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in die Tiefe. Einen Moment dachte er daran, sich wie ein Rodeoreiter auf den Handlauf zu schwingen. Aber nur einen Moment.

      Sterne im Wasserfall

      Schlotz zoppo!“ Daka stolperte von der Rolltreppe. Sie klammerte sich im Fall an Ludo. Ludo fiel auf Silvania, die mit roten Ringen um die Augen wie im Traumzustand am Ende der Rolltreppe stand. Helene hüpfte als Letzte von der Rolltreppe. Sie griff nach Daka und wollte sie zurückziehen. Vergebens. Helene verlor das Gleichgewicht. Die Freunde flogen wie Dominosteine – klack, klack, klack – aufeinander.

      Silvania wurde aus ihrem Traumzustand geweckt. Sehr unsanft. „Ihr seid unmöglich!“

      „Wer?“, fragte Ludo.

      „Wir?“, fragte Daka.

      „Unmöglich?“, fragte Helene.

      Silvania seufzte. Sie sah ihre Zwillingsschwester und ihre Freunde an und musste grinsen. Natürlich hatte es mal wieder Rolltreppenrandale gegeben.

      Seit die Zwillingsschwestern Silvania und Dakaria Tepes aus ihrem unterirdischen Heimatort in Transsilvanien in die Großstadt Bindburg gezogen waren, standen sie mit Rolltreppen auf Kriegsfuß. Beziehungsweise standen sie überhaupt nicht auf Rolltreppen, egal mit welchem Fuß. Am liebsten stiegen sie wie Reiter auf den schwarzen Handlauf und ritten die Rolltreppe nach oben. Oder nach unten, je nachdem. Am allerliebsten hätten sie sich einfach geflopst oder wären geflogen. Aber das war verboten. Ihre Mutter hatte sieben radikale Regeln für das Leben unter Menschen aufgestellt. Ihre Mutter war eine kluge Frau. Und Silvania und Daka hielten sich klugerweise an ihre Regeln.

      Meistens.

      Doch wann würden Dakaria und Silvania jemals lernen, alleine wie normale Menschen Rolltreppe zu fahren? Es musste ja nicht gleich freihändig sein. Es gab da ein entscheidendes Problem: Sie waren keine normalen Menschen. Sie waren Halbvampire. Darüber waren sie nicht immer froh. Manchmal wünschte sich Silvania, ein waschechter Mensch zu sein. Daka wünschte sich öfters, ein Vollblut-Vampir zu sein.

      Silvania rückte den Blumenhut gerade, der beim Zusammenstoßen mit Ludo, Daka und Helene zur Seite gerutscht war. Nur gut, dass sie sich rechtzeitig zum oberen Ende der Rolltreppe geflopst hatte und somit der Rolltreppenrandale entgangen war. Das war gegen die sieben radikalen Regeln (Silvania wusste das und hatte drei Sekunden lang ein schlechtes Gewissen), aber als Silvania ihre Rolltreppenbekannschaft am oberen Ende hatte stehen sehen, konnte sie nicht anders. Es machte wie von selbst flops! Kein Wunder, es ging schließlich um Leben und Tod. Na ja, nicht ganz. Aber immerhin um Liebe. Oder? „Beinahe hättet ihr mich vor Jacob blamiert.“

      „Wie das denn?“, wollte Ludo wissen.

      „Nur beinahe?“, fragte Daka.

      „Welcher Jacob?“, fragte Helene.

      Silvania zupfte an ihrem knallroten Oberteil. Die Ringe um ihre Augen passten farblich hervorragend dazu. „Jacob ist mein Nachhilfelehrer.“

      „Dein WAS?“ Daka blieb der Mund offen stehen.

      Helene machte eine apfelgroße Blase mit ihrem Kaugummi und ließ sie platzen. „Nicht schlecht!“

      Ludo sagte nichts. Er sah Silvania mit seinen ockerfarbenen Augen an, als wolle er ihr Innerstes durchleuchten.

      „Seit wann brauchst du denn Nachhilfe?“, fragte Daka.

      „Seit …“, Silvania sah auf die Uhr, „… fünf Minuten und dreiunddreißig Sekunden.“

      Daka überlegte einen Moment. „Gibt der Typ etwa Nachhilfe im Fliegen?“ In Bistrien gab es nur ein Schulfach, in dem ihre Schwester richtig schlecht gewesen war: Fliegen. Fliegen war Dakas Lieblingsfach. Gleich nach Tierkunde.

      „Gumox! In Englisch“, antwortete Silvania.

      „Hä? Du redest doch Englisch wie die Queen.“ Daka sah ihre Schwester ratlos an.

      Silvania zuckte mit den Schultern. „Dann ist es eben keine Nachhilfe, sondern Vorhilfe. Von zu viel Lernen ist noch keiner verblödet. Wie sagt Onkel Vlad immer: Lenoi mutza flatliac!“

      „Lila Mütze?“ Helene klopfte mit dem Zeigefinger auf ihr Hörgerät. Es steckte in ihrem Ohr und war ganz klein. Unter den langen blonden Haaren sah man es kaum. Das fand Helene gut so. Das Hörgerät war ihr Geheimnis. Bis auf Daka, Silvania und Ludo wusste niemand in der Klasse etwas davon. Auch nicht von ihrem Hobby: Friedhofsbesuche. Am liebsten in der Abenddämmerung. Schon allein bei dem Gedanken bekam Helene vor Vorfreude eine Gänsehaut. Sie fuhr sich über den Arm. Sie hatte ihn mit lauter kleinen Monstern bemalt. Das war ihr anderes Hobby.

      „Flat- was?“, fragte Ludo.

      „Das heißt so viel wie: Den Faulen beißt die Fledermaus“, übersetzte Daka aus dem Vampwanischen – eine der ältesten und schwierigsten Sprachen der Welt. Und, wie die Vampire fanden, eine der schönsten.

      Helene und Ludo nickten verständig.

      „Genau. Und deshalb kommt Jacob morgen zu mir“, fuhr Silvania fort.

      „Du meinst zu uns?“, fragte Daka.

      „Habt ihr seine Augen gesehen?“ Silvania sah verträumt in den Himmel.

      Daka verschränkte die Arme. „Nö.“

      „Sie funkeln wie Sterne in einem Wasserfall.“ Silvania seufzte.

      „Sterne im Wasserfall? Wie sollen die denn da reinkommen?“ Daka runzelte die Stirn.

      „Wir haben uns berührt.“ Silvania sah auf ihre rechte Handfläche. Sie roch daran.

      Daka beugte sich vor, roch an der Hand ihrer Schwester und rümpfte die Nase. „Würde sagen, Pausenbrot.“ Sie fügte fachmännisch hinzu: „Salami.“

      „Seine Hand war ganz weich. Aber nicht schwabbelig. Einfach genau richtig. Versteht ihr?“, sagte Silvania.

      Ludo kratzte sich an der Nase und sah zu Boden.

      Helene nickte langsam.

      Daka sah sich ratlos um. „Genau richtig wozu? Zur Englisch-Nachhilfe?“ Sie hielt sich die Hände vors Gesicht und betrachtete die Innen- und Außenflächen. Hatte sie auch Nachhilfe-Hände?

      Helene flüsterte Silvania zu: „Ich verstehe dich.“

      Silvania lächelte Helene zu. Davon hatte sie immer geträumt: eine richtige Freundin zu haben. Eine Freundin, mit der man über die wesentlichen Dinge im Leben sprechen konnte: Liebe. Liebe. Liebe. Ach ja, und …

      Liebe.

      Mit ihrer Schwester konnte Silvania auch über alles reden. Fast alles. Nur in Sachen Liebe war Daka als Gesprächspartner so hilfreich wie eine Litfaßsäule. Sie war einfach noch nicht so weit. Sie war sieben Minuten jünger als Silvania. Bei solchen Dingen zählte jede Sekunde.

      Helene hakte sich bei Silvania ein. „Weißt du schon, was du morgen anziehst?“

      Silvania zuckte zusammen. „Fumpfs! Ich habe gar nichts anzuziehen!“

      „Dein Kleiderschrank explodiert bald wegen Überfüllung“, erinnerte sie Daka.

      „Trotzdem habe ich nichts anzuziehen“, beharrte Silvania.

      „Hä?“ Daka kratzte sich in ihrer Stachelhaarfrisur.

      „Ich meine, nichts Besonderes.“

      „Braucht man für Englisch-Nachhilfe besondere Klamotten? Schutzkleidung oder so was?“

      Helene und Silvania verdrehten die Augen.

      Ludo räusperte sich.

      „Ach, alles klar!“, rief Daka und schlug sich kurz an die Stirn. „Du brauchst ein wasserdichtes Oberteil und eine Gesichtsmaske, damit du beim Üben vom th nicht den Nachhilfelehrerspeichel abbekommst.“

      „Igitt!“, rief Silvania.

      „Voll eklig“, fand Helene.

      Ludo schüttelte sich.

      Daka verschränkte

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