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Max kehrte also in die Bibliothek zurück, doch trat er nicht vollständig ein, sondern blieb unter der halb geöffneten Thür stehen, um beim etwaigen Eintritte des Herzogs zum sofortigen Rückzuge bereit zu sein.

      Endlich hörte er die Thür öffnen und vernahm eine Stimme. Schnell stand er an der PortiŠre und blickte hindurch. Der Kommissär war mit dem Verbrecher eingetreten. Der Letztere war ein Mann in den mittleren Dreißigern, von untersetzter, kräftiger Figur und einem Gesichtsausdrucke, der nichts Angenehmes an sich hatte.

      »Treten Sie einstweilen ab, Herr Kommissär!« befahl der Herzog.

      Diesem Gebote wurde augenblicklich Folge geleistet.

      »Helbig!«

      »Excellenz!«

      »Du spannst wohl keine Seide, seit Du aus meinen Diensten bist?«

      »Nein.«

      »Und hättest es bei mir so gut haben können, wenn Du damals dem Weibe nicht nachgelaufen wärst!«

      »Hole sie der Teufel, Durchlaucht! Ich wollte, sie stände jetzt da und ich hätte eine gute Klinge in der Hand. Ich will gehängt sein, wenn die Weiber nicht an allem Unheile schuld sind, welches die Männer zu leiden haben! Sie gab sich mit einem Andern ab, und das paßte mir natürlich nicht. Ich ertappte sie, wurde teufelsmäßig wild, und – na, da hat man mich als Mörder eingezogen!«

      »Ich bin überzeugt, daß Du unschuldig bist!«

      »Natürlich!«

      »Und dennoch wird man kurzen Prozeß mit Dir machen.«

      »Das beginne ich auch zu ahnen. Dieser Kommissär da draußen gibt sich alle Mühe, mich um den Kopf zu bringen.«

      »Er hält das für seine Pflicht. Man wird Dich aufhängen.«

      »Das ist allerdings wahrscheinlich. Aber ich habe Ew. Durchlaucht so viele treue Dienste geleistet, von denen Niemand Etwas erfahren darf, und als ich hörte, daß ich hierher geführt werden sollte, da kam mir die Vermuthung, daß Excellenz etwas für mich thun wollten.«

      »Das bin ich auch in Anbetracht Deiner Dienste entschlossen. Aber weißt Du, das Leben hat einen höheren Werth als Deine kann.«

      »Verlangt nur! Ich werde Alles thun, es mag heißen wie es will.«

      »Schön! Aber bedenke vorher, daß ich Dich ebenso gut verderben wie erretten kann. Es darf von dem, was wir hier besprechen, kein Mensch ein Wort erfahren!«

      »Habe ich jemals geschwatzt, Excellenz?«

      »Das allerdings nie, und darum eben schenke ich Dir mein vollstes Vertrauen. Weißt Du, wie viele Menschen es auf der Erde gibt?«

      »Ich habe sie noch nicht gezählt.«

      »Es sind ein gut Theil über tausend Millionen, aber unter ihnen leben Drei zu viel. Verstehst Du mich?«

      »Ich verstehe. Mein Leben gegen drei Leben!«

      »Nun?«

      »Mein Leben ist mir natürlich lieber als das Leben dieser ganzen tausend Millionen. Wer sind die Drei?«

      »Ein Schmiedesohn, eine Zigeunerin und ein verrückter Hauptmann.«

      »Ich werde mit ihnen fertig werden.«

      »In einer Nacht?«

      »In einer Stunde, wenn sie hier wohnen und nicht weit auseinander zu treffen sind.«

      »Das muß ich erst noch erfahren, doch vermuthe ich, daß sie beisammen in der Schmiede zu treffen sind.«

      »Desto besser. Aber wie ihnen beikommen? Ich bin gefangen!«

      »Nichts leichter als das. Komm her und siehe Dir das Polizeigebäude an! Es ist vom Monde beleuchtet. Unter meinem Schutze wird sich jede Schwierigkeit heben lassen.«

      Max konnte nun nur noch die Gesten der beiden Männer bemerken. Der Herzog gab seine Bemerkungen im leisesten Flüstertone, und der Andere antwortete ebenso unhörbar. Endlich wandten sie sich wieder dem Innern des Zimmers zu, und der Herzog trat zur Thür, um dieselbe zu öffnen.

      »Herr Kommissär!«

      »Excellenz!«

      »Ich habe die Überzeugung gewonnen, daß dieser Mann vielleicht unschuldig oder wenigstens nicht so sehr schuldig ist, wie es den Anschein haben mag. Er ist ein langjähriger treuer Diener von mir, dessen ich mich unter allen Umständen annehmen werde. In den Lauf der Untersuchung kann und will ich allerdings nicht eingreifen, doch erinnere ich Sie an den Gegenstand unseres vorigen Gespräches. Bringen Sie den Gefangenen zurück. Sie werden weiter von mir hören!«

      Die beiden Männer traten ab, und nun mußte sich auch Max entfernen. Er gelangte unbemerkt in das Freie.

      Er hatte die wichtigsten Entdeckungen gemacht und saß so gedankenvoll in dem Kahne, daß er fast erschrak, als dieser am jenseitigen Ufer anstieß. Seine Aufgabe war jetzt eine dreifache: den Einbruch im königlichen Schlosse zu verhüten, die Flucht der beiden Beamten der Irrenanstalt unmöglich zu machen und endlich die Gefahr zu vermeiden, welche ihm, dem Hauptmanne und Zarba durch den gedungenen Mörder drohte. Das Erstere war jedenfalls das Nöthigste. Daher begab er sich zunächst nach Hause. Der Vater besaß eine Karte des Königs, welche ihm die Erlaubniß bescheinigte, zu jeder Zeit des Tages und des Nachts das königliche Schloß zu betreten. Nur durch sie war es möglich, die Dokumente den Händen des Herzogs zu entreißen und zugleich den verrätherischen Lakaien zu entlarven.

      Siebentes Kapitel: Schachzüge

      Wieder saßen im traulichen Abenddämmerschein die Gesellen vor der Schmiede und in ihrer Nähe die lauschenden Lehrbuben. Drin im Hause war Alles ruhig, obgleich einige durch die Lädenritzen fallende Lichtstrahle verriethen, daß die Zimmer nicht vereinsamt seien.

      »Ich möchte nur wissen, pei welcher Waffe er gedient hat,« meinte Schubert. »Er hat so etwas Liepes und zugleich Vornehmes an sich, und ich verwette ein Dutzend Ampalema gegen eine einzige Pfälzer mit Märker Einlage, daß er pei der Kavallerie gestanden hat.«

      »Das ist nicht am Den!« antwortete einfach Baldrian, der Grenadier.

      »Nicht? Warum nicht, Paldrian? Meinst Du vielleicht, daß er Offizier bei der Linie gewesen ist?«

      Kopfe.

      »Das pilde Dir nicht ein, denn zur Linie hat er ein viel zu noples Exterieur, wie wir Kavalleristen zu sagen pflegen.«

      »Ja, die Kavallerie hat viel Exterieur,« meinte Heinrich, »nur müssen die Pferde gewaschen und die Leute gestriegelt worden sein! Wie könnt Ihr nur denken, daß der Hauptmann von Wallroth bei der Reiterei oder gar bei der Linie gestanden hat! Daß er ein gelehrter und außerordentlich tüchtiger Herr ist, das sieht man ihm ja schon von Weitem an, und da ist es ja gar nicht anders möglich, als daß er bei der Artillerie befehligt hat. Sie bedarf der besten Offiziere. Eine Flinte ist bald abgedrückt, und mit einem Käsemesser hauen und stechen, dazu gehört nicht viel; aber eine Kanone richtig zu bedienen, das erfordert schon etwas, und von einem einzigen guten Schusse hängt oft das Schicksal einer ganzen Schlacht ab.«

      »Du pist nicht recht pei Troste!« widersprach Thomas. »Wie kann das Schicksal einer Schlacht von einem einzigen Schusse aphängen!«

      »Das verstehst Du nicht. Ich kann davon ein Beispiel erzählen. Nämlich vor elf Jahren in der Schlacht bei Bartlingen machten wir die letzte Anstrengung, den Feind zu stürzen. Sämmtliche Reserven hatten bereits in die Aktion eingegriffen; es stand Alles auf dem Spiele; wir waren auf der ganzen Linie im Avanciren, aber der Gegner hatte noch frische Kräfte zur Verfügung, und wenn er diese herbeizog, so mußten wir zurück und hatten die Schlacht verloren. Der Herzog von Raumburg, – man mag von ihm sagen, was man will, ein tüchtiger Feldherr ist er ohne Zweifel – hielt neben unserer Batterie auf einer Anhöhe und beobachtete durch das Fernrohr den feindlichen Oberstkommandirenden. Da plötzlich drehte er das Pferd zu mir herüber. »Heinrich Feldmann,« sagte er, »Du bist der beste Artilleriste meiner Armee; siehst Du ganz da drüben den feindlichen Adjutanten reiten?«

      »Zu Befehl, Generalissimus!« antwortete ich.

      »Er

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