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es dämmerte, die Männer alle zurückgekehrt waren und Mattotaupa in das Zelt am Südende des Lagers ging, erhob sich Harka endlich, um auch heimzugehen. Der andere Junge begleitete ihn und kam einfach in das Zelt Mattotaupas mit.

      Harka freute sich darüber viel mehr, als er je nach außen hin gezeigt hätte. Die Schwarzfußfrau bereitete Essen für Mattotaupa und dann auch für die Kinder und sich selbst. Zwar hatte Harka am Morgen schon etwas zu sich genommen, und er pflegte wie die Krieger nur einmal am Tag zu essen. Aber er versorgte eigenhändig seinen Gast mit am Spieß geröstetem Fleisch wie ein Häuptling den anderen. Auch nach dem Essen blieb der Schwarzfußjunge noch im Zelt, und wie spielend erklärte er seinen eigenen Namen »Stark wie ein Hirsch« und einige Worte seiner Sprache. Harka ging sogleich darauf ein, holte sich bei der Frau auch ein Stück Leder, um etwas aufzeichnen zu können. Er wollte dem anderen Jungen klarmachen, dass er beabsichtige, endlich auf Antilopenjagd zu gehen. Jetzt, nachdem die Waffen schwiegen, konnte der Vater nichts mehr dagegen haben.

      Mattotaupa gab denn auch seine Zustimmung für den übernächsten Tag, und Stark wie ein Hirsch war voller Feuer für dieses Vorhaben. Das war der erste Augenblick, in dem es Harka nicht so sehr schmerzte, dass er seine Büchse nicht mehr besaß. Auch Stark wie ein Hirsch hatte nur Bogen und Pfeil, und die beiden Jungen wollten die gleichen Waffen führen. Es ergab sich ganz von selbst, dass Stark wie ein Hirsch auch für die Nacht in Mattotaupas Zelt blieb.

      Harka ahnte, dass es gerade der Verlust seiner Geheimniswaffe war, der bei dem anderen den Damm scheuer Zurückhaltung endgültig durchbrochen und Harka so für den Verlust der Waffe mit dem Gewinn eines Freundes belohnt hatte. Er selbst fing an, ruhiger über diesen Verlust nachzudenken. Der Vater hatte nicht unrecht; Harka hatte allzu sehr mit dem Besitz der Geheimniswaffe geprahlt. Was Tashunka-witko anbelangte, so konnte der Junge nicht einmal mehr mit Zorn an ihn denken. Das tollkühne Verhalten des Häuptlings und Mattotaupas Zweikampf mit ihm hatten allen bewiesen, dass die Dakota keine schlechten Krieger waren, und niemand würde sagen dürfen, Harka stamme aus einem Volk von Feiglingen.

      Das, wonach der Sohn des Geächteten am meisten verlangte, Achtung und Freundschaft von seinesgleichen, schienen auf einmal da zu sein. Während er sich auf seinem Lager ausstreckte und noch mit offenen Augen ins Dunkle schaute, gingen seine Gedanken zu der Antilopenjagd und noch weiter zu Bildern einer Zukunft, in der er selbst ein Krieger und Häuptling und der Bruder seines neuen Gefährten Stark wie ein Hirsch werden wollte.

      »Vater!«, sagte er aus diesen Gedanken heraus, leise, aber vernehmlich, da er wohl bemerkt hatte, dass Mattotaupa noch nicht schlief, und zugleich in der Gewissheit, von keinem anderen als diesem verstanden zu werden. »Noch sind wir Gäste in den Zelten der Siksikau. Wann werden wir als Krieger in ihren Stamm aufgenommen?«

      »Sobald du die Proben bestehst, Harka Wolfstöter, die dich würdig machen, ein Krieger genannt zu werden, und sobald ich mich an denen, die mich aus dem Stamme der Dakota vertrieben, gerächt habe, so dass niemand mehr wagen darf, mich einen Verräter zu nennen.«

      »Bis ich ein Krieger werde, gehen noch manche Sommer und Winter dahin, Vater.«

      »Manche, Harka. Aber sie werden uns schnell vergehen, denn wir leben als Brüder freier und tapferer Männer.«

      »So ist es. Wenn es soweit ist …« Harka brach ab.

      »Sprich nur«, sagte der Vater.

      »Ich denke an Tashunka-witko.«

      »Was denkst du über diesen Mann, der unser Feind ist und mich beleidigt hat?«

      Harka schluckte.

      »Sage mir, Harka Steinhart, was für Gedanken in deinem Kopf bohren!«

      Die Frage war in einem freundschaftlichen Ton gehalten, wie er sich zwischen Vater und Sohn in den gemeinschaftlichen Gefahren und Leiden der Verbannung herausgebildet hatte, aber es schwang auch ein Unterton darin mit, der neu war und den Harka noch gar nicht bemerkte. Ein eifersüchtiger Zweifel, wie er Einsame und Entrechtete leicht befällt, hatte sich in Mattotaupa gegenüber seinem Jungen geregt.

      Harka antwortete ganz unbefangen: »Tashunka-witko hat eine Tochter der Dakota aus den Händen der Feinde befreit und zurückgeholt. Sie heißt Uinonah.«

      »Wie meine Tochter, deine Schwester. Daran denkst du?«

      »Ja!«, sagte Harka kurz und trotzig. Er fürchtete jetzt, dass der Vater ihm vorwerfen wolle, dass er zu weich sei. Aber er vermochte nicht, das Gefühl für seine Schwester zu verleugnen. Er sah sie wieder vor sich, in der Abschiedsnacht, als er aus den Zelten zu dem geächteten Vater in die Wildnis geflohen war. Da hatte Uinonah die Decke über das Gesicht gezogen, damit niemand sehen sollte, dass sie weinte. Jetzt musste sie unter Menschen leben, die ihren Vater verachteten, und Harka konnte sie nicht beschützen.

      Mattotaupas nächste Worte klangen ganz anders, als Harka erwartet hatte. »Was glaubst du, Harka Wolfstöter – würde meine Tochter Uinonah bereit sein, zu uns beiden in das Zeltdorf der Siksikau zu kommen?«

      »Sie würde bereit sein, Vater. Sie hat gewusst, dass ich zu dir gehe, und sie hat mir geholfen zu fliehen.«

      »Harka, seit die Ältesten der Bärenbande mich verurteilt und geächtet haben, sind wir umhergeritten und umhergewandert, und wir konnten nicht ein kleines Mädchen bei uns haben. Das weißt du wohl. Aber jetzt haben wir Zelte gefunden, in denen Uinonah mit uns wohnen könnte. Es ist Frühling. Wir haben den Sommer vor uns und können zum Pferdebach reiten, um meine Tochter, deine Schwester, zu uns zu holen, so wie Tashunka-witko das Dakotamädchen geholt hat. Unser Mut und unsere Klugheit sollen nicht geringer sein!«

      »Ja, Vater! Wann reiten wir?«

      »Sobald du mit Stark wie ein Hirsch die Antilopen und sobald ich mit dem Häuptling Brennendes Wasser Büffel gejagt habe und das Zelt hier wohlversorgt ist. Ich habe gesprochen, hau!«

      Damit endete das Zwiegespräch, das die Schwarzfußfrau und Stark wie ein Hirsch nicht verstanden hatten. Harka legte sich zum Einschlafen zurecht. Ihm war frei und doch noch seltsam zerrissen zumute. Er wollte ein Krieger der Schwarzfüße werden, aber die Aussicht, sein heimatliches Zeltdorf am Pferdebach noch einmal zu sehen und seine Schwester von dort wegzuholen, bewegte ihn zugleich sehr stark. Er fürchtete fast, dass sich sein Angsttraum wiederholen werde, dieser Traum, dass Uinonah ihn um Hilfe rufe, seine Füße aber festgezaubert seien. Zum Glück rührte sich jetzt Stark wie ein Hirsch in seinen Decken. Harka begann diesen Jungen und seine Freundschaft wie einen Schutzgeist zu empfinden. Er streckte sich und schlief ein.

      Mattotaupa starrte noch ins Dunkel. Dass die Häuptlinge und Ältesten der Siksikau ihn auch nach seiner Bewährung im Kampf noch nicht ganz als einen der Ihren betrachteten, ihn noch nicht in den Stamm aufnehmen wollten, schmerzte ihn mehr, als er seinem Sohn je eingestanden hätte. Rachewünsche gegen die, die ihn aus den Reihen der Dakota ausgestoßen hatten, schlummerten schon lange in ihm. Aber jetzt begannen sie Gestalt anzunehmen, denn er wollte alle Zungen zum Schweigen bringen, die ihn noch schmähen konnten. Er wollte den Männern der Siksikau nicht nur von seiner Unschuld erzählen. Er wollte seinen untadeligen Ruf mit dem Tod der Beleidiger beweisen. Den Augenblick, in dem ihn Tashunka-witko in Gegenwart des Schwarzfußhäuptlings ungestraft einen Verräter genannt hatte, konnte er nicht mehr vergessen.

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