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Heimkehr zu den Dakota. Liselotte Welskopf-Henrich
Читать онлайн.Название Heimkehr zu den Dakota
Год выпуска 0
isbn 9783957840066
Автор произведения Liselotte Welskopf-Henrich
Издательство Автор
»Lassen wir die Greenhorns da hinten unter sich«, sagte er, »ich muss Prärie um mich haben und Männer! So bin ich’s gewohnt.«
Die Männer ließen ihn erzählen, und wenn er an diesem Tisch auch keine aufmerksamen Zuhörer für seine Geschichte fand, so doch sachverständige. Mattotaupa war höflich genug, hin und wieder eine Zwischenfrage zu stellen, die bewies, dass er gefolgt war.
Red Jim war noch vollkommen nüchtern, obwohl er mehr als jeder andere trank. Bloody Bill stritt sich mit der langen Lilly. Er war immer eifersüchtig. Mackie begann zu prahlen, und Charlemagne bestärkte ihn darin.
Mattotaupa hatte noch nicht mehr als einen halben Becher wirklich getrunken. Harka wusste nicht, dass seine Gegenwart es war, die den Vater hinderte, sich selbst und den anderen nachzugeben. Es war das erste Mal, dass Harka mit an einem Tisch saß, an dem gezecht wurde, und Mattotaupa war entschlossen, dem Sohn eben dieses erste Mal zu beweisen, dass ein ehemaliger Häuptling freigebig sein könne, ohne sich unwürdig zu benehmen. Die Rolle, die Mattotaupa spielte, gefiel ihm selbst mehr und mehr. Er hatte schon lange nicht mehr im Mittelpunkt gestanden, früher aber täglich, und das Wohlgefühl, bewundert zu werden, brach bei ihm durch. Die Tischgenossen sparten nicht an Schmeicheleien.
Es war in der dritten Stunde nach Mitternacht. Harka teilte Joe Brown kurz mit, dass er gehen und in den letzten Nachtstunden, die für unvorhergesehene Indianerangriffe die gefährlichsten waren, den Kundschafterdienst in seinem Abschnitt wieder selbst versehen wollte. Der Ingenieur sagte nicht nein, denn Harka trug zur Unterhaltung sowieso nichts bei. Nachdem Joe einverstanden war, konnte Mattotaupa nicht widersprechen, und Harka wollte stillschweigend den Tisch verlassen.
Da kam Mackie mit einem Becher auf ihn zu: »Einen Drink!«
»Trink selber aus«, antwortete der junge Indianer und war in dem breiten Rundgang schon drei Tische vorbei, als Mackie ihm, den Becher hochhebend, nachbrüllte: »Einen Drink, du verdammter Bursche! Willst du abschlagen?«
Harka dachte den Schreier auch weiterhin nicht zu beachten, aber da standen dem jungen Indianer bereits vier andere Kerle im Weg. Harka warf seinen Freunden an den Tischen einen raschen Blick zu. Sie hielten sich alle bereit, ihm beizuspringen. Der Indianer sah, dass die vier, die ihm in den Weg getreten waren, ihn nicht hindern konnten, aus dem Zelt hinaus zu gelangen, wenn er das wollte. Er brauchte nur seitlich über die Tische zu springen; keiner der Gäste, die an diesen Tischen saßen, würde schnell genug sein, um Harka zu halten. Eben weil er sich auf diese Möglichkeit verließ, zögerte er noch einen Augenblick.
»Ich schlage dir nichts ab. Ich trinke nichts. Trink du auf dein eigenes Wohl!« Als er dies zu Mackie zurückrief, stand er in ganz entspannter Haltung, als ob er für den nächsten Augenblick keineswegs etwas Besonderes vorhabe.
»Dann geh doch, du Esel! Wenn du nicht weißt, was gut schmeckt!«
Harka lächelte ein wenig. Diese Aufforderung war ein harmloser Abschluss, den er sich zunutze machen konnte. Es schien, dass Mackie, halb betrunken, noch nicht so funktioniert hatte, wie seine Hintermänner es erwarteten. Aber nun flüsterte dem Angetrunkenen jemand etwas zu.
»Ja, geh doch zu deinen Dakota, wo du hingehörst!«, brüllte Mackie plötzlich, ganz unvermittelt. »Es ist jetzt Zeit, dass sie die Brandpfeile abzuschießen beginnen!«
An den nächsten Tischen, an denen der Zuruf verstanden worden war, verstummten die Gespräche. Die Worte Dakota und Brandpfeile hatten im Bewusstsein aller, die sie vernahmen, wie ein Blitz eingeschlagen. Man befand sich in einem Zelt, und das Zelt stand in einer noch immer umkämpften Prärie. Gab es Verräter in den eigenen Reihen?
Harka sprang zurück, schneller fast als ein Gedanke. Er schlug Mackie schallend ins Gesicht, so dass dieser zur Seite taumelte, und stellte sich dann neben den Vater. Er hatte unter der büffelledernen Decke längst die Hand an der Waffe gehabt. Jetzt riss er den Revolver heraus, richtete ihn aber nicht auf Mackie, sondern auf Jim. »Pfeif sie zurück!«, sagte er leise. »Oder ich schieße.«
Red Jim wusste, dass er nichts mehr unternehmen konnte, was Harka entging, und er begriff, dass er erkannt war.
Er hob die Hände flach ein wenig hoch, zum Zeichen, dass er nicht zur Waffe greifen werde, und sagte laut: »Billy, bring doch den Mackie zur Vernunft! Jedes Mal fängt dieses Ross an, Krakeel zu machen! Damals um deine Lilly, jetzt mit Harry. Schaff das besoffene Schwein hinaus!«
Bill verstand, wenn er die Wendung, die eingetreten war, auch sehr bedauerte. Er packte mit Charlemagne zusammen Mackie an, dessen Nase blutete, und die beiden schleiften das unglückliche Opfer ihrer Pläne aus dem Zelt. Daisy-Vicky lief jammernd hinterher.
»Stecke den Revolver weg!«, befahl Mattotaupa seinem Sohn.
Harka gehorchte; seine rechte Hand verbarg sich wieder unter der büffelledernen Decke. »Ich gehe also«, sagte er gelassen.
Er ging ungehindert.
Seine Freunde lächelten ihm unauffällig zu.
Mattotaupa, Jim und Joe setzten sich wieder.
»Was war denn das?«, fragte Taylor, der Leiter des Stationslagers.
»Wildwest«, erläuterte Joe. »Eine Geschichte mehr für ihr Repertoire.«
»Begriffen habe ich die Sache nicht ganz.«
»Mackie war eben besoffen«, meinte der Ingenieur. »Er hat selbst nichts mehr begriffen. Wie sollen wir es begreifen?«
»Aber es besteht doch keine Gefahr?«
»I wo!«
»War das nicht dein Sohn?«, fragte Taylor Mattotaupa.
»Hau, mein Sohn.«
»Der Bursche hat mir gefallen. Er trinkt nicht, weiß sich zu helfen und nimmt seinen Dienst ernst. Solche Leute brauchen wir.«
»Also einen Drink ohne Harry, aber auf das Wohl von Harry!«, rief Jim und ließ die Augen blitzen.
Mattotaupa konnte nicht umhin, in diesem Falle mitzutun. »Du denkst sehr groß«, sagte er zu Jim in der Dakotasprache, so dass die anderen die Worte nicht verstanden. »Größer als mein Sohn.«
»Was heißt sehr groß?«, meinte Jim mit gut gespielter Generosität. »Der Junge ist nervös. Das kommt im Alter von siebzehn Jahren vor. Man muss dann nur die Ruhe bewahren.«
Joe und Taylor zogen sich wieder an den Tisch zurück, an dem die anderen Ingenieure saßen.
»Nur eine einzige blutige Nase«, meinte Henry. »Das ist ja diesmal glimpflich abgegangen.«
Es wurde weitergetrunken. Bill tanzte mit Lilly. Vicky bediente wieder mit Beflissenheit. Sie hatte sich überzeugt, dass Mackie bald wieder auf den Beinen sein würde.
Der Einzige, der auch nachträglich noch beeindruckt schien, ja nachträglich sogar noch stärker beeindruckt schien als im Augenblick des schnellen Ablaufs der Ereignisse, war Mattotaupa. Er mäßigte sich nicht mehr so beherrscht im Trinken, sondern goss einen Becher schnell hinunter und ließ ihn gleich wieder nachfüllen.
»Was hast du denn?«, fragte Jim.
»Nichts. Ich gehe auch noch einmal kundschaften.«
»Seid ihr alle verrückt?!«, protestierte Bill. »Abschied von Joe feiern wir nur einmal! Auf Kundschaft könnt ihr alle Tage gehen!« Aber Mattotaupa erhob sich. Er grüßte Joe höflich, zahlte bei Vicky die angelaufene Rechnung, sicherte ihr zu, dass er am Morgen die noch anfallende Zeche bezahlen werde, und ging langsam hinaus. Jim sah ihm nach, bis er aus dem Zelt verschwunden war. Dann sprang er auf und stürzte dem Indianer nach. Er traf ihn auf dem Weg zum Indianerzelt, wo Mattotaupa wohl seinen Festrock ablegen, vielleicht das Pferd holen