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blieb erstarrt stehen, die Augen geschlossen. Panik breitete sich auf seinem Gesicht aus.

      „Ich hab dich!“, rief Gaia, die ihren Bruder in diesem Zustand sah.

      „Geh weg, du blöde Kuh, ich hab´ mir Sorgen gemacht, du hättest mir antworten können.“

      Gaia ließ sich nicht provozieren und da sie fasziniert von all den Dingen war, die sie gefunden hatte, sagte sie:

      „Dieser Dachboden ist voller seltsamer Sachen. Komm, sieh mal hier ...“

      Helios stieg auf den Dachboden und folgte seiner Schwester, die alte Fotos durchblätterte.

      „Sieh mal, wie komisch er aussieht“, sagte sie und gab ihm die Fotos.

      „Was ist daran komisch?“, fragte Helios.

      „Wie was?“ erwiderte Gaia, „erkennst du ihn denn nicht?“

      „Wen?“, fragte Helios erneut.

      „Na, Papa!“, rief Gaia.

      „Papa? Du hast recht, so gekleidet hatte ich ihn nicht erkannt, er sieht Libero ähnlich. Der zieht sich genauso an!“

      Endlich kam nach langer Zeit ein Lächeln über seine Lippen. Gaia schaute sich inzwischen neugierig die anderen Fotos an.

      „Hast du das gesehen? Er sieht aus wie Libero, als er klein war. Er ist so seriös und schmollend, dass man ihn fast nicht wiedererkennt.“

      Auf dem Foto konnte man ein Kind sehen, mager, mit einem starren Blick ins Leere, blass und ausdruckslos.

      „Er sieht aus, als ob er von Außerirdischen entführt wurde", meinte Gaia.

      Das Bild zeigte ihn im Garten, er hielt seine Spielautos fest in der Hand. Das Foto war in der Dämmerung aufgenommen worden, mit dem Sonnenuntergang im Rücken. Neben seinem langen Schatten war ein zweiter Schatten zu sehen, obwohl das Kind allein auf dem Foto war.

      Helios starrte das Foto an und bemerkte besorgt:

      „Siehst du diesen Schatten?“

      „Welchen?“

      Helios wurde aufgeregt:

      „Den hier, siehst du den? Der gehört zu keinem Körper“, sagte er und zeigte darauf.

      „Der hier? Du irrst dich, der kommt vom Baum“.

      Obwohl sie von der Perspektive nicht unbedingt überzeugt war, versuchte Gaia trotzdem, ihren Bruder zu beruhigen.

      Helios wollte nicht den Eindruck erwecken, verrückt zu sein, und um nicht wieder auf das Thema zurückzukommen, erklärte er, warum er da war.

      „Wir müssen runter, die Tante hat nach dir geschickt, sie braucht Hilfe, um das Abendessen vorzubereiten.

      „Bleibst du hier?“, fragte Gaia, sprang wie von einer Tarantel gestochen auf, um zur Leiter zu gehen.

      Helios dachte nicht im Traum daran, alleine da oben zu bleiben.

      „Nein, ich komme mit dir nach unten“, antwortete er.

      Als Gaia in die Küche kam, hatte ihre Tante schon mit den Vorbereitungen für das Abendessen begonnen und sie machte sich sofort nützlich.

      Helios wollte die Beine hoch legen und sich auf dem Sofa ausstrecken, als Idas Stimme ihn aufschreckte.

      „Was machst du da? Komm schon, komm her und hilf uns. Es ist noch nicht Zeit, sich auszuruhen, du kannst den Tisch decken.“

      „Wo ist Libero?“, fragte Gaia.

      „Er ist sicher dabei, die Ställe zu schließen“, antwortete Ida. „Helios, warum gehst du ihn nicht holen, sobald du hier fertig bist“

      „Ich gehe“, bot sich Gaia fröhlich an.

      „Nein, dich brauche ich hier, lass deinen Bruder nur gehen“.

      „Ja“, antwortete Helios erschöpft, der seltsamerweise einen Bärenhunger hatte.

      Draußen vor der Haustür hielt er Ausschau nach seinem Cousin, der draußen auf den Feldern auf dem Traktor saß und in den Himmel schaute.

      Helios kam laut rufend näher, heute schienen alle ihr Gehör verloren zu haben, so wie Gaia antwortete jetzt auch Libero nicht auf sein Rufen.

      „Hoffen wir, dass es ansteckend ist, so verliere ich auch das Gehör und kann mich hinlegen, ohne auf irgendwen hören zu müssen", dachte Helios.

      Er musste die ganze Strecke bis zum Traktor zurücklegen, bevor er eine Antwort bekam.

      „Warum schreist du so?“, fragte Libero.

      „Es ist Zeit nach Hause zu kommen, das Abendessen ist fertig“, antwortete Helios.

      „Komm hoch“, lud ihn Libero ein, als ob er nicht gehört hätte, was Helios gesagt hatte.

      „Ich, da hoch?“

      „Ja, hier hoch, ich zeig dir was.“

      Helios kletterte hinauf, Libero machte ein wenig Platz und sie setzten sich zusammen hin.

      „Sieh nur, wie herrlich!“, rief Libero aus und zeigte auf den Himmel. „Kannst du dir vorstellen, dass ich bis vor ein paar Jahren nicht in der Lage war, ihn zu sehen?“

      „Was?“, fragte Helios und versuchte Gott weiß welche Seltsamkeit zu entdecken.

      „Den Himmel“, antwortete er.

      „Den Himmel?“

      „Ja, den Himmel, er ist so wunderschön, aber oft heben wir für eine lange Zeit unseres Lebens nicht den Kopf, um ihn anzuschauen. Damit meine ich nicht, ihn zu betrachten, um zu sehen, wie das Wetter ist, sondern ihn still zu bewundern, so wie das Meer, das sich mehr auf Augenhöhe befindet und deshalb häufiger geschätzt wird. Bleibst du jemals stehen, um ihn zu beobachten?“

      „Nein“.

      „Das solltest du aber. Das hat eine sehr belebende Wirkung und rückt viele Dinge in den richtigen Blickwinkel.“

      Helios war erstaunt über die tiefen Gedanken seines Cousins und schwieg eine Weile mit ihm, um ihn zu betrachten.

      Die blendend weißen bis rauchfarbenen Wolken hingen zwischen zwei Himmelslagen, einem bleiernen Himmel unter ihnen und einem türkisfarbenen über ihnen. Die Schattierung vermischten sich mit den ockerfarbenen Nachklängen einer inzwischen fast untergegangenen Sonne, die das Licht auf sie warf und ihren Scheitel Gold färbte, sodass der Eindruck entstand, das Licht aus einer anderen Welt zu sein, das dort war, um ein Leben zu erleuchten, das auf ihnen stattfand. Dicht, wie Eischnee, die weißen und chaotisch, wie der Malausbruch eines dreijährigen Jungen, die grauen.

      Unter allen Wolken erregte eine seine besondere Aufmerksamkeit. Sie hatte die Gestalt eines Einhorns, die sich dunkel vor dem weißen Hintergrund abzeichnete, als würde das graue Tier über die weißen Himmelsweiden rennen. Genau wie in einem Fresko von Tiepolo, streckte sich diese natürlich aufgebrochene Decke ins Unendliche, jenseits des Sichtbaren empor, in ein Mysterium, dem gegenüber sich unsere Seelen klein und gleichzeitig unsterblich fühlen.

      Libero sprang plötzlich vom Traktor.

      „Jetzt habe ich Hunger“, sagte er laut lachend.

      „Hast du keinen Hunger, Helios?“

      „Doch, hab ich.“

      „Also komm runter und lass uns essen gehen, vielleicht lasse ich dich beim nächsten Mal eine Runde mit dem Traktor fahren.“

      Und dann machte er sich auf den Heimweg.

      Helios vergeudete keine Zeit und folgte ihm, der Hunger machte sich wieder bemerkbar.

      Kapitel Vier

      Wie ein böses Omen, hauchte sie ihm Worte in einer fremden Sprache ins Ohr

      Helios stand

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