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Donaumelodien - Totentaufe. Bastian Zach
Читать онлайн.Название Donaumelodien - Totentaufe
Год выпуска 0
isbn 9783839268780
Автор произведения Bastian Zach
Издательство Автор
»Auf der Suche?«, wiederholte Camillo, nachdem er sich gefangen hatte. »Ich fürchte, da bist du bei uns Strottern falsch. Hier unten will keiner gesucht, geschweige denn gefunden werden.«
»Kein Haar will ich demjenigen krümmen, nach dem ich suche. Oder besser gesagt: nach dem sein Weib mich suchen lässt.«
Camillo lachte auf, dass es nur so hallte. »Ich kann mir wahrlich angenehmere Verstecke vor einem Weib vorstellen als hier unten. Im Schoß einer anderen, als Beispiel. Aber jeder, wie er will.«
»Leoš Svoboda heißt der, den ich suche.«
Der andere schüttelte den Kopf. Er überlegte, dann schien er einen Entschluss gefasst zu haben. »Also gut, wie heißt es so trefflich? In der Not schmeckt die Wurst auch ohne Brot.«
»Ich glaube zu wissen, dass es heißt: In der Not schmeckt jedes Brot.«
»Papperlapapp«, insistierte Camillo. »Was ich damit sagen will, ist, ich werde dir helfen. Du kannst mit mir mitkommen, womöglich kennt ja der eine oder andere den, den du suchst.«
Der Strotter hob die Bütte, die er handhoch mit Tierknochen, an denen aufgeweichtes Papier und Fettklumpen hingen, gefüllt hatte, und wies mit dem Kescher den Weg in Richtung eines engen Rohres.
»Hier entlang, buckliger Franz. Und lass Vorsicht walten. Selbst einer wie du muss hier unten zuweilen den Kopf einziehen.«
Franz nickte dankend und folgte dem Strotter in die Dunkelheit der Unterwelt.
Zwei Uhr Nachmittag.
Hieronymus steckte die Taschenuhr zurück in seine Weste. Eigentlich sollte dies die geeignete Zeit sein, dass die Frau sich bereits von den Strapazen der vorangegangenen Nacht erholt hatte, aber noch nicht zu neuem Schaffen aufgebrochen war. Er griff den ehernen Ring, der im Maul eines Löwen hing, und pochte damit dreimal gegen die Tür.
Nichts.
Er wiederholte das Signal. Nun hörte er, wie ein kleines Kind auf der anderen Seite der Tür zu weinen begann.
Schritte eilten herbei.
Die Tür wurde entriegelt … und geöffnet.
Die Frau, die durch den Türspalt lugte, runzelte ungläubig die Stirn. »Hieronymus Holstein?«
»Elsbeth Fränkel«, entgegnete dieser mit einem Lächeln ob der gegenseitigen Bekanntgabe ihrer Namen.
Die blond gelockten Haare völlig zerzaust und nur in ein einfaches helles Leinenkleid gehüllt, öffnete die Frau die große Flügeltür gerade weit genug, damit er eintreten konnte. Dennoch stellte sie sich mitten in den Weg.
»Was in aller Welt wollen S’ von mir?«
»Ich freue mich auch, Sie zu sehen. Darf ich?«
Elsbeth prüfte mit schnellem Blick, ob sich außer Hieronymus noch andere Personen im Flur befanden. Dann winkte sie ihn unwillig herein.
»Das Peterchen haben S’ auch aufgeweckt«, zischte sie und eilte zu dem Kleinkind, das in eine wollene Decke gewickelt auf einem Sessel lag. Liebevoll nahm sie es in den Arm und wiegte es.
Hieronymus schloss die Tür. »Ich wollte Ihnen kein Ungemach verursachen, Frau Fränkel«, sagte er und meinte es auch so.
»Das wollten S’ das letzte Mal auch nicht, und schauen S’ mich an. Der Wilhelm hat sich seither nicht mehr blicken lassen. Oppenheim hat sich in seiner Zelle erhängt, der wird also in naher Zukunft auch keine Gesellschaften mehr veranstalten. Frau Barbara musste ich auf zwei Tage die Woche beschränken, an denen ich schauen muss, wie ich das Geld für die restliche Woche aufstelle. Erzählen S’ mir also bitte nichts von dem, was Sie wollen, wenn sich doch alles zum Argen wandelt.«
Kraftlos setzte sie sich auf den Sessel, wischte sich trotzig die Tränen aus den Augen. Sie wirkte übermüdet, die üppigen Lippen rau, die unzähligen Sommersprossen auf Gesicht und Hals stumpf.
Hieronymus seufzte. Natürlich tat ihm die Frau leid, war er es doch gewesen, der sie erpresst hatte. Der sie erpressen musste, um seine eigene Haut zu retten. Dass sie dabei Schaden nehmen würde, hatte er zwar vermutet, aber hintangestellt.
»Umso anmaßender klingt dann wohl der Grund meines Besuchs«, sagte er und setzte sich ihr gegenüber.
»Ich vermute, Sie brauchen etwas von mir?«
»So ist es, Frau Fränkel.«
»Werde ich danach noch tiefer fallen? Mich gar am Graben oder am Spittelberg feilbieten müssen?«
Hieronymus konnte ein Schmunzeln ob der Offenheit der Frau nicht zurückhalten. »Das müssen Sie mit Sicherheit nicht, mein Wort darauf.«
Elsbeth schnaubte verächtlich.
»Gerne werde ich Ihnen berichten, wie es dazu kam, dass es mich nach Wien verschlagen hat. Das Ausmaß meines Schmerzes, meiner Pein, die mich seit neun Jahren malträtiert.« Er hielt seine rechte Hand in die Höhe, an der der kleine Finger fehlte. »Und ich spreche nicht hiervon. Aber ich vermute, dass Sie das im Augenblick nicht wirklich interessiert.«
»Da haben S’ recht, tut es nicht«, sagte sie knapp und hart. Dann wurde ihre Stimme sanft. »Und doch freue ich mich, dass Sie es geschafft haben, Ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Auch wenn dies gewissermaßen mein Verdienst war.«
»Da haben Sie recht, das war es.«
Elsbeth seufzte schwer. »Dann rücken S’ schon heraus damit. Was brauchen S’ diesmal?«
»An jenem Abend bei Oppenheims Soirée«, begann Hieronymus, »da tummelte sich eine illustre Schar an Gästen im Palais Rasumofsky.«
»Alles Herren der besseren Gesellschaft, die meinen –«, Elsbeth legte beide Hände auf die Ohren des nun schlafenden Kindes, »dass ihre Libido so groß und ihre Schwänze so hart sind wie ihre Bankkonten prall gefüllt. Was natürlich reines Wunschdenken ist.«
Hieronymus und Elsbeth teilten ein Lächeln.
»Sie verstehen es wahrlich, einem Mann den Kopf zu verdrehen«, meinte er und wurde wieder ernst. »Einer der Gäste war ein Böhme namens František Skorkovský. Er hat etwa mein Alter, rötliche Haare, groß gewachsen. Ein zackiger Mann, spricht mit kaum hörbarem Akzent.«
Elsbeths Blick wanderte im Raum umher, immer wieder verengten sich ihre Augen zu Schlitzen. »František … František Skorkovský.« Schließlich schüttelte sie den Kopf. »Der Name ist mir nicht geläufig. Ich kann mich nicht einmal an einen Herrn mit rötlichen Haaren erinnern.« Als sie Hieronymus’ Enttäuschung sah, fügte sie hinzu: »Aber seien Sie versichert, dass es mir aufrichtig leidtut.«
»Schon gut, es war einen Versuch wert«, meinte dieser mit gedämpfter Stimme. »Wie geht es dem kleinen Peterchen?«
Elsbeth hob die Decke vom Gesicht des Buben in ihren Armen. »Schauen S’ selbst. Er wächst so schnell, dass ich ihm dabei zuschauen könnt. Und jeden Tag schaut er seinem Vater ähnlicher, finden S’ nicht?«
Hieronymus schmunzelte ob der Anspielung auf Wilhelm Marx, Präsident der Wiener Polizei, einem glücklich verheirateten Mann mit einem außerehelichen Kind. Er selbst jedoch hatte, wie versprochen, dieses Geheimnis bewahrt, war es doch weder die Ausnahme noch eine Seltenheit. Beinahe jeder Dorfpfaffe könnte davon ein Liedchen singen, das wusste er.
»Ja, ganz der Herr Papa«, stimmte er der Mutter zu. »Apropos, ich werde wohl morgen bei besagtem Papa bezüglich meiner Suche nach diesem František vorstellig. Ich vermeine, es könnte nicht schaden, ihn darauf hinzuweisen, dass er sich ein wenig mehr um seinen Sohn bemühen sollte. Wenn schon nicht persönlich, so zumindest pekuniär?«
Elsbeth lächelte gütig, so wie Hieronymus sie zum ersten Mal getroffen hatte, damals im Café Central. »Das wäre eine schöne Geste von Ihnen.« Sie schien noch etwas hinzufügen zu wollen, besann sich dann