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Jahren formuliert wurden, durch etablierte, wissenschaftliche empirische Forschung zu bestätigen.

      Im letzten Jahrzehnt haben wir dieses Forschungsgebiet auch durch die Gründung der Buchreihe „Norton Series on Interpersonal Neurobiology“ weitergeführt – die Reihe, in der auch das vorliegende Buch im englischen Original erschienen ist. Zunächst war ich der verantwortliche Lektor für diese Buchreihe und habe in dieser Rolle fünfzehn Buchprojekte betreut. Ich freue mich, dass ich diese Rolle an Allan Schore übergeben konnte, der heute als verantwortlicher Lektor die Arbeit weiterführt und noch eine Vielzahl von Büchern für diese berufsbegleitende Edition zusammenstellen wird. In den letzten fünf Jahren ist zudem die gemeinnützige Organisation GAINS (Global Association for Interpersonal Neurobiology Studies, MindGAINS.org) entstanden, um die Arbeit von Fachleuten zu unterstützen, die dieses Modell in verschiedenen Gebieten anwenden möchten. Dazu gehören die Bereiche der Psychotherapie, Pädagogik, Organisationsentwicklung, kontemplativen Praxis, Kindererziehung und der Religion. Durch die Erkenntnisse der Autoren von Büchern dieser Reihe konnte den Fachleuten in verschiedenen Bereichen das Verständnis dieser neuen interdisziplinären Denkweise über unser Leben und die Natur der Gesundheit vermittelt werden.

      In diesen Anfangsjahren hatte ich den Eindruck, dass ein gemeinsamer Ort notwendig ist, an dem verschiedene Verständnisweisen respektvoll zum Ausdruck kommen können – und diese Überzeugung hat sich im Laufe der Zeit noch verstärkt. Deshalb ist es notwendig, die Interpersonelle Neurobiologie „disziplinneutral“ zu halten. Auf diese Weise können wir dieses Forschungsgebiet so fördern, dass darin das breite Spektrum von Ansätzen integriert werden kann, das wir Menschen geschaffen haben, um die Natur der Wirklichkeit zu verstehen. Die Wissenschaft ist unser Ausgangspunkt, sie ist aber nicht das Ende unserer Untersuchungen. Sorgsam konzipierte Forschung ist ein wunderbares Werkzeug, wenn sie mit der Perspektive angewandt wird, dass sie nicht das Ein und Alles unserer Wissensmöglichkeiten darstellt. Viele Aspekte des Lebens können wir nicht in quantitativen Begriffen messen; die realen Facetten des Menschseins lassen sich häufig nur schwer in den vorgegebenen statistischen Analysen erfassen, die wir in Fachzeitschriften publizieren. Wenn wir über den Geist sprechen, werden andere Erkenntniswege wichtig, solche, die über unsere subjektive Erfahrung funktionieren: innere Reflexion und Kontemplation, poetische Ausdrucksformen, Musik und künstlerisches Schaffen. Und das, obwohl sie nicht auf Zahlen in einer Tabelle reduziert werden können und auch nicht feinsäuberlich in einer Grafik darstellbar sind. Vielleicht werden sie in Zukunft messbar sein, vielleicht aber auch nicht. Das Entscheidende dabei ist Folgendes: Etwas kann real sein, auch wenn es jetzt und in Zukunft nicht numerisch erfasst werden kann. Nichtsdestotrotz bleibt die Wissenschaft, obwohl sie oft von sorgsamer Messung abhängig ist, ein grundlegendes Element dieser interdisziplinären Arbeit.

      Ein Grund, weshalb ein wissenschaftlich begründeter Ansatz wie der der Interpersonellen Neurobiologie hilfreich ist, besteht darin, dass wir dadurch Voraussagen darüber machen können, was Forschungen in der Zukunft aufzeigen werden. Als wir das Buch The Developing Mind auf den neuesten Stand brachten, erhielten wir neue Unterstützung für diesen Ansatz. Denn viele unserer Vorhersagen – die auf der Synthese wissenschaftlicher Erkenntnisse aus verschiedenen Forschungsfeldern gründeten und diese Implikationen als Hypothesen in die Zukunft projizierten – wurden nun von unabhängigen wissenschaftlichen Laboren in neuen Untersuchungen bestätigt. In der Wissenschaft brauchen wir bestehende Hypothesen, um den Ausgang von Forschungen vorherzusagen; es genügt nicht, dass wir lediglich im Nachhinein erklären, warum wir etwas entdeckt haben. In mehreren Bereichen hat die Interpersonelle Neurobiologie als Quelle für Vorhersagen gedient, die später von der Forschung bestätigt wurden. Diese Erkenntnisse unterstützen den Wert vieler allgemeiner Prinzipien und Prozesse, wie Integration, Regulation und die Bedeutung sozialer Erfahrungen in der Entwicklung eines gesunden Geistes.

      Wenn Sie während des Lesens Interesse daran gefunden haben, selbst Zugang zu den Auswertungen und Synthesen der ausführlichen wissenschaftlichen Studien zu bekommen, verweise ich Sie gern auf die Neuauflage von The Developing Mind (Siegel, 2012). Eine weitere Fundgrube sind die vielen Ausgaben dieser Buchreihe von Norton, die zusammengenommen Tausende von Quellen enthalten. Wenn Sie nachlesen möchten, wie die Interpersonelle Neurobiologie im Umgang mit Kindern angewendet werden kann, bietet sich die Gelegenheit in den Büchern Gemeinsam leben, gemeinsam wachsen (Siegel und Hartzell, 2009), Achtsame Kommunikation mit Kindern (Siegel und Bryson, 2013). Im Bereich der Achtsamkeit bietet Das achtsame Gehirn (Siegel, 2007) eine tiefgründige und eingehende Untersuchung darüber, wie die Interpersonelle Neurobiologie alte kontemplative Übungen und ihre modernen pädagogischen und therapeutischen Wirkungen erklären kann. Wenn Sie als Psychotherapeut oder interessierter Laie die Interpersonelle Neurobiologie für sich selbst nutzen wollen, könnte das Buch Der achtsame Therapeut (Siegel, 2012) für Sie interessant sein. Darin werden einige praktische, konkret umsetzbare Anwendungen untersucht, wie das „Bewusstseinsrad“ und die „Möglichkeitsebene“, uns dabei helfen können, den eigenen Geist zu verstehen und zu entwickeln. Und wenn Sie die Geschichten von Menschen lesen möchten, die diese Ideen in ihrem eigenen Leben angewendet haben und sich in der Therapie oder im Alltag tief in einige „Integrationsbereiche“ begeben haben, finden Sie in Mindsight (Siegel, 2012) schrittweise Beschreibungen. Dies sind einige der veröffentlichen Quellen, die unterstützende wissenschaftliche Begründungen enthalten. Zudem finden Sie darin Wege, um diese Konzepte im tagtäglichen Prozess des Lebens und des Erwachens des Geistes in Ihnen selbst und anderen anzuwenden. Aber vor allem anderen gilt: Genießen Sie die Reise!

      Das Handbuch

      Warum ein Handbuch? In jedem der Bücher, die ich weiter oben erwähnt habe, und in vielen anderen Büchern der Norton-Buchreihe werden Sie eine große Vielfalt an Informationen, Geschichten und wissenschaftlichen Forschungsergebnissen finden. Zusammengenommen würde dies ausreichend Lesestoff für eine ganze Fachausbildung oder die Bibliothek eines Klinikers ergeben. Reicht das nicht aus? Warum noch ein Handbuch? Viele Leser und Studierende der Interpersonellen Neurobiologie haben nach einer Art „Zusammenfassung“, einer „Übersicht“ oder einen „Glossar“ gefragt. Sie wünschen sich ein Buch mit möglichst wenig Quellenangaben, das Hinweise und Ratschläge enthält, wie man sich Wissen auf diesem Gebiet aneignen kann. Bücher mit umfangreichen Quellenangaben gibt es genug – wir können uns also der direkten Erforschung dieses komplexen Themengebiets zuwenden. Dieser Leitfaden ist so konzipiert, dass er als Begleiter dienen kann, um die vielschichtigen Grundlagen der Interpersonellen Neurobiologie zu verstehen, wenn Sie andere Texte durcharbeiten. Lehrer, Therapeuten, Berater, Eltern und andere Menschen, die sich mit diesem Forschungsgebiet beschäftigen, wünschen sich einen Leitfaden, der sowohl leicht verständlich als auch praktisch sein sollte. Heute, wo diese interdisziplinäre Verständnisweise ins zweite Jahrzehnt ihrer Wirkung eingetreten ist, schien es an der Zeit, dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen. Das Handbuch dient auch dazu, die Nutzung der Interpersonellen Neurobiologie draußen in der wirklichen Welt zu unterstützen. Es geht nicht nur darum, eine Form des Wissens zu untersuchen – wir wollen auch einen Beitrag dazu leisten, dass die Welt ein gesünderer Ort wird, an dem wir alle leben können.

      Um die Dinge hier kurz und bündig auf den Punkt zu bringen, war es natürlich notwendig, dass ich umfangreiche wissenschaftliche Forschungsgebiete zusammenfasse. Ich zeige die Essenz jedes Konzeptes und untersuche die praktischen Implikationen und welche Rolle dieses Verständnis des Geistes für unser Leben, unsere Arbeit und unsere Welt bedeutet. Dieses Buch ist als ein Handbuch konzipiert, das Sie tatsächlich in Ihrer (vielleicht etwas größeren) Tasche mit sich tragen können. Deshalb werden wir hier auf viele wissenschaftliche Quellenangaben verzichten, die Sie in den zahlreichen zuvor genannten Texten finden können. Die Wissenschaft erweitert sich exponentiell und das ist ein faszinierender Prozess, aber in diesem Buch erforschen wir nicht die ursprünglichen empirischen Quellen dieses Wissens. Dieser Leitfaden hat die Absicht, Ihnen zu helfen, das innere Bezugssystem dieses breiten interdisziplinären Forschungsgebiets nachzuvollziehen. So wird es Ihnen leicht möglich sein, sich dieses Wissen auf eine produktive und freudvolle Weise – von innen heraus – anzueignen. Es gibt auch Publikationen, die sich mit der Anwendung dieser Erkenntnisse in verschiedenen Lebensbereichen beschäftigen, wie klinische Arbeit, Umgang mit Kindern, Pädagogik und die Praxis der Reflexion. Im Gegensatz dazu können wir uns

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