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Der Flügelschlag des Zitronenfalters. Martin Scheil
Читать онлайн.Название Der Flügelschlag des Zitronenfalters
Год выпуска 0
isbn 9783961450718
Автор произведения Martin Scheil
Издательство Автор
Rick Pfeffer blinzelte. Noch immer konnte er nicht erkennen, was er mit der ganzen Sache zu tun haben sollte, aber Hans Müller wurde ihm langsam sympathisch.
„Wissen Sie, was Brandt gemacht hat?“, fuhr Müller fort und ohne eine Antwort abzuwarten: „Der hatte ein sogenanntes Journalistenabteil, ganz hinten am Kanzlersonderzug. Das Teil war aber nicht voll mit Journalisten, sondern mit Journalistinnen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Stecken Sie einfach eine blonde Spionin mit prallen Möpsen in einen Rock und schon sind Sie im Sicherheitsbereich des Bundeskanzleramtes. Um Gottes Willen, so einfach war das damals. Wer wäre da auf Guillaume gekommen?“ Er lachte laut auf und drückte die Zigarette kopfschüttelnd aus. „Wir tun unser Bestes, Pfeffer, das können Sie mir glauben. Aber auch wir können nicht überall sein. Und dann auch noch die ganze Scheiße mit der RAF! Wir haben gedacht, dass sich das alles mit der Aktion in Stammheim erledigt hätte, aber jetzt sind schon wieder die Nächsten unterwegs und ballern rum wie Räuber Hotzenplotz mit der Pfefferpistole. Das hat der alte Gehlen nicht geahnt, dass seine „Fremden Heere Ost“, auf einmal quasi aus den eigenen Reihen kommen. Kurz und Gut:“, er atmete tief ein und wieder aus „Die Bundesrepublik braucht dringend loyales Personal, Pfeffer. Und da kommen Sie ins Spiel.“
„Und das heißt?“ Pfeffer spürte nun eine innere Anspannung.
„Das heißt, dass ich Ihnen einen Job anbiete, Pfeffer. Nichts Großes zwar, und berühmt werden Sie damit auch nicht, glauben Sie mir. James Bond gibt es nur in Hollywood. Aber Sie können etwas für uns tun. Sie können etwas für Ihr Land tun.“
Pfeffer nickte, während in ihm die Aufregung wuchs. Als er einen Schluck aus seinem Glas nehmen wollte, bemerkte er sogar, dass seine Hände angefangen hatten zu zittern.
„Wie gesagt, wir können nicht überall sein. Deshalb brauchen wir Leute wie Sie, die immer Augen und Ohren offen halten, Pfeffer. Sie haben in Bremen ganz schön was ins Rollen gebracht, wissen Sie das eigentlich?“
Nicht ohne Stolz, aber immer noch ein wenig zu zaghaft für einen wahren Pfeffer antwortete dieser „Na ja, man tut was man kann. Aber das waren ja keine Kommunisten! Das waren eigentlich alles nur Sozis!“
„Was denken Sie denn, was die Sozis vorhaben, Pfeffer? Was glauben Sie, warum die den Schmidt abgesägt haben? Wissen Sie, was bei Marx und Engels steht? Der Sozialismus kann nur bestehen als Weg zum real existierenden Kommunismus! So! Und was glauben Sie denn, wer drüben im Politbüro sitzt? In der SED? Das waren vorher auch mal alles Sozialdemokraten, die hoch und heilig geschworen haben, mit der KPD nie gemeinsame Sache zu machen, und jetzt reichen die sich gegenseitig die Wodkagläser und sagen aber mal laut Nastrovje! Nein, nein Pfeffer, Rot bleibt Rot, egal wie die es nennen. Und nach allem, was ich von Ihnen gelesen habe, sehen Sie das doch genauso, oder irre ich mich da etwa?“
Sympathisch, der Mann. Pfeffer machte nun die Leinen los.
„Für mich sind das alles Bolschewiken!“ Jawoll! Wird man ja wohl noch sagen dürfen! „Ich habe denen in Bremen das auch gesagt. Immer wieder! Da ist der allerletzte Filz am laufen, und Moskau ist die ganze Zeit am Telefon dabei. Ich war einer der wenigen, die alles ausgesprochen haben. Aber Sie sehen ja, wohin mich das gebracht hat“, er deutete auf das Enterieur des Sattelschlepper. Die Bedienung verstand es fälschlicherweise als neue Bestellung und begann schon wieder, den Zapfhahn zu bedienen. Rick Pfeffer wehrte sich nicht dagegen.
„Wir wissen, dass Sie für die Roten Brüder einen ganz guten Riecher haben, Pfeffer. Alles, was wir wollen, ist, dass Sie Ihre Antennen ausgefahren lassen und uns über alles Bericht erstatten, was Sie so aufschnappen. Auch das, was vielleicht die Gerüchteküche mitunter so hergibt. Wie hört sich das für Sie an?“
„Das ist alles?“
„Wenn Sie es wollen, ja“, sagte Müller, während Pfeffer erneut Bier und Schnaps vorgesetzt wurden. „Ich hätte aber auch noch ein anderes Angebot für Sie.“
„Und das wäre?“ Pfeffer kippte den Schnaps herunter. Er bemerkte, dass er jetzt doch einen leichten Schwips hatte.
„Sie könnten uns hin und wieder einen Gefallen tun. Nichts Großes, keine Bange, nur ... na ja ... Gefallen eben.“
„Ja, aber was wären das denn für Gefallen?“, fragte Pfeffer, vom Alkohol mittlerweile jeder Furcht beraubt.
„Das kann man in unserem Geschäft nie vorher sagen. Kleinigkeiten eben. Und es wäre nicht Ihr Schaden.“
„Wie soll ich das denn jetzt verstehen?“, wurde Pfeffer hellhörig.
„Nun, sie haben doch keinen Job mehr, oder?“
Hatte er nicht.
„Und wie sieht es mit dem lieben Geld aus?“
Schlecht. Wenn er ehrlich war, wusste er nicht mal wie er hier im Sattelschlepper die immer länger werdende Rechnung bezahlen sollte.
„Sehen Sie, und ich kann Ihnen beides geben. Wir machen das immer so. Sie bekommen einen unauffälligen Job, der keine Vorkenntnisse erfordert, erhalten einen sehr anständigen monatlichen Sold, bar natürlich, und halten sich ansonsten bereit, bis wir uns bei Ihnen melden. Augen und Ohren offen halten versteht sich von selbst!“ Er machte eine Pause und blickte Rick Pfeffer in die Augen. „Was sagen Sie, Pfeffer, sind Sie dabei? Ach so, und als kleiner Vorschuss geht hier natürlich alles auf mich!“
Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Natürlich war er dabei. Hand drauf, eingeschlagen, Bruderkuss. Ups, das dann vielleicht doch nicht. Man besiegelte alles mit einer weiteren Runde, ehe Pfeffer es ganz genau wissen wollte.
„Und was muss ich machen? Also die unauffällige Arbeit meine ich.“
Müller sah in an und sagte „Sie sind doch Journalist. Das heißt, Sie können schreiben, oder?“
„Kann ich!“ Die Worte kamen aus ihm herausgeschossen und voll übermütigen Stolzes knallte er sein Glas etwas zu fest auf den Tisch.
„Gut. Und können Sie auch reden?“
„Kann ich auch!“, log Pfeffer und merkte, dass er schon erheblich lallte, da sich der letzte Satz beinahe wie „Kaiauch“, anhörte. Das Vereinsilbigen war ein untrügerisches Anzeichen für einen sich bedenklich verschlimmernden Vollrausch. Hans Müller jedoch schien völlig nüchtern zu sein.
„Gut mein lieber Pfeffer, dann haben Sie ab Montag einen neuen Job!“
IV.
Als Rick Pfeffer am nächsten Tag schwer verkatert in den Briefkasten sah, fand er dort einen Umschlag, in welchem neben 5.000 Mark in bar ein Zettel mit der Adresse eines Beerdigungsinstitutes steckte. Als er das Geld sah, erschrak er regelrecht und sah sich wie ertappt vor der Haustür um. Augen links, Augen rechts. Lieber nochmal links. Nichts zu sehen. Er ging wieder ins Haus, schloss sich im Badezimmer ein, nahm das Geld aus dem Umschlag und ließ es wie einen Stapel Skatkarten gefällig am Daumen vorbeiblättern. Es fühlte sich gut an, sehr gut sogar. Er roch daran und bemerkte den typischen, unverwechselbaren Geruch des Geldes, der schon so viele andere vor ihm in Verlegenheit gebracht hatte. Aber was ... aufgemerkt. Er tat es für die gute Sache! Schön war’s trotzdem. Dann sah er sich noch einmal den Zettel mit der Adresse an. Ein Beerdigungsinstitut. Er dachte nach. Was sollte er wohl in einem Beerdigungsinstitut machen? Hoffentlich keine Leichen waschen oder ihnen die Haare schneiden oder etwas anderes Abartiges in der Richtung. Ihm wurde plötzlich wieder mulmig, und als er den vergangenen Abend noch einmal im Geiste vorbeiziehen ließ, begann er sich zu ärgern,