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für unser Leben zu übernehmen“ (Müller, 87f.).

      Für den christgläubigen Menschen ist das Schicksal kein blindes Fatum. Gott hat die Menschen „gut“ geschaffen nach seinem göttlichen Bild und Gleichnis und er hat seinen göttlichen Lebensatem in sie gelegt. Und Gott hat ihm die Schöpfung anvertraut. In Jesus hat Gott unser menschliches Schicksal angenommen und ist uns in unserem Menschsein in allem gleich geworden, außer der Sünde.

      Nach christlichem Glauben liegt unser Schicksal in der Hand Gottes und ist in seiner Liebe letztlich gut aufgehoben (Jes 43,1ff.; Joh 15,9ff.). Wenn wir uns darauf einlassen und vertrauen, dann können wir unser Schicksal, so weit möglich, selbst in die Hand nehmen. „Wir sind der Kapitän unseres Lebensschiffes, übernehmen das Steuer und geben die Richtung vor. Wir tun das auch bei stürmischer See, im Wissen, dass es Situationen gibt, bei denen wir nur noch beten und uns dem Schicksal überlassen können. Das hält uns aber nicht davon ab, bis zum Schluss alle in uns vorhandenen Kräfte und alle uns gegebenen Möglichkeiten zu nutzen“ (Müller, 135). Je mehr wir unser Leben Gott überlassen, desto mehr können wir ohne Angst unser Leben wagen und glücklich werden.

      Abschließen möchte ich dieses Kapitel mit einer Geschichte, die mir und vielen Menschen geholfen hat, heilsamer und fruchtbarer mit dem eigenen Schicksal umzugehen.

      „Eine chinesische Geschichte erzählt von einem alten Bauern, der ein altes Pferd für die Feldarbeit hatte. Eines Tages entfloh das Pferd in die Berge, und als die Nachbarn des Bauern sein Pech bedauerten, antwortete der Bauer: ‚Pech? Glück? Wer weiß‘. Eine Woche später kehrte das Pferd mit einer Herde Wildpferde aus den Bergen zurück, und diesmal gratulierten die Nachbarn dem Bauern wegen seines Glücks. Seine Antwort: ‚Glück oder Pech? Wer weiß‘. Als der Sohn des Bauern versuchte, eines der Wildpferde zu zähmen, fiel er vom Rücken des Pferdes und brach sich ein Bein. Jeder hielt das für ein großes Pech. Nicht jedoch der Bauer, der nur sagte: ‚Pech? Glück? Wer weiß?‘ Ein paar Wochen später marschierte die Armee ins Dorf und zog jeden tauglichen jungen Mann ein, den sie finden konnten. Als sie den Bauersohn mit seinem gebrochenen Bein sahen, ließen sie ihn zurück. War das nun Glück oder Pech? Wer weiß?

      Was an der Oberfläche wie etwas Schlechtes, Nachteiliges, aussieht, kann sich als etwas Gutes herausstellen. Und alles, was an der Oberfläche gut erscheint, kann in Wirklichkeit etwas Böses sein. Wir sind dann weise, wenn wir Gott die Entscheidung überlassen, was Glück oder Unglück ist; wenn wir ihm danken, dass für jene, die ihn lieben, alles zum Besten gedeiht. Dann werden wir ein wenig an der wunderbaren mystischen Vision der Juliana von Norwich teilhaben, die einen Ausspruch tat, der mir von allen, die ich je gelesen habe, der liebste und tröstlichste ist: ‚Und alles wird gut sein; und alles wird gut sein; und alle Dinge, die es gibt, werden gut sein“ (de Mello, 1984, 182f.).

      In den alten Traditionen der Menschheit finden sich Aussagen über Grundbedingungen menschlichen Lebens, die in Sagen, Mythen, religiösen Schriften, aber auch in modernen Studien der Psychologie und Soziologie festgehalten sind: Jeder Mensch hat in seinem innersten Wesen Grundhoffnungen, Antriebe und Urwünsche nach einem Leben in Glück, Frieden, Freiheit und Liebe.

      Die Sehnsucht nach einem glücklichen Leben ist offensichtlich ein Urwunsch des Menschen (Horn, 24ff.). Ein „glückliches Leben“ ist für ihn eine faszinierende Vorstellung, ein Zauberwort, ein Sehnsuchtswort. Wenn es einen Wunsch gibt, in dem sich die Menschen aller Völker und Rassen einig sind und immer einig waren, dann ist es der Wunsch, glücklich zu leben, glücklich zu sein. Glück ist das kostbarste Gut des Menschen, und nicht zuletzt aus diesem Grund ist es sehr zerbrechlich. „Glück und Glas, wie leicht bricht das.“

      In dem Urwunsch nach einem glücklichen Leben erkennt Zulehner eine Lebens-Trias: Zu einem glücklichen Leben „gehört demnach die Erfahrung, einen Namen zu haben, wachsen zu können und Wurzeln zu schlagen“ (Zulehner, 1983, 15ff.).

      Der erste Urwunsch nach einem Namen beinhaltet: nicht austauschbar, einzigartig sein, Ansehen haben, lieben und geliebt werden, erkannt und anerkannt werden, nicht missbraucht werden.

      Der zweite Urwunsch nach Macht bedeutet: Selbst etwas machen können, Selbst-Mächtigkeit, aber auch Bewegung, wachsen in Freiheit; sich schöpferisch entfalten können. Wachsen heißt lebendig sein.

      Der dritte Urwunsch nach Heimat und Geborgenheit meint: Dazugehören und zu Hause sein; einen Ort der Verwurzelung finden; einen letzten Halt haben.

      Diese Urwünsche gehören zum menschlichen Leben, unabhängig von bestimmten Religionen und Weltanschauungen. Jedoch gestaltet die jeweilige Kultur den Umgang mit den Urwünschen und bestimmt damit auch, ob das Leben gut und glücklich ist oder nicht.

      Grundsätzlich gibt es kulturübergreifend einen positiven und einen negativen Umgang mit den Urwünschen und der Begrenzung ihrer Erfüllbarkeit. Dies zeigt sich am Beispiel des Umgangs mit dem Urwunsch nach Macht darin, dass ein positiver Umgang mit Macht zu einem größeren Selbst- und Freiheitsbewusstsein, zu Eigenständigkeit und Anpassungsfähigkeit führt. Ein negativer Umgang mit dem Urwunsch nach Macht kann zu egoistischer Geltungs- und Herrschsucht führen, die das eigene oder fremde Leben beeinträchtigen oder gar zerstören.

      Die Urwünsche sind in ihrer Tiefe auf eine Erfüllung außerhalb der Grenze von Raum und Zeit gerichtet: auf eine transzendente Erfüllung. Wer kennt nicht die Maßlosigkeit des Sehnens, wenn „Sternstunden“ (von Liebe, Macht, Beheimatung) wie Momente der Erfüllung erscheinen und im nächsten Augenblick nur mehr Erinnerung sind? So sehr in solchen Augenblicken die Urwünsche befriedigt werden, es bleibt ein schaler Geschmack des „Noch-nicht“ und des „Noch-mehr“ zurück. In einer solchen Befriedigung von Liebe, Macht und Geborgenheit, die immanent an Zeit und Raum gebunden geschieht, erfahren Menschen ein Stück gutes, ganzes Leben. Es ist aber nur ein Stück von einem sinnvollen und glücklichen Leben, das sie nicht nur teilweise, sondern ganz erleben möchten. Diese letztlich erfüllte Sehnsucht nennen wir im Glauben das „ewige Leben“, wo das Sehnen des menschlichen Herzens zur Ruhe kommt. Hier werden wir erfahren, dass Gott selbst unseren Namen ins Buch des Lebens geschrieben und damit ein Leben in Fülle für uns bereitet hat. Da der Mensch aber an Zeit und Raum gebunden ist, geraten wir immer wieder in die Spannung zwischen unseren grenzenlosen, unendlichen Wünschen nach einem glücklichen Leben und der begrenzten Befriedigung im konkreten Leben.

      Diese Enttäuschung wird „leibhaftig“ in folgender Beziehungsskulptur deutlich. In dieser Übung bitte ich z.B. Ehepartner, ihre Idealvorstellung von der Beziehung zwischen Mann und Frau in einer Skulptur darzustellen, in der alle Wünsche nach Nähe, Geborgenheit, Wärme, Liebe und Sexualität erfüllt sind. Meist wird eine Gestalt gewählt, in der die beiden Partner sich umarmen. Wenn aber der Kopf des einen auf der Schulter des anderen liegt, schauen das Gesicht und insbesondere die Augen, die für eine Beziehung so wichtig sind, über die Schultern des Partners hinweg. Wohin? Häufige Antworten: in die Ferne, irgendwohin, auf einen anderen Menschen, in die Zukunft, auf Gott. Das Sehen, das Anschauen, die Kommunikation mit den Augen sind in dieser „idealen“ engen Beziehung nicht möglich, da die Augen über die Schultern des Partners hinwegsehen. Es fehlt die nötige Distanz, die von einer zu großen Nähe abgrenzt und eine Begegnung auf Augenhöhe ermöglicht. Das wird noch deutlicher, wenn einer oder beide in der Umarmung „Fortschritte“ machen und auf das eigene Lebensziel zugehen wollen. Wenn einer nach vorn geht, muss der andere Partner rückwärtsgehen. Beide behindern sich in dieser Nähe am Gehen auf ihrem je eigenen Weg. Um den eigenen Weg gehen zu können, müssen sie die einengende Nähe in der Umarmung aufgeben, die an eine „Paaridentität“ erinnert, und sich an die Seite des Partners stellen mit dem Blick auf ein gemeinsames Ziel.

      Wie aber können wir mit diesem schmerzlichen Missverhältnis zwischen den unendlichen Wünschen und ihrer begrenzten Erfüllung glücklich leben? Hier scheiden sich die Geister. Die unterschiedlichen Lebensanschauungen lösen das Problem entweder immanent, d. h., sie versuchen, die Unendlichkeit und Unbegrenztheit der Urwünsche samt ihrer Erfüllung in den irdisch-menschlichen Bereich zu verlegen; oder aber sie wählen die transzendente Lösung, wie z.B. den christlichen Glauben, der die letzte Erfüllung der menschlichen Grundbedürfnisse

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