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mit meinen „alt-klugen“ Antworten überschütten, stattdessen fragen, schauen, einfach dabei sein: mitlachen, mitweinen, Anteil nehmen. Bei alledem mache ich mir bewusst, „dass ich nicht allein bin. Andere erleben Ähnliches, sitzen mit mir im gleichen Boot.“ Das fasziniert!

      Das ist die Schlüsselfrage zu gelingendem und zufriedenem Altsein. Sie lenkt den Blick auf die Kompetenz des Alters, auf Fähigkeiten, die erst mit den Jahren richtig aufblühen, auf Chancen, die ich in mir trage, auf Möglichkeiten, die mir gerade das Alter ermöglicht.

      In diesem Zusammenhang hat Alt-Bischof Joachim Wanke aus Erfurt fünf Antworten formuliert auf die Frage „Was mir im Alter wertvoll ist?“, von denen wir einige gekürzt wiedergeben.7

       „Unterbrechen können

      Ich merke, dass ich Freude daran gewinne, Zeit zu haben, mich von aufdringlicher Kommunikation zu ‚entkabeln‘. Es ist für mich ein Geschenk, Zeit für mich und Zeit für Menschen an meiner Seite zu gewinnen. Hören, Zuhören und Nachdenken können werden mir wichtiger als früher.

       Anknüpfen können

      Ich mache die Erfahrung, dass mir die Wiederholung hilft und Sicherheit gibt. Damit meine ich die Alltagsrituale (des geregelten Tages) bis hin zu den liturgischen Ritualen, in denen die Seele sich festmachen kann. Dort kann ich immer neu anknüpfen und innerlich dankbar bleiben.

       Loslassen können

      Es gehört zur Gnade des Alters, nichts unbedingt und um jeden Preis festhalten zu müssen. Es ist sicher eine Gnadengabe, innerlich die Sehnsucht nach dem ‚Mehr‘ zu behalten. Ich kenne ältere Menschen, in deren Nähe man aufatmen kann, denen man nichts bringen muss, sondern von denen man beschenkt weggeht. Vielleicht fällt es im Alter auch leichter, nicht auf Begeisterung angewiesen zu sein. Es befreit, vieles einfach loslassen zu dürfen.

       Bejahen können

      Im Alter entdecke ich mehr als früher: Die größte Tat des Menschen ist es, sich selbst zu bejahen, sein Leben – so wie es ist, so wie es war. … Das Alter schenkt mir Luft, mir Zeit zu lassen und anderen Zeit zu geben, diese Kraft zur ‚Zustimmung‘ aufzubringen.“

      Eine anschauliche Zusammenfassung der bisherigen Überlegungen ist der Titel, den Edith Hess und Karl Guido Rey ihrem Buch über eine Spiritualität des Alters gegeben haben: „Die Reise ist noch nicht zu Ende8. Das Leben ist eine große Reise, mit Faszination und Erlebnissen auf jeder Teilstrecke. Diese Reise ist nicht abgeschlossen, wenn der Mensch „aufs Altenteil“ geht. Sie geht bis zum „Grenzbahnhof“ mit der „Zollstation“ zur Ewigkeit, bis zum letzten Atemzug. Auch im Alter kann das Leben eine attraktive Reise sein, sicher mit mancher Klage, aber auch mit Tanzen (vgl. Ps 30).

      Vom Alter als Lebensphase der Lebendigkeit, nicht des langsamen Dahinwelkens, weiß auch die Bibel. Im Psalm 92 heißt es über den (auch alten) Menschen, der seine Kraft aus dem Leben mit Gott schöpft: „Gepflanzt im Haus des Herrn, gedeihen sie in den Vorhöfen unseres Gottes. Sie tragen Frucht noch im Alter und bleiben voll Saft und Frische.“

      Die Bibel kennt Beispiele für die Wahrheit dieser Worte:

      Sara, die Neunzigjährige, ist noch in ihrem Alter fruchtbar und empfängt Isaak. Ähnliches erlebt im Neuen Testament Elisabeth, die Frau des Zacharias. Sie bringt im hohen Alter noch einen Sohn zur Welt, Johannes den Täufer: „… sie tragen Frucht noch im Alter! “ Auch die beiden Alten im Tempel, Simeon und Hanna, tragen glücklich die Frucht ihres lebenslangen Hoffens auf den Armen: kein eigenes Kind, aber ein Kind, das Gott schenkt, eine Frucht ihres lebenslangen Vertrauens: Ihre alten Augen sehen das Heil – und strahlen!

      Das Alter ist eine Phase der Lebensfülle, für die auch das Wort aus der Mitte des Johannesevangeliums gilt: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). Wer ins Leiden verliebt seine alten Tage lebt, wird die Fülle nicht entdecken. Wer aber in der erwartungsvollen Hoffnung lebt: „Ich will am Leben teilnehmen – bis zum Schluss“, wird die Quelle der Lebendigkeit auch im Alter entdecken. Diese Quelle wird dem alten Menschen von Gott geschenkt, trinken allerdings muss er selbst.

      Anschaulich wird das bei dem Gelähmten am Teich Bethesda (Joh 5,1–16). Seit 36 Jahren liegt er dort und kommt nicht in das heilend flutende Wasser. Dann kommt Jesus, sieht ihn, hört sich seine Geschichte an und fragt ihn: „Willst du gesund werden?“ Die Theologin und Psychotherapeutin Hanna Wolf akzentuiert diese Frage auf das erste Wort. Willst? Willst du wirklich? Willst du überhaupt? Wenn einer so lange daliegt und gesund werden will, dann finden sich auch Wege! Darum fragt ihn Jesus: „Willst du überhaupt gesund werden?“ Manchen Menschen ist die quälende Seite ihres Lebens so zur zweiten Natur geworden, dass ihnen etwas fehlt, wenn sie plötzlich gesund sind. Die gleiche Frage geht an den alten Menschen: Willst du lebendig sein bis zum letzten Atemzug? Willst du teilhaben am Leben? Willst du überhaupt …? Wenn ja, dann finden sich Wege. Du selbst bist der Schlüssel zum Glück deines Alters.9

      Franz von Assisi wurde nicht alt. Er lebte nur 44 Jahre. Das ist in der damaligen Zeit mehr als heute. Seine letzten Lebensjahre waren, wie Psalm 90 sagt, „Mühsal und Beschwer“. Genau darum ist es faszinierend, dass er in diesen von Schmerzen geprägten Lebensjahren den Sonnengesang schrieb, ein Lied, das vor Lebensfreude nur so sprüht. Er hätte ein Klagelied anstimmen können, jeder hätte es ihm geglaubt – es war ja augenscheinlich. Doch er schreibt ein Loblied auf Gott und seine wunderbare Schöpfung. Er besingt die Sonne, deren Licht ihm bei seiner Augenerkrankung Schmerzen bereitete. Er staunt über den Mond und die Sterne und die fruchtbare Erde. Er besingt alle Geschöpfe als seine Schwestern und Brüder. Selbst den Tod besingt er in diesem Lied als Bruder (im italienischen Urtext als Schwester), der ihn nicht von Gott trennt, sondern zu Gott führt.

      In diesem Glauben ist ihm die heilige Klara nah, die nach langem Krankenlager mit einem Loblied auf Gott stirbt (LebKl 46, KQ 334): „Du, Herr, sei gepriesen, der du mich erschaffen hast.“ Beide, Franziskus und Klara, verkörpern eine Lebenshaltung, die bis zum letzten Atemzug Lebendigkeit atmet.

      Davon spricht auch die 27. Ermahnung des Heiligen; sie redet von Haltungen, die auch im Alter lebendig halten:

      „Liebe und Weisheit,

      Geduld und Demut,

      Armut mit Fröhlichkeit,

      Ruhe und Betrachtung,

      Furcht des Herrn,

      Erbarmen und Besonnenheit“ (Erm 27, FQ 54).

       Kann

       kann „schon alleine“

       kann „noch alleine“

       kann „nicht mehr alleine“

       kann „erst jetzt“

       kann

      In diesem Spannungsfeld

      lebe ich mein Leben

      langsam aufsteigend –

      hin zum Scheitelpunkt …

      und dann

      langsam absteigend –

      in die Tiefe – mit Tiefgang –

      das Leben leben

      begleitet vom

      allmählichen Nachlassen der Kräfte

      bis hin zum

      ich kann „nicht mehr alleine“

      aber auch

      begleitet von der Frage:

      was kann ich „erst“

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