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ernst zu nehmen und anzunehmen.

      Eine Klientin nannte zügig und problemlos die erste, die zweite, schließlich die dritte Kostbarkeit und ließ sie erklingen. Alle drei Kostbarkeiten bezogen sich auf Fähigkeiten, die sie in ihrem beruflichen Leben gut nutzen und zum Tragen bringen konnte. Die Therapeutin fragte sie, ob sie denn auch Kostbarkeiten kenne, die in ihrem privaten Leben lebendig sind. Die Klientin lachte: „Das ist mal wieder typisch für mich, alles dreht sich um die Arbeit und das Private kommt zu kurz …“ Hier nun bekam es Wert.

      Das Erklingenlassen der Kostbarkeiten macht erstaunlicherweise (oder vielleicht auch nicht) den meisten KlientInnen weniger Probleme als das Finden und Aussprechen dessen, was sie an sich wertschätzen. Ist es einmal benannt, gibt es zwar Unsicherheit, Suchen und Ausprobieren, bis die passenden Klänge gefunden sind, doch fast immer gelingt dieser Prozess, ohne dass weitere Hilfestellungen durch die Therapeutin oder den Therapeuten notwendig sind.

      Manchmal scheint die Aufgabe, kostbare Eigenheiten zu finden, unlösbar zu sein. Dann hilft es, sich auf den umgekehrten Weg zu begeben – zuerst erklingen lassen, dann benennen.

      Ein Klient war gerade so in seiner Selbstabwertung verfangen, dass er auf die Frage der Therapeutin nach seinen Kostbarkeiten nur mit tiefer Hilflosigkeit und Traurigkeit reagieren konnte. „Kostbarkeiten? Was soll an mir schon kostbar sein!“ „Ich weiß Einiges, was ich an Ihnen kostbar finde und ich bin sicher, Sie werden auch etwas finden. Aber vergessen Sie meinen Vorschlag erst einmal und suchen Sie sich bitte aus all den Instrumenten, die hier stehen, sechs aus, die gerade jetzt Ihre Aufmerksamkeit erregen. Fragen Sie nicht, wieso warum gerade die, grübeln Sie nicht zu lange, sondern vertrauen Sie Ihren Impulsen … Geben Sie diesen Instrumenten ihren jeweiligen Platz im Raum … Und nun lassen Sie eins davon erklingen … Was hören Sie? Was geht Ihnen durch den Sinn? Welche Eigenschaft, die Sie an sich schätzen, könnte das gerade gewesen sein? Welche Kostbarkeit?“ Auf die Art und Weise erspielte sich der Klient nach und nach einige Kostbarkeiten, erhörte sich selbst: auf der Trommel seine Gradlinigkeit und berufliche Kompetenz, auf dem Gong seine Fähigkeit, seine Kinder um Entschuldigung für manche Zumutungen zu bitten, auf der Kalimba seine Liebe und Zärtlichkeit für seine Familie, auf der Rassel seine offensive Verteidigungs- und Schutzbereitschaft für manche andere, auf dem Klavier seine Kreativität, auf der Mundharmonika seine Intelligenz und Neugier. Auf Nachfrage bestätigte er: Er empfand sich nicht „zur Selbstwertschätzung manipuliert“, diese Kostbarkeiten nicht als „aufgesetzt“, sondern als wahrhaftige Entdeckungen seiner ihm eigenen Wesenszüge – ein guter Boden für die therapeutische Weiterarbeit.

      Die Kostbarkeiten zum Erklingen zu bringen, impliziert, dass sie auf eine besondere, intime Art hörbar werden. Dieses Hörbar-werden-Lassen bedarf der Resonanz, bedarf der Antwort, bedarf der wertschätzenden und gleichzeitig ehrlichen Rückmeldung, da sonst die Scham als Nach-Scham auch in Bezug auf diese Therapieeinheit die KlientInnen ergreifen kann.

      Eine siebte Kostbarkeit von uns als Therapeutin oder Therapeut den KlientInnen mitzuteilen und musizierend zu Gehör zu bringen, machen wir nur in Ausnahmefällen. Wir bieten dies immer dann an, wenn eine Klientin oder ein Klient eine für uns sichtbare und bedeutsame Eigenschaft, Fähigkeit „überhört“, die aber für sie bzw. für den therapeutischen Prozess eine besondere Bedeutung hat.

      Und noch ein letzter Hinweis: Das Entdecken, Aussprechen und Erklingenlassen der sechs Kostbarkeiten braucht Zeit, in der Regel eine halbe bis eine dreiviertel Stunde, manchmal sogar länger, in der Einzeltherapie möglicherweise mehrere Stunden. In der Arbeit mit Gruppen bitten wir die GruppenteilnehmerInnen, diese Kostbarkeiten in Kleingruppen zu finden, auszusprechen und erklingen zu lassen, und fordern die anderen TeilnehmerInnen der Kleingruppen auf, zu den jeweiligen Kostbarkeiten Rückmeldungen zu geben. Dies braucht, da alle TeilnehmerInnen ihre Kostbarkeiten finden sollen, entsprechend mehr Zeit, so dass wir häufig die Anzahl der Kostbarkeiten für jede und jeden auf drei oder vier beschränken. In der Einzelarbeit sollte in jedem Fall versucht werden, sechs Kostbarkeiten zu finden. Gerade unter den letzten benannten Kostbarkeiten finden sich oft besondere Schätze, die sonst eher im Verborgenen bleiben würden.

      Eine Variante der Arbeit mit den sechs Kostbarkeiten besteht darin, die eigene Kostbarkeit mit der Stimme erklingen zu lassen. Notwendig sind dafür Schritte, die dies vorbereiten, also vorhergehende Angebote, in denen die KlientInnen sich mit sich beschäftigen, sich selbst wahrnehmen und nachspüren. Musikalisch Ungeübten bieten wir immer – musikalisch Geübten meistens – vorab an, ihre Achtsamkeit auf ihren eigenen Atem zu lenken, ihre Stimme erklingen zu lassen und so erste Erfahrungen damit zu machen, sich selbst zu hören und hörbar zu werden.

      Zum Beispiel:

       „Suche dir einen Platz, setze oder stelle dich bequem hin und höre deinem Atem zu. Verändere nichts an deinem Atem, du brauchst weder versuchen, besonders laut zu atmen, noch, besonders kräftig zu atmen. Höre deinen Atem so, wie er ist … Probiere aus, wie der Atem klingt, wenn du durch die Nase atmest, und wie der Atem klingt, wenn du durch den Mund atmest …“

       „Atme mit geschlossenem Mund aus und lass nun dabei irgendetwas in deinem Hals oder in deinem Mund schwingen, sodass ein Summen entsteht … Probiere verschiedene Klänge des Summens aus … Probiere leisere Töne und lautere, zarte und kraftvolle … Probiere, den Klang eher bei dir zu lassen, in deiner unmittelbaren Umgebung, und probiere, ihn weiter in den Raum zu schicken …“

       „Und nun probiere, wieder beim Ausatmen zu summen und dabei allmählich den Mund zu öffnen. Nimm wahr, welche Klänge, welche Töne entstehen …“„Spiele mit diesen Tönen. Probiere aus, wie du klingst, was aus dir heraus entsteht, ohne dass du dich anstrengen musst. Lass dein Ausatmen erklingen …“

      Eine Alternative ist, gemeinsam zu trommeln oder auf Instrumenten mit Quintenstimmung (z. B. Kambele) zu spielen, selbst zu summen zu beginnen und die KlientIn verbal oder nonverbal einzuladen, mitzusummen. Das Summen kann sich dann, wie beschrieben, zu einem Singen steigern.

      Solche Einheiten lösen die Scheu und mindern die Scham, die eigene Stimme erklingen zu lassen. Sie bieten eine spielerische Hinführung zum eigenen Klang. Der beschriebene Weg knüpft am Atem an, einem der kostbaren Lebensimpulse des Menschen, und unterstützt so die Suche nach der eigenen Kostbarkeit.

      Wir fordern dann auf:

       „Und nun probiere, mit deinen Klängen den Klang zu finden, der das, was du an dir kostbar findest, ausdrückt, den Klang deiner eigenen Kostbarkeit. Geh auf die Suche, probiere, sei wählerisch …“

       „Wenn du den Klang der eigenen Kostbarkeit gefunden hast, unterstütze diesen Klang mit einer bestimmten Haltung oder einer besonderen Bewegung, einer Geste.“

      Die Unterstützung mit einer Geste kräftigt in der Regel den Klang, macht ihn eindeutiger, inniger, klarer.

      Die Stimme der eigenen Kostbarkeit braucht Gehör. Die Therapeutin oder der Therapeut muss ihn hören – und antworten, die Empfindungen, die Echos, die beim Hören entstehen, zurückmelden. Auch in der Gruppe muss wenigstens eine Person diesen Klang aktiv hören und Resonanz geben, wenn möglich sogar die ganze Gruppe. Für viele Menschen ist es eine Sensation, die Stimme der Kostbarkeit zu finden, und oft sogar eine noch größere Sensation, diesem Klang auch Gehör zu verschaffen.

      Auch der Weg zum Klang der eigenen Kostbarkeit ist nicht frei von Schwierigkeiten und Hindernissen. Eine Klientin z. B. war unfähig, auch nur einen Ton der eigenen Kostbarkeit über die Lippen zu bringen. Je mehr sie versuchte, ihre Lippen zu öffnen und ihren Atem erklingen zu lassen, desto mehr verkrampfte sie. Schließlich hielt sie sich ihre Ohren mit den Händen zu. „Ich will das nicht mehr hören. Ich höre ständig die Sätze, dass ich nichts wert bin.“ Ihr Kopf war so voller Abwertungen, dass sie keinen Klang der eigenen Kostbarkeit hervorbringen konnte. Sie musste erst Nein sagen, Nein zu den Abwertungen, Nein zu all dem, was sie nicht mehr hören konnte und wollte. Nachdem dieses Nein deutlich ausgesprochen war, gelang es ihr, ihre eigenen Klänge der Kostbarkeit ertönen

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