Ruhe in dieser gastlichen Wohnung finden würden.

      Der Diener, der mit den von Cuchillo überbrachten Befehlen beauftragt war, sattelte sein Pferd und nahm im Galopp die Richtung nach dem Saum des nahen Waldes, an dessen Eingang er die Caponera oder Capitanastute angebunden hatte. Um sie herum hatten sich die frischen Pferde gesammelt und diejenigen, die schon auf der Reise bis zu dem verlassenen Dorf Huerfano geritten worden waren.

      Beim Anblick des Reiters, der mit dem Lasso in der Hand herankam, verbreitete sich Schrecken unter dieser Truppe noch halbwilder Tiere. In dem Augenblick, als der Diener seine Schlinge um den Kopf schwirren ließ, sprang der wilde Haufe zurückprallend auf; aber es war schon zu spät, und die gleitende Schleife fiel zweien von ihnen über den Hals. Diese Tiere hatten schon zu oft die Gewalt des Lassos kennengelernt, um Widerstand zu leisten, und folgten mit gesenktem Haupt gelehrig dem Diener, während die übrigen Pferde zurückkehrten und sich um die Glocke der Capitana sammelten.

      Als die Pferde gesattelt und gezäumt waren, entfesselte der Diener die Stute und ritt voran, indem die hin und her prallende Herde folgte oder vorauslief und sich bald in einer Wolke von Staub verlor.

      Bis zur Poza, wo man haltmachen sollte, waren nur wenige Stunden Weges, und da nichts drängte, noch vor der Nacht dort anzukommen, so mußten zwei frische Pferde für Don Estévan und den Senator ausreichen. Letzterer ließ auch nicht auf sich warten; er erschien unter der Tür der Hütte, wo er gewissenhaft eine Mittagsruhe gehalten hatte, zu der diese glühenden Klimate mit gebieterischer Notwendigkeit zwingen. Don Estévan kam zu derselben Zeit aus der seinigen. Obgleich die Luft immer noch zum Ersticken war, so konnte man sie doch schon leichter atmen als am Morgen.

      »Caramba«, rief der Senator, »das ist Feuer, was man atmet, aber keine Luft; und wenn diese Hütten nicht ein Nest für Skorpione und Schlangen wären, so würde ich hier gern bis in die Nacht bleiben – viel lieber, als mich abermals in diesen Glutofen zu werfen!« Nach diesen klagenden Worten stieg der Senator mühsam aufs Pferd und ritt mit Don Estévan voraus. In einiger Entfernung von ihnen folgten Cuchillo und Baraja, und endlich schlossen die Diener und die Maultiere den Zug.

      Indessen ließ die Frische des Waldes, den der Zug durchschnitt, die erste Stunde des Marsches erträglich finden; aber bald gelangten sie beim Ausgang des Waldes mitten auf weite Ebenen hinaus, die unbegrenzt

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