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dort rechts hinunter oder auch umgekehrt. Da beschleichen wir sie von zwei Seiten, und es entgeht uns nichts. Unten treffen wir wieder zusammen.«

      Weil ich ihm nicht die nötige Geschicklichkeit und Vorsicht zutraute, antwortete ich:

      »Es ist besser, wenn wir beisammen bleiben. Wir steigen hier links hinunter, schleichen uns unten um das Lager und kommen dort rechts wieder herauf. Da sehen wir auch alles und können einander schnell beispringen, wenn einem von uns etwas passieren sollte.«

      »Das ist auch richtig, Sir. Also hinab!«

      Es war gar nicht leicht, da hinunter zu klettern. Das uns vollständig unbekannte Terrain war sehr steil. An den Büschen, die es da gab, durften wir uns nicht anhalten, weil dies Geräusch verursacht hätte, und jeder Stein, den wir von seinem Platze stießen, konnte, hinabrollend, uns verraten. Darum mußten wir uns außerordentlich in acht nehmen, und der Abstieg ging nur sehr langsam von statten. Es verging mehr als eine halbe Stunde, ehe wir hinunterkamen. Gut war es, daß Jim Snuffle sich bewährte; er hatte gelernt, sich unhörbar zu bewegen. ich kletterte voran, und er hielt sich nahe hinter oder über mir; dennoch mußte ich scharf horchen, wenn ich das leise Geräusch, welches er doch verursachte, hören wollte. Er war aber auch stolz darauf und fragte Mich, als wir auf der Sohle des Flußthales angekommen waren:

      »Nun, wie habe ich meine Sache gemacht, Sir?«

      »Ich bin zufrieden,« erklärte ich.

      »Ihr meint also, daß ich das Anschleichen verstehe?«

      »Vom Anschleichen habt Ihr mir doch noch keine Probe gegeben.«

      »Nicht?« fragte er langgedehnt und verwundert.

      »Nein. Das soll doch jetzt erst losgehen.«

      »Jetzt erst? Wie nennt Ihr denn das, was wir bisher gethan haben? War das nicht geschlichen?«

      »Gestiegen war es, vielleicht auch geschlichen, aber nicht angeschlichen. Das Anschleichen beginnt mit dem jetzigen Augenblicke. Ich hoffe aber, daß es Euch ebenso gelingt, wie das Herabsteigen. Haltet Euch stets hinter mir, und geht nicht von mir fort!«

      »Das ist eigentlich gar nicht notwendig, denn ich bin gewohnt und verstehe es, selbständig zu handeln.«

      »Wenn Ihr allein seid oder nur Euern Bruder bei Euch habt, mögt Ihr das thun; jetzt aber bin ich da und wünsche sehr, daß Ihr Euch nach mir richtet.«

      »Well, soll geschehen. Ich sage Euch, daß es für mich das höchste der Gefühle ist, mich nach Old Shatterhand zu richten.«

      Diese Versicherung beruhigte mich zwar nicht ganz, aber sie war doch geeignet, meine Befürchtungen so ziemlich zu heben.

      Wir befanden uns oberhalb der Stelle, an welcher die Indianer lagerten, und mußten uns also abwärts wenden. Das Flußthal war muldenförmig vertieft, senkte sich also nach der Mitte zu und hatte nur soweit Gesträuch, als es vom Hochwasser nicht erreicht werden konnte. Da der Fluß jetzt sehr wasserarm war, gab es zwischen dem Gebüsch und dem Wasser einen freien Streifen, auf den wir uns nicht hinauswagen durften; das Umschleichen der Roten durfte also nicht nach der Wasserseite zu, sondern es mußte in der Weise geschehen, daß wir den Bogen, welcher um das Lager zu schlagen war, an die gefährliche Ufersteilung legten, gewiß eine Aufgabe, welche sehr schwer auszuführen war.

      Zunächst legten wir uns nieder und krochen zwischen den Büschen auf das Lager zu. Wir kamen glücklich so nahe an dasselbe, daß wir es überblicken konnten. Die Comantschen hatten sich eine sehr passende Oertlichkeit ausgewählt. Sie lag nämlich tiefer als die Umgebung, und infolgedessen trat das Hochwasser hier bis ganz an die Thalwand heran. Darum gab es hier kein Gesträuch, sondern einen freien Platz, auf welchem auch ein größerer Trupp sich bequem hätte bewegen können. Uns freilich war dieser Umstand höchst unwillkommen, weil er die Schwierigkeiten erhöhte, welche wir zu überwinden hatten.

      Die Indsmen waren beim Essen; sie unterhielten sich dabei in einer Weise, daß sie sich vollständig sicher fühlen mußten. In ziemlich gleichgroßen Abteilungen um die fünf Feuer gelagert, konnten sie von uns leicht gezählt werden. Es waren einundsiebenzig. Von ihnen allen fiel der Häuptling wegen seines weißen Haares am meisten auf. Er saß am zweiten Feuer, ungefähr dreißig Schritte von uns entfernt, und da er uns das Gesicht zukehrte, konnte ich dieses ganz deutlich sehen.

      »Uff!« stieß ich überrascht, aber natürlich nur leise hervor. »Wenn wir dem in die Hände gerieten, wären wir verloren, selbst wenn er sich nicht auf dem Kriegspfade befände.«

      »Kennt Ihr ihn, Sir?« fragte Jim ebenso leise.

      »Nur zu gut. Es ist To-kei-chun, einer der gefürchtetsten Häuptlinge der Comantschen.«

      »Ein Feind von Euch?«

      »Ja. Ich geriet einst mit Winnetou und einigen andern Männern in seine Gefangenschaft, aus welcher wir nur durch meine edle Dreistigkeit entkamen[4]. Es wurde zwischen ihm und mir vereinbart, daß wir zwar fortreiten durften, er uns aber nach einer kurzen Frist mit seinen Kriegern folgen werde. Natürlich ließen wir uns nicht einholen.«

      »Höchst interessant, Sir! Das müßt Ihr mir erzählen.«

      »Aber nicht jetzt, Mr. Snuffle!«

      »Versteht sich ganz von selbst. Jetzt giebt es anderes zu thun, als von Abenteuern schwatzen.«

      »Allerdings. Wir können leicht eines erleben.«

      »Das wollen wir ja auch. Oder ist es etwa kein Abenteuer, wenn man fünf Gefangene mitten unter siebzig Comantschen herausholt? Seht Ihr sie liegen, dort beim Feuer, an dem der Häuptling sitzt?«

      Natürlich sah ich sie. Sie lagen nebeneinander und waren so gefesselt, daß sie sich nicht zu rühren vermochten. Derjenige, welcher uns am nächsten lag, hatte einen starken, schwarzen, herabhängenden Schnurrbart, war also wohl derjenige, der sich Mr. Dschafar nennen ließ.

      Zwischen diesem Feuer und uns gab es noch einige Büsche, und ich hielt es nicht für zu gewagt, weiter vorzukriechen. Die Roten hatten keine Wachen ausgestellt, und da sie ruhig an den Feuern saßen und nicht hin und her gingen, stand nicht zu befürchten, daß man mich bemerken werde. Der Häuptling sprach mit denen, welche bei ihm saßen, und ich hätte gar zu gern gehört, wovon sie redeten. Darum forderte ich Jim auf, einstweilen liegen zu bleiben, und schob mich vorsichtig weiter fort.

      Aber kaum hatte ich hinter dem letzten Busche Posto gefaßt, so hörte ich hinter mir ein leises Geräusch, und als ich mich umblickte, sah ich, daß der Snuffle mir gefolgt war.

      »Was fällt Euch ein!« raunte ich ihm mißmutig zu. »Ihr solltet doch bleiben!«

      »Will auch gern hören, wovon sie reden.«

      »Versteht Ihr denn ihre Sprache?«

      »Nicht viel, aber doch etwas.«

      »Aber dieser Busch deckt zwei Personen nicht so gut wie eine!«

      »Werden schon Platz nebeneinander haben, Sir. Ihr habt ja gesagt, daß ich bei Euch bleiben und mich ja nicht von Euch entfernen soll. Das thue ich nun, wie Ihr seht.«

      Er kroch eng zu mir heran, und so lagen wir allerdings beide im Schatten des Strauches, aber lieber wäre es mir doch gewesen, wenn er zurückgeblieben wäre.

      Der Zweck, welchen ich verfolgt hatte, wurde erreicht: Wir hörten, was gesprochen wurde. Der Gegenstand des Gespräches war der Kriegszug, auf dem sie sich jetzt befanden. Sie wollten einige Ansiedelungen, welche sie auch nannten, überfallen und die dortigen Weißen ermorden, vorher aber nach dem Makik-Natun[5], reiten und dort den Kriegstanz aufführen, um die »Medizin« zu befragen, ob der Ueberfall gelingen werde. Diese Feierlichkeit sollte dadurch erhöht werden, daß die fünf Bleichgesichter, welche heute in ihre Hände geraten waren, am Marterpfahle sterben sollten.

      Jetzt kannte ich ihre Absichten und konnte den gefährlichen Lauscherposten aufgeben. Wenn es uns heute nicht gelang, die Gefangenen zu befreien, konnten wir den Indianern nach dem Makik-Natun folgen, um dort oder auch schon unterwegs eine bessere Gelegenheit dazu zu finden. Wir krochen also wieder zurück. Als wir unser voriges

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<p>4</p>

Siehe Karl May »Winnetou« Bd. III, Kapitel 3.

<p>5</p>

Gelber Berg.