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so nahe, so greifbar war und mir (in gewisser Weise) zur Verfügung stand, in wenigen Stunden völlig unerreichbar wäre, nur noch ein Bild – bald sogar nur noch ein flüchtiges – in meiner Erinnerung. Und schließlich kam zwischen uns eine Art Scheu auf, weil jeder wusste, was der andere empfand. Es war sehr kalt geworden.

      »Bald geht es los«, sagte Ransom.

      »Erst wenn er – der Oyarsa – zurückkommt«, sagte ich, obwohl ich nun, da der Augenblick der Trennung so nahe war, wünschte, es wäre schon vorbei.

      »Er hat uns gar nicht verlassen«, sagte Ransom. »Er war die ganze Zeit hier im Haus.«

      »Sie meinen, er hat all diese Stunden im Nebenzimmer gewartet?«

      »Nicht gewartet. Das kennen sie gar nicht. Sie und ich, wir wissen, dass wir warten, weil wir Körper haben, die müde oder unruhig werden, und darum empfinden wir das Verstreichen der Zeit. Außerdem unterscheiden wir zwischen Pflicht und Freizeit und haben daher den Begriff der Muße. Das ist bei ihm nicht so. Er war die ganze Zeit hier, aber das können Sie ebenso wenig ›Warten‹ nennen, wie Sie seine gesamte Existenz als ›Warten‹ bezeichnen können. Genauso gut könnten Sie sagen, ein Baum warte im Wald, oder das Sonnenlicht warte am Hang eines Berges.« Ransom gähnte. »Ich bin müde«, sagte er, »und Sie sind es auch. Ich werde in meinem Sarg dort gut schlafen. Kommen Sie, wir tragen ihn hinaus.«

      Wir gingen ins Nebenzimmer, und ich musste mich vor der gesichtslosen Flamme aufstellen, die nicht wartete, sondern einfach war, und mit Ransom als Übersetzer wurde ich dort gewissermaßen vorgestellt und auf das große Vorhaben eingeschworen. Dann nahmen wir die Verdunkelung ab und ließen den grauen, trostlosen Morgen ein. Gemeinsam trugen wir Sarg und Deckel hinaus, die sich so kalt anfühlten, dass es uns die Finger zu verbrennen schien. Das Gras troff von Nachttau, und meine Schuhe waren sofort durchnässt. Der Eldil war mit uns dort draußen auf dem kleinen Rasenplatz; meine Augen konnten ihn im trüben Tageslicht kaum erkennen. Ransom zeigte mir die Verschlüsse des Deckels und wie er befestigt werden musste; dann standen wir eine Weile verloren herum, bis schließlich der letzte Augenblick kam. Er ging ins Haus und kam nackt wieder zum Vorschein, eine lange, weiße, fröstelnde, müde Vogelscheuche von einem Mann in der bleichen, nasskalten Morgenstunde. Sobald er in die abscheuliche Kiste gestiegen war, musste ich ihm eine dicke

      Augenbinde anlegen. Dann legte er sich hin. Ich dachte jetzt nicht an den Planeten Venus und glaubte nicht wirklich, dass ich Ransom jemals wiedersehen würde. Hätte ich es gewagt, so wäre ich von dem ganzen Vorhaben zurückgetreten: Aber das andere Ding – das Wesen, das nicht wartete – war da, und die Furcht vor ihm lastete auf mir. Mit einem Gefühl, das

      seitdem oft in Albträumen wiederkehrt, befestigte ich den kalten Deckel über dem lebendigen Mann und trat zurück. Im nächsten Augenblick war ich allein. Ich hatte nicht gesehen, wie er verschwand. Ich ging wieder hinein, und mir wurde übel. Einige Stunden später schloss ich das Haus ab und kehrte nach Oxford zurück.

      Die Monate verstrichen, wurden zu einem Jahr und sogar noch etwas mehr. Es gab Bombenangriffe, schlimme Nachrichten und enttäuschte Hoffnungen, und die Erde war voller Finsternis und grausamer Heimsuchungen. Dann kam eines Nachts Oyarsa wieder zu mir. Humphrey und ich mussten in aller Eile aufbrechen, stundenlang in überfüllten Zügen stehen und in frühen Morgenstunden auf zugigen Bahnsteigen warten, bis wir schließlich im klaren Morgensonnenlicht in der kleinen Unkrautwildnis standen, zu der Ransoms Garten inzwischen geworden war, und einen schwarzen Punkt am Himmel sahen; und dann war die Kiste plötzlich beinahe lautlos zwischen uns herabgeglitten. Wir machten uns an die Arbeit, und nach etwa anderthalb Minuten hatten wir den Deckel geöffnet.

      »Großer Gott! Ganz zerfetzt!«, rief ich beim ersten Blick ins Innere.

      »Moment«, sagte Humphrey. Da begann die Gestalt in dem Sarg sich zu regen und richtete sich auf, wobei sie eine Menge rotes Zeug abschüttelte, das Kopf und Schultern bedeckt hatte und das ich im ersten Augenblick für Fleisch und Blut gehalten hatte. Als es herunterfiel und vom Wind davongetragen wurde, sah ich, dass es Blumen waren. Ransom blinzelte ein wenig, dann rief er uns beim Namen, streckte jedem von uns eine Hand entgegen und stieg heraus ins Gras.

      »Wie geht es euch beiden?«, fragte er. »Ihr seht ziemlich mitgenommen aus.«

      Ich schwieg einen Augenblick, verblüfft über die Gestalt, die aus diesem engen Gehäuse gestiegen war – beinahe ein neuer Ransom, strahlend vor Gesundheit, mit kräftigen Muskeln und scheinbar zehn Jahre jünger. Früher hatte er bereits ein paar graue Strähnen gehabt; doch nun war der Bart, der ihm bis auf die Brust reichte, wie aus reinem Gold.

      »Oh, Sie haben sich in den Fuß geschnitten«, sagte Humphrey. Und dann sah auch ich, dass Ransom an der Ferse blutete.

      »Brr, es ist kalt hier unten«, sagte Ransom. »Hoffentlich haben Sie den Boiler angezündet und heißes Wasser gemacht. Und etwas zum Anziehen könnte ich auch gebrauchen.«

      »Ja«, sagte ich, während wir ihm ins Haus folgten. »Humphrey hat an alles gedacht. Ich fürchte, mir wäre es nicht eingefallen.«

      Ransom verschwand im Badezimmer, ließ die Tür offen und war bald in dichte Dampfwolken gehüllt. Humphrey und ich unterhielten uns mit ihm vom Treppenabsatz aus. Wir stellten ihm so viele Fragen, dass er sie kaum beantworten konnte.

      »Die Theorie von Schiaparelli ist ganz falsch«, rief er. »Es gibt dort einen gewöhnlichen Wechsel von Tag und Nacht.« Und: »Nein, meine Ferse tut nicht weh – oder jedenfalls noch nicht lange.« Und: »Danke, irgendwelche alten Sachen. Legen Sie sie einfach auf den Stuhl.« Und: »Nein, danke. Mir ist nicht nach Spiegeleiern und Schinken oder dergleichen. Obst ist nicht da, sagen Sie? Nun, macht nichts. Brot oder Haferbrei oder so etwas.« Und: »In fünf Minuten bin ich fertig.«

      Immer wieder fragte er, ob es uns wirklich gut ginge, er meinte wohl, wir sähen krank aus. Ich ging hinunter, um Frühstück zu machen; Humphrey wollte bleiben und die Schnittwunde an Ransoms Ferse untersuchen und verbinden. Als er wieder zu mir kam, betrachtete ich gerade eine der roten Blüten, die in der Kiste gelegen hatten.

      »Eine sehr schöne Blume«, sagte ich und reichte sie ihm.

      »Ja«, sagte Humphrey und untersuchte sie mit den Händen und Augen eines Naturwissenschaftlers. »Welch außerordentliche Zartheit! Ein Veilchen wirkt daneben wie gemeines Unkraut.«

      »Wir könnten ein paar von ihnen in Wasser legen.«

      »Hat keinen Zweck. Sehen Sie – sie ist schon verwelkt.«

      »Wie finden Sie Ransom?«

      »Im Großen und Ganzen scheint er in bester Verfassung. Aber diese Ferse gefällt mir nicht. Er sagt, sie blute schon lange.«

      Bald darauf gesellte Ransom sich fertig angezogen zu uns, und ich schenkte Tee ein. Den ganzen Tag und bis tief in die Nacht hinein erzählte er uns die folgende Geschichte.

      3 _______

      Wie es ist, in einem himmlischen Sarg zu reisen, hat Ransom nie beschrieben. Er sagte, er sei außer Stande dazu. Aber wenn er von ganz anderen Dingen sprach, machte er immer wieder die eine oder andere Andeutung über diese Reise.

      Seiner Darstellung zufolge war er nicht im üblichen Sinne bei Bewusstsein, dennoch war es eine sehr deutliche Erfahrung ganz eigener Art. Bei einer anderen Gelegenheit hatte einmal jemand über Lebenserfahrung gesprochen und sich dabei ganz allgemein auf das Umherschweifen in der Welt und das Zusammentreffen mit fremden Menschen bezogen. B., der dabei war (er ist Anthroposoph), sagte etwas, an das ich mich nicht genau erinnern kann, in dem der Ausdruck ›Lebenserfahrung‹ aber eine ganz andere Bedeutung hatte. Ich glaube, er bezog sich auf eine Art der Meditation, die den Anspruch erhob, »die Gestalt des Lebens selbst« erfahrbar, dem inneren Auge sichtbar zu machen. Jedenfalls musste Ransom sich einem langen Kreuzverhör aussetzen, da er durchblicken ließ, dass er mit diesem Ausdruck eine ganz genaue Vorstellung verband. Als wir in ihn drangen, ging er sogar so weit, zu sagen, das Leben sei ihm in diesem Zustand als eine ›farbige Form‹ erschienen. Nach der Art der Farbe gefragt, sah er uns verwundert an und konnte nur sagen: »Welche

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