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nennen können; im Buch »Walden« von Henry David Thoreau2 beschreibt dieser einen sehr interessanten Kampf, den wir hier wiedergeben:

       Als ich eines Tages zu meinem Holzstoß, vielmehr zu meinem Stoß von Baumstümpfen ging, beobachtete ich zwei große Ameisen. Die eine war rot, die andere schwarz und fast einen Zoll lang. Sie kämpften erbittert miteinander. Hatten sie sich einmal festgebissen, dann ließen sie nicht wieder los, sondern kämpften, rangen und rollten unentwegt auf den Hobelspänen umher. Mit Erstaunen entdeckte ich überall auf den Spänen solche Kämpfer. Also war es nicht ein duellum, sondern ein bellum3; zwei Ameisenrassen bekämpften einander. Überall stellten sich die Roten gegen die Schwarzen, häufig zwei gegen eine. Die Legionen dieser Myrmidonen4 bedeckten alle Hügel und Täler meines Waldplatzes; der Boden war mit Toten und Sterbenden beider Parteien bedeckt. Das war die einzige Schlacht, der ich je beiwohnte, das einzige Schlachtfeld, das ich während der Schlacht betrat. Vernichtungskampf. Auf der einen Seite die roten Republikaner, auf der anderen Seite die schwarzen Imperialisten. Beide Seiten waren in den tödlichen Kampf verstrickt. Ich konnte jedoch keinerlei Geräusch vernehmen. Niemals kämpften menschliche Soldaten verbissener.

      Ich beobachtete ein eng miteinander verflochtenes Kämpferpaar in einem kleinen sonnigen Tal zwischen den Spänen. Jetzt unter Mittag schickten sie sich an, bis Sonnenuntergang oder bis zum letzten Atemzug zu kämpfen. Der kleinere rote Soldat hielt wie ein Schraubstock des Gegners Vorderseite fest umklammert. Bei allem Hin und Her auf diesem Feld ließ er niemals davon ab, den einen Fühler des Gegners nahe der Wurzel zu benagen; den anderen hatte er schon kleinbekommen. Der stärkere Schwarze schleuderte den Gegner von einer Seite zur anderen. Wie ich bei näherem Hinschauen bemerkte, hatte er ihm schon mehrere Glieder abgerissen. Sie kämpften hartnäckiger als Bulldoggen. Offensichtlich war ihr Schlachtruf: »Sieg oder Tod!« Unterdessen kam ein einzelner roter Krieger mit allen Zeichen der Aufregung am Hang des Tales daher. Entweder hatte er seinen Feind schon erledigt oder sich bisher noch nicht an der Schlacht beteiligt. Das letztere war wohl der Fall, denn er hatte noch keines seiner Glieder eingebüßt. Sicher hatte die Mutter ihm aufgetragen, entweder mit seinem Schild oder darauf zurückzukehren. Vielleicht war er auch ein Achill und hatte abseits seinen Groll genährt, kam aber nun, um Patroklos5 zu retten oder zu rächen. Dieser Krieger sah den ungleichen Kampf von ferne. Denn die Schwarzen waren fast doppelt so groß wie die Roten. Mit schnellem Schritt kam der rote Soldat heran und blieb einen halben Zoll von den Kämpfenden entfernt im Hinterhalt. Dann sprang er im günstigsten Moment auf den schwarzen Krieger los und begann seine Operationen im Ansatz von dessen rechten Vorderbein. Mochte der Feind unter seinen eigenen Gliedmaßen wählen! So waren diese drei fürs Leben verkettet, als hätte man eine neue Befestigungsart erfunden, die alle Schlösser und jeden Zement in den Schatten stellte. Mich hätte es nicht gewundert, die jeweiligen Musikkapellen der beiden Armeen auf einem hochgestellten Span aufgestellt zu finden, wo sie unterdessen die Nationalhymnen spielten, um die Zögernden anzufeuern und die Sterbenden zu trösten. Ich selbst war fast so aufgeregt, als kämpften hier Menschen. Je mehr man darüber nachdenkt, desto geringer wird der Unterschied. Ganz gewiss liest man weder in der Geschichte Amerikas noch in den Annalen Concords6 von einer Schlacht, die auch nur einen Augenblick den Vergleich mit dieser aushält, weder was die Zahl der Kämpfenden anlangt, noch den entfalteten Patriotismus und Heroismus. Nach Zahlen und Gemetzel war dies ein Austerlitz oder Dresden7. Was ist dagegen die Schlacht bei Concord? Zwei Tote bei den Vaterlandstreuen und Luther Blanchard8 verwundet. Nun, hier war jede Ameise Buttrick: »Feuert, um Gottes willen feuert!« …9 Nicht einen Söldner gab es hier. Für mich besteht kein Zweifel, dass diese Ameisen genauso für eine Idee kämpften wie unsere Vorfahren, freilich nicht, um einer geringen Steuer für ihren Tee zu entgehen. Die Ergebnisse dieser Schlacht werden für die, die es anging, mindestens ebenso bedeutsam und denkwürdig sein wie die Schlacht am Bunker Hill.10

      Ich nahm den Span mit den drei beschriebenen Kämpfern auf und trug ihn in mein Haus. Dort stülpte ich auf dem Fensterbrett ein Glas darüber, um den Ausgang des Kampfes zu sehen. Durch die Lupe sah ich, dass der Leib der roten Ameise ganz aufgerissen war und die Eingeweide unter den Zangen des Schwarzen bloßlagen. Trotzdem nagte die Rote eifrig am Vorderbein des Feindes, dem sie beide Fühler schon abgerissen hatte. Die Brustplatte des Schwarzen war offenbar zu dick, der rote Kämpfer konnte sie nicht durchdringen. Die dunklen Karfunkelaugen des Leidenden glänzten in einer Wildheit, die nur der Krieg entfachen kann. Länger als eine halbe Stunde kämpften sie unter dem Glas. Als ich wieder hinsah, hatte der schwarze Krieger die Köpfe seiner Feinde abgerissen, und sie hingen – noch lebend – zu seinen Seiten wie grausige Trophäen am Sattelbogen, noch ebenso fest verbissen wie früher. Mit matten Bewegungen suchte er sich von ihnen zu befreien, das gelang ihm nach einer weiteren halben Stunde. Er selbst hatte keine Fühler mehr, nur noch den Stumpf eines Beines, und ich weiß nicht wie viele Wunden. Ich hob das Glas ab, da lief er in diesem verkrüppelten Zustand über das Fensterbrett davon. Ob er schließlich dieses Gefecht überlebte und den Rest seines Lebens in einem »Hôtel des Invalides«11 verbrachte, weiß ich nicht. Jedenfalls würde nach meiner Meinung künftig seine Tätigkeit wenig wert sein.

      Viele Kämpfer bleiben weit unter ihren Möglichkeiten, weil sie nicht annähernd so aggressiv vorgehen, wie es für einige Situationen angebracht ist. Bei Kämpfen, die unser Leben bedrohen und bei denen wir keine Rückzugsmöglichkeit haben, sollten wir von den obigen Beispielen lernen. Dabei ist das Kämpfen eine einfache Sache. Wir können es uns nicht erlauben, dass die Begleitumstände unsere kämpferischen Fähigkeiten einschränken. Wir sollten uns immer an die Fakten halten, d. h., an die reale Bedrohung. Werden wir angegriffen, folgen wir dem Prinzip der Biene. Wir greifen dann an, wenn wir bedroht bzw. angegriffen werden. Da wir nicht nur »ein bisschen« angegriffen werden, schützen wir uns auch nicht nur ein bisschen. Wir schützen uns mit allen Mitteln.

      Ein erfahrener Kämpfer weiß oft bereits vor dem eigentlichen Kampf, ob er gewinnt oder nicht. Egal, ob es sich um einen Straßenkampf oder um einen Duellkampf handelt. Das ist ein Dilemma, denn wenn Sie erkennen, dass Sie den Kampf nicht gewinnen können, ihn aber auch nicht mehr zu verhindern vermögen, dann bleibt Ihnen nur der Fatalismus der Biene oder der von Thoreaus Ameisen.

      Wer eine ernsthafte Chance im Kampf gegen geübte Schläger haben will, muss sich kontinuierlich körperlich und geistig darauf vorbereiten. Die Chinesen drücken das mit dem Spruch aus: »Der Staat ernährt (trainiert) seine Soldaten tausend Tage, um sie einen Augenblick zu gebrauchen.« Das gilt für uns ebenso. Abgesehen davon, dass ein in Kampfesdingen unerfahrener, doch gut trainierter Mensch im Kampf ebenso effektiv sein kann, wie ein erfahrener Kämpfer, schützt ein regelmäßiges Training auch vor Krankheiten und hält den Körper lange leistungsfähig. Das Prinzip der Biene besagt nicht nur, dass Sie sich mit allen Mitteln schützen sollen, sondern auch, dass Sie ein gewisses Maß an Fleiß aufbringen müssen, um sich vorzubereiten. Wir reden hier aber nicht von Sport und schon gar nicht von Leistungssport. Es geht um wissenschaftlich fundierten Trainingsmethoden, die möglichst täglich absolviert werden sollten, jedoch für den ganz normalen »Durchschnittsmenschen« geeignet und durchführbar sind.12 Ein bis zwei Stunden Training reichen aus – die Zeit eines Spielfilms im Fernsehen … Gewisse physische Fähigkeiten sind einfach notwendig, um wenigstens eine minimale Grundlage zu haben, die in extremen Situationen von Nutzen sein kann. Diese Trainingsmethoden werden immer im Zusammenhang mit anwendbaren Techniken stehen, welche wiederum aus bewährten Kampfkünsten stammen. Diese haben sich in einer Zeit entwickelt, in der es noch keine Feuerwaffen gab, man jedoch darauf angewiesen war, sich jederzeit schützen zu können. Diese Techniken sind direkt, einfach und für den Alltag geschaffen. Sie wurden in der Vergangenheit in gefährlichen Gewaltsituationen wieder und wieder erfolgreich angewandt. Dies ist der Grund, weshalb sie überhaupt überliefert werden konnten.

      Auch dieses Buch kann Ihnen keine allgemeingültigen Tipps geben, die für jede Situation passen. Es geht u. a. darum, Ihnen ein Gefühl für Gefahrensituationen zu vermitteln und eine mögliche Herangehensweise. In einem Buch werden immer Idealfälle dargestellt, die nur schwer in die Realität übertragbar sind. Wenn dieses Buch es vollbringt, Ihnen ein gewisses Grundverständnis für die komplexe Realität des Kampfes zu vermitteln, ist schon einiges erreicht.

      Jemand

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