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sondern die ganze Menschheit mitgemeint ist, ebenso der ganze Kosmos vom kleinsten Elementarteilchen bis zu den entferntesten Galaxien. Aber auch Grundgegebenheiten der Physik wie Magnetismus, Schwerkraft, auch jede Form von Energie sind hier mitzudenken. So werden auch Meditationen zu einer der Quellen seines Weltbilds.

      Teilhard hat bis zu seinem Lebensende die ignatianischen Regeln hinsichtlich Gewissenserforschung, Exerzitien usw. streng befolgt. Trotz aller Schwierigkeiten, die ihm im Laufe seines Lebens von kirchlichen Autoritäten, zum Teil auch von der Ordensleitung, gemacht wurden, sagte er bei einer Feier anlässlich seines 50-jährigen Ordensjubiläums, er würde trotzdem alle wichtigen Schritte seines Lebens wieder so machen, wenn er die Zeit zurückdrehen könnte.

      In einem privaten Brief von 1950 differenziert er diese Aussage: Seine Lebenserfahrung ist, dass die Methodik der ignatianischen Exerzitien ausgezeichnet sei, dass aber die dort vorausgesetzte (und eben schon 500 Jahre alte) Kosmologie, die damit ja auch Grundlage der Christologie wurde, dringend erneuerungsbedürftig sei – man müsse das Anliegen des Ignatius in ein Universum transponieren, das nicht statisch, sondern im Werden ist.

      Schon am Ende des Ersten Weltkriegs schreibt er, dass sein Forschen in der Natur nicht primär aus dem üblichen Drang des Naturwissenschaftlers gekommen, sondern vor allem eine Form von Andacht gewesen sei. Bei aller Unterschiedlichkeit in den Methoden haben Wissenschaft und Religion für ihn letztlich den gleichen Erkenntnisgegenstand, die Suche nach dem Absoluten.

      Einige Jahre später, in der Abgeschiedenheit seiner langen Ritte in der Mongolei, wohin ihn seine Forschungsreisen führen, macht Teilhard nicht nur die Erfahrung der äußeren Weite, sondern auch die der inneren Weitung; er ahnt Unendlichkeit. Sein Denken wird freier, ebenso wie sein Glaube. Er denkt an die Verheißung an Abraham, der in ein ihm fremdes Land ziehen soll, und fühlt sich dessen blindem Gottvertrauen viel näher als dem von dogmatischen und kirchenrechtlichen Definitionen eingeengten kirchlichen Glauben seiner Zeit. Der Gott Abrahams, der Gott Israels ist einer, der zumindest für sein Volk Geschichte macht – eine Geschichte, die jedenfalls auch diese Welt betrifft.

      In dem Maße, in dem sich sein Glaube weitet, kommt Teilhard aber immer stärker in einen inneren Zwiespalt. Der Jesuit, der durch seine Forschungen Gottes Ehre zu mehren sucht, hat gleichzeitig strikte Gehorsamsregeln übernommen. Konkret stellt sich für Teilhard die Frage, wie er Engagement für den Fortschritt mit der geforderten Haltung der Indifferenz, d.h. der »Freiheit des Geistes«, vereinigen soll. Wissen und Gewissen scheinen sich zu widersprechen; Mut steht gegen Demut. Was ist Demut, was hingegen ist Feigheit? Teilhards Lösung, die für seine Umwelt sichtbar ist, heißt: ständiges Bemühen hinter den Kulissen, seine Ideen doch publizieren zu dürfen, aber Gehorsam gegenüber den kirchlichen Autoritäten, die ihn mit Druck- und Redeverboten zum Schweigen zwingen. Innerlich sieht er die kirchlichen Verbote als die ihm zugemutete Weise, auf intellektueller Ebene sein Kreuz zu tragen. Die Kirche, das Priesteramt oder zumindest den Orden zu verlassen sieht er als Versuchung, der er widerstehen muss. Gelegentlich tröstet ihn der Gedanke, dass gerade er als Naturforscher die extreme Langfristigkeit von Entwicklungen immer betont habe – dies gilt offensichtlich auch für Entwicklungen im Glauben. Der Glaube aber muss vom Volk bzw. von der Kirche getragen sein; ein Prophet, der sein Volk, seine Gemeinschaft verlässt, verrät seine Aufgabe.

      Sein Glaube an Christus ist primär der Glaube an den Auferstandenen, den Verklärten. Der historische Mensch Jesus ist demgegenüber eigentlich nur die historische Verankerung dieses Glaubens. Teilhard merkt, dass ihm nur wenige folgen können: »Warum bin ich denn der einzige, der vom Tabor (dem Ort der Verklärung Jesu) kommt und sieht?«

      In den letzten Monaten seines Lebens weiß er, dass er eigentlich nur für die Nachwelt schreibt. Er betet, dass Gott ihm ein Zeichen schicken möge. Sein Tod gerade am Festtag der Auferstehung, dem Ostersonntag (1955), könnte die Antwort gewesen sein.

      Schon Jahrzehnte vor seinem Tod mahnt er uns, die wir heute mit einem immer schneller werdenden Lebensrhythmus zurechtzukommen haben und dadurch den Gegensatz zur extremen Langsamkeit kirchlicher Entwicklungen besonders deutlich spüren: »Hab Vertrauen in das langsame Arbeiten Gottes. Ganz natürlich drängen wir in allen Dingen ungeduldig dem Ziele zu. Wir möchten die Zwischenstufen überspringen. Wir leiden voll Ungeduld darunter, zu etwas Unbekanntem, Neuem unterwegs zu sein. Dabei ist es das Gesetz jedes Fortschreitens, dass sein Weg über das Unbeständige führt – das eine sehr lange Zeit andauern kann! … Deine Gedanken reifen ganz allmählich, lass sie wachsen, lass sie Gestalt nehmen, ohne etwas zu überstürzen! Versuche nicht, sie zu zwingen, so als könntest du heute schon sein, was die Zeit (das heißt die Gnade und die Umstände, die auf deinen guten Willen Einfluss nehmen werden) morgen aus dir machen wird. Schenke unserem Herrn Vertrauen, und denke, dass seine Hand dich gut durch die Finsternisse und das Werden führen wird – und nimm aus Liebe zu ihm die Angst auf dich, dich im Ungewissen und gleichsam unfertig zu fühlen« (FS: Briefe von 1916–1919).

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