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      Foto 15

      Fotos 12 bis 15: Grappler, Ringer und Judoka, die ihr Handwerk verstehen und ihren Gegnern körperlich und technisch überlegen sind, können von Untrainierten oft nicht anders gestoppt werden als durch deren tierische Instinkte, beispielsweise Beißen. Dabei ist es egal, wohin man beißt – es wird den Angreifer zum Lösen des Griffes bringen. Dann laufen Sie entweder sofort weg, oder aber Sie setzen augenblicklich nach und setzen den Gegner endgültig außer Gefecht. Greifen und kratzen Sie ihm in die Augen, schlagen Sie ihm den Kehlkopf ein, greifen Sie ihm in die Hoden und reißen Sie mit aller Wucht daran. All das sind Dinge, die man Sie nicht lehren muss, da Sie diese beherrschen, wenn Sie sich auf Ihre Instinkte verlassen und sich von ihnen leiten lassen. – Geregelter, fairer Kampf existiert nur in der Welt des Sports, nicht jedoch in der des echten, regellosen Kampfes.

      In den 90er Jahren trieb in Wǔhàn (Zentral-China) ein Mann namens Jiāng sein Unwesen. Herr Jiāng trug einen großen Hass auf die Gesellschaft in sich. Er hat keine gute Kindheit, wurde oft von seinen Mitmenschen schlecht behandelt und verlor nach und nach jegliches Mitgefühl und alle Hemmungen gegenüber anderen. Er wurde zu einem eiskalten Killer.

      Herr Jiāng wusste sehr genau, dass es eines Tages mit ihm zu Ende sein würde und die Todesstrafe auf ihn wartete. Aber bis es soweit war, wollte er sich noch austoben.

      Viele seiner Taten sind in China geradezu legendär geworden. Einmal nahm Jiāng vier Wachmänner als Geisel. Während er sie mit einer Pistole bedrohte, mussten sich die Männer gegenseitig fesseln, bis auf einen. Dieser eine musste den anderen mit einem Messer den Kopf abschneiden. Als er sein blutiges Werk beendet hatte, schoss Jiāng ihm eine Kugel in den Kopf. Einige der Polizisten, die am nächsten Morgen zum Tatort kamen, bekamen einen solchen Schock, dass sie über mehrere Wochen keine Nahrung mehr zu sich nehmen konnten.

      Ein andermal schrieb er dem Polizeichef von Wǔhàn einen Brief und teilte ihm mit, dass er Sonntag nachmittags auf der Einkaufsstraße im Zentrum von Wuhan mit Sportschuhen auf und ab gehen würde. Daraufhin wurden Hunderte von Polizisten in Zivil ausgeschickt. Doch zu dieser Zeit waren einige tausend Menschen in Sportschuhen auf dieser Straße, was eine Identifizierung unmöglich machte.

      Jiāng hatte die Angewohnheit, mit einer Pistole bewaffnet etwas abgelegene Kleinläden zu überfallen, da diese meist keine besonderen Sicherheitsvorkehrungen haben und gegen Abend recht wenig besucht sind. Maskiert und mit gezogener Waffe drang er kurz vor Ladenschluss in eines dieser Geschäfte ein und bedrohte den Ladenbesitzer und seine Frau. Die ältere Dame begann zu zittern. Ihr Mann jedoch blieb ganz ruhig, ohne dabei in irgendeiner Form zu provozieren. Mit klarer und kraftvoller Stimme sagte er zu seiner Frau: »Was ist denn mit dir los? Erstens sollten wir diesem Herrn dankbar sein, dass er uns wertschätzt und uns für so gut hält, dass wir beraubt werden können. Zweitens gibt es sicher einen vernünftigen Grund, weshalb dieser Herr das macht.« Dann wandte der Ladenbesitzer sich an Jiāng, als ob dieser ein ganz normaler Kunde sei, den er mit Respekt und Selbstbewusstsein zu behandeln habe: »Warten Sie bitte einen Moment, ich gebe Ihnen alles, was wir haben.«

      Kaum hatte der Ladenbesitzer geendet, steckte Jiāng seine Pistole weg und sagte: »Von dir will ich nichts. Lebe dein Leben gut.« Dann drehte er sich um und ging.

      Wenig später betrat Jiāng einen anderen Laden. Auch dieses Geschäft gehörte einem Ehepaar, das kurz vor Ladenschluss mit seinem kleinen Sohn allein war. Als Jiāng wie üblich mit Maske und gezogener Waffe auftauchte, fing die Frau in einem giftigen und arroganten Ton wie eine Ente zu schimpfen an. »Was, du wagst es, mich zu überfallen? Weißt du nicht, wer mein Bruder ist? Er ist der Distriktleiter der Polizei …« Sie schaffte es nicht mehr, den Namen ihres Bruders auszusprechen, da lag sie schon mit einem Loch im Kopf am Boden. Dann erschoss Jiāng auch ihren Mann und ihren kleinen Sohn. Anschließend nahm er sich alles Geld aus der Kasse und verschwand.

      Der mächtige Bruder konnte sich am nächsten Tag die Leichen seiner Schwester, seines Schwagers und seines kleinen Neffen ansehen. Geholfen hat sein Status der Familie nicht.

      Diese Geschichte lehrt sehr gut, wie der obige Spruch, »… zu wissen, wie man ein Mensch zu sein hat«, zu verstehen ist. Der erste Ladenbesitzer zeigte Selbstverteidigungskunst vom Feinsten, das höchste Niveau, das man nur erreichen kann. Das zweite Beispiel sollte hingegen als Warnung dienen. Die Frau zeigte deutlich, wie man es nicht machen darf. Selbstverteidigung heißt, jedem Menschen grundlegenden und offenen Respekt entgegenzubringen, ohne sich zum Opfer zu machen. Respektlosigkeit und Hochmut sind zwei der häufigsten Ursachen dafür, dass Menschen Gewalt verüben.

      Auch wenn es vielleicht einige Zeit dauert, bis ein gewisses Maß überschritten ist – aber eine ständig gedemütigte Seele wird zur Gefahr, was wir immer wieder bei brutalen Amokläufen schmerzvoll feststellen müssen.

      In Hettstedt1 spielte sich vor einigen Jahren eine Begebenheit ab, die ebenfalls zeigt, wie man es richtig machen kann: Frank F., ein alter Hettstedter Ringer, verließ ein Lokal, um nach Hause zu gehen. Vor der Tür warteten vier Männer auf ihn, die ihn anpöbelten. Es waren keine Halbstarken, sondern sie waren allesamt erwachsen – und betrunken. Der Ringer sagte ruhig: »Wenn ihr jetzt in die eine Richtung geht und ich in die andere, kommen alle ohne Probleme davon. Wenn ihr mich angreift, werde ich vielleicht verlieren, aber ihr kommt auch nicht unbeschädigt weg. Und wenn ich verliere, gibt es eine Rückrunde. Ich weiß, wo jeder von euch wohnt. Ich komme zu euch nach Hause, zu jedem einzelnen, und dann sehen wir mal, wie das Spiel dann ausgeht.« Die vier haben ihn in Ruhe gelassen und sind ohne ein weiteres Wort abgehauen.

      Vorsichtshalber möchten wir noch erwähnen, dass diese Berichte nur Fallbeispiele sind und in ähnlichen Situationen durchaus zu anderen Ergebnissen führen könnten. Es sind keine Patentlösungen für derartige Vorfälle.

      »Man beleidigt lieber den mächtigen Mann, aber man beleidigt nicht den kleinen Mann.« – Dieser Satz stammt von einem der mächtigsten Bosse der heutigen chinesischen schwarzen Gesellschaft (chin. hēishèhuì). Allerdings ist der dahinterstehende Gedanke schon sehr alt in China.1 Auf den ersten Blick scheint diese Aussage nicht zu stimmen. Aber tatsächlich ist sie wahr. Die meisten von uns haben mehr oder weniger Furcht vor mächtigen Menschen. Wir biedern wir uns bei ihnen an und erfüllen ihnen alle Wünsche. Wir erstarren vor ihnen aus Angst und Respekt. Nur warum? Gleichzeitig haben wir die Angewohnheit, auf die Kleinen herabzusehen und sie zu verachten. Nach oben buckeln, nach unten treten, das scheint uns im Blut zu stecken. Dabei sollte eigentlich das Gegenteil der Fall sein: Wer nichts zu verlieren hat, hat oft die besten Karten.2

      Ein mächtiger und finanziell gutgestellter Mensch ist ein viel besserer Gegner als der kleine Mann. Denn die Reichen haben in einem Konflikt kaum etwas zu gewinnen, hingegen viel zu verlieren. Sie sind daher in der Regel nicht zu einem kompromisslosen Kampf bereit. Es gibt sicher Ausnahmen, aber die meisten setzen ihren Status und ihre finanzielle Sicherheit nicht in einer Auseinandersetzung mit einem kleinen Mann aufs Spiel. Ein Mächtiger kann in der modernen Gesellschaft einen »Niederen« kaum ohne Folgen zerstören. Wir »einfachen Leute« hingegen können gegen einen mächtigen Gegner fast immer gewinnen, selbst in der Niederlage, wenn diese seinen Ruf nachhaltig schädigt. Der kleine Mann, der weder Status noch irgendwelche Sicherheiten besitzt, wird ganz natürlich nach dem Prinzip der Biene kämpfen. Er hat nichts zu verlieren und wird zum gefährlichsten Gegner, den jemand haben kann. Das bekannteste Beispiel ist wohl Philipp

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