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des Eh’häusls abgeschlossen. Nun suchten sie auf den restlichen fünf Etagen nach verwertbaren Spuren. Der Rechtsmediziner Dr. Ignaz Bauerreiß stand neben dem Kommissar, dessen buschiger Schnauzer fast die Nase des Opfers berührte. Rohrmoser kniete vor der Badewanne und betrachtete die Leiche aus nächster Nähe. Sein Bauch hing über der viel zu engen Jeans und auch die Knöpfe seines weiß-blau karierten, kurzärmeligen Hemdes drohten demnächst die Fäden, die sie noch hielten, wegzusprengen. Die unbequeme Körperhaltung schien ihn anzustrengen. Über seiner Glatze zog sich ein dünner Schweißfilm. »Eindeutig ein aufgesetzter Kopfschuss«, kommentierte der Rechtsmediziner ungefragt. »Hier, sehen Sie die Schmauchspuren rund um die Einschusswunde? Immer noch gut zu erkennen, obwohl die Leiche im Wasser gelegen war.«

      »Todeszeitpunkt?«, knurrte der Kommissar unter seinem Schnauzbart hervor.

      »Ich schätze zwischen zweiundzwanzig Uhr und Mitternacht«, antwortete Ignaz Bauerreiß. »Noch unverbindlich«, setzte er hinzu. »Genaueres kann ich Ihnen erst nach der Leichenschau sagen. Die Todesursache ist allerdings eindeutig: Der Schuss in die rechte Schläfenregion. Schusskanal, Knochenfragmente und das in der Wand steckende Projektil sprechen eine eindeutige Sprache. Glatter Durchschuss. Die Hirnverletzungen waren absolut tödlich. Die Hirnmassenverschiebung nach links hat zu einer Einklemmung am Hirnstamm geführt und somit zum Verlust lebensnotwendiger Funktionen. Aber wie gesagt, die Autopsie müssen Sie schon noch abwarten, bevor …«

      »Hat scho oaner mit Frau Brahms sprechn könna?«, unterbrach ihn der Kommissar.

      »Nur ganz kurz«. Franziska Schuler, Leiterin der SpuSi, kam die Treppe herauf. »Der Mann der Toten, ein Rolf Hinterwimmer, hätte vor drei Wochen telefonisch das Hotel gebucht, hat sie ausgesagt. Der Übernachtungspreis wurde der Hotelverwaltung per Brief zugestellt. Sehr ungewöhnlich. Ach ja, einen fränkischen Dialekt soll er gehabt haben, vermutet Frau Brahms. Ist sich aber nicht absolut sicher. Könnte auch schwäbisch gewesen sein, meint sie. Sie kennt sich da nicht so genau aus.«

      »Sehr hilfreich. Sonst noch was?«

      »Ja. Die Tote ist gar nicht verheiratet, sondern geht hier in der Seminargasse dem horizontalen Gewerbe nach. Außerdem scheint das Opfer Kokain konsumiert zu haben. Unten im ersten Stock, auf der Glasplatte des Tisches, haben wir Reste von Kokainhydrochlorid gefunden. In ihrer Handtasche befinden sich weitere Tütchen von dem Zeugs«, fuhr Franziska Schuler fort, »aber meine Leute sind mit ihren Untersuchungen noch nicht fertig. In der untersten Etage steht ein reichhaltiges Frühstücksarrangement. Kaffee, O-Saft, Brötchen, Wurst, Käse, gekochte Eier, Joghurt, Früchte und mehr. Alles unangetastet. Hier oben und im Kaminzimmer gibt es jede Menge Fingerabdrücke, aber nur von der Toten. Hinweise auf ihren Mörder haben wir bisher noch nicht, wenn wir davon ausgehen, dass ihr angeblicher Ehemann ein Freier und auch ihr Mörder ist. Wir sind aber noch nicht fertig. Vielleicht finden wir doch noch etwas, was auf den Täter hindeutet.«

      »Sie werdn nix findn«, prophezeite der Hauptkommissar. »Hier woar ein Profi am Werk.«

      »Kann ich jetzt die Leiche abtransportieren lassen?«, quengelte Doktor Bauerreiß, »ich habe noch jede Menge Arbeit vor mir, und außerdem muss ich mir von der Staatsanwaltschaft noch die Freigabe für die Leichenschau einholen.«

      »Hauns scho ab«, merkte der Kripo-Beamte an, »und … Sie habens ja ghört … achtns auf den Kokainnachweis. Wer von Eahna kann mir mehr über die Identität des Opfers derzähln?«

      »Am besten, Sie fragen Polizeimeister Franz Muckerer von der hiesigen Polizeiinspektion«, antwortete Frau Schuler. »Dem ist die Tote nicht unbekannt. Von ihm kommt auch der Hinweis, dass die Tote dem horizontalen Gewerbe nachgeht.«

      »Nachging«, verbesserte Hauptkommissar Rohrmoser, »sie ging dem horizontalen Gewerbe nach. Etz is sie ja mausetot. Und wo find ich den Kollegen Muckerer?«

      »Der steht vor der Haustür und wimmelt die Presse ab.«

      »Warts ihr schon in der Wohnung des Opfers?«, wollte der Regensburger noch wissen.

      »Witzbold!«, antwortete Franziska Schuler, »wir machen erst hier fertig, dann …«

      »Scho guat. Sagts mir Bescheid, wenns ihr dort fertig seids.«

      »Eine Scheißhitz is des«, schimpfte Kunigunde Holzmann, »ich schwitz wie eine Sau«, und nippte an ihrem lauwarmen Kitzmann-Bier. Ihre Gesichtsfarbe hätte einem Truthahn zur Ehre gereicht. Ihr gegenüber saßen auf einer harten Biertischgarnitur Margarethe Bauer und deren Untermieter Dirk Loos. Die drei hatten sich trotz tropischer Hitze von Röttenbach auf den Weg nach Erlangen gemacht, um den Tag der Franken gebührend zu feiern. Nun saßen sie da, auf dem Erlanger Marktplatz, bei glühender Hitze und ärgerten sich, dass sie überhaupt gekommen waren. Zur Feier des Tages hatten sich die beiden Witwen in ihre fränkischen Trachten geschmissen – trotz der hohen Temperaturen. Beide trugen Miederröcke und Schürzen in gedeckten Farbtönen. Oben herum hatten sie sich, der Hitze wegen, kurzärmlige weiße Blusen gegönnt, über welchen sie allerdings, der Tradition wegen, ihre schweren, bunten Schultertücher gelegt hatten. Sie sahen aus wie zwei Krenweiber. Selbst der Sauerländer Dirk Loos musste sich der Tradition beugen. Darauf bestanden die zwei Frauen. Margarethe Bauer hatte von ihrem Reser einen fränkischen Dreispitz und ein buntes Halstuch ausgegraben. In die typische Kniehose hatte der Dirk dann selbst investiert.

      »Könna Schweine überhaupt schwitzn?«, überlegte Margaretha Bauer laut. »Aber recht hast scho, Kunni. Da hättn wir auch daham bleiben könna«, schlug sie in die gleiche Kerbe, wie ihre Freundin. »Schaut euch doch um«, setzte sie hinzu, »nix los. Außer lauter Preußn und Siemensler sind kane normalen Leut unterwegs. Von wegen, Tag der Franken. Eine Schand is des. A Hohn.« Die beiden Röttenbacher Witwen, fränkische Urgesteine, steuerten mit großen Schritten auf ihre fünfundachtzigsten Geburtstage zu. Auch Dirk Loos, der vor Jahren aus dem Sauerland nach Röttenbach zugezogen war, ließ enttäuscht den Kopf hängen. So hatten sich die drei die Feierlichkeiten nicht vorgestellt. Ihre mitgebrachten Fahnen mit dem Frankenrechen lagen eingerollt auf dem Biertisch.

      »Offen aus Tradition«, murmelte Kunigunde Holzmann sarkastisch vor sich hin, »Multikulti Programm. Fränkische Blasmusik und türkische Folklore. Da kann ich ja bloß lachn. Nix gegen Türkn, aber so a Motto, des passt doch net zum Tag der Franken. Wie solln da a Stimmung aufkomma? Migration und Integration sind in der Hugenottenstadt seit Jahrhunderten daheim, hat er gsacht, der Erlanger Burchermaster. So was kann mer doch an so einem Tag wie heut net thematisiern. Wie könna die Erlanger bloß so an zum Burchermaster wähln, frag ich mich?«

      »In der Hugenottenkirchn gibts a Ausstellung«, setzte ihre Freundin hinzu, »Fremde in Franken und im Stadtmuseum wird Muslime in Erlangen gezeigt.«

      »Völlig daneben«, ärgerte sich die Kunni weiter. »Des hat mit Frankn goar nix zu tun. Mei is des a Hitz heut. Des hat doch mindestens fünfadreißig Grad?«

      »Meine Damen«, brachte sich Dirk Loos in die Unterhaltung ein und schielte unter seinem Dreispitz hervor, der ihm bis auf die Ohrmuscheln gerutscht war, »es ist einfach zu heiß heute. Da gehen die Leute lieber in die Freibäder oder besuchen die schattigen Bierkeller.«

      »Papperlapapp«, widersprach seine Vermieterin, »wir sind doch auch da. Gell, Kunni?«

      »Genau. Mier sen halt richtige Frankn. Kane so dahergeschlappte Möchtegern-Einheimische.«

      »In fünfter Generation«, setzte ihre Freundin stolz hinzu.

      Die beiden Witwen kennen sich seit dem Sandkastenalter, haben ihr ganzes Leben in der kleinen mittelfränkischen Gemeinde Röttenbach verbracht und frönen gemeinsamen Interessen, wobei ein deftiges fränkisches Essen auf ihrer Prioritätenliste ganz oben steht. Allen voran ein knuspriges Schäufele, ganz dicht dahinter der gebackene Aischgründer Spiegelkarpfen, welcher bedauerlicherweise nur in den Monaten, die ein »r« in ihrem Namen tragen, auf die Tische der fränkischen Gasthäuser kommt. Neben einem guten Essen – wie sollte es auch anders sein – betreiben die beiden ein intensives lokales Networking, was Nicht-Insider mit dem simplen und irreführenden Wort »Tratsch« betiteln. Zu guter Letzt hatten

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