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Sie, was sie jetzt macht?«

      »Sie geht nach St. Anne’s.«

      »Hat sie dort Freunde?«

      »Sie ist mit Cecil und mir in das Landhaus gezogen.«

      »Hat sie dort eine Stellung gefunden?«

      »Nun ja, ich nehme an, man kann es so nennen.«

      Mrs. Dimble ging um elf. Auch sie wollte anscheinend nach St. Anne’s, würde aber vorher noch ihren Mann treffen und mit ihm im Northumberland College zu Mittag essen. Jane ging mit ihr in die Stadt hinunter, um ein paar Einkäufe zu machen, und sie trennten sich am unteren Ende der Market Street. Kurz darauf traf Jane Mr. Curry.

      »Haben Sie die Neuigkeit schon gehört, Mrs. Studdock?«, fragte Curry. Er tat immer sehr bedeutsam und hatte stets

      einen etwas vertraulichen Ton. An diesem Morgen war beides noch auffälliger als sonst.

      »Nein. Was ist passiert?«, sagte Jane.

      Sie hielt Mr. Curry für einen aufgeblasenen Trottel und Mark für einen Dummkopf, weil er sich von ihm beeindrucken ließ. Aber sobald Curry zu sprechen begann, zeigte ihr Gesicht alle Verwunderung und Bestürzung, die er sich nur wünschen konnte. Und diesmal waren sie nicht geheuchelt. Er erzählte ihr, dass Mr. Hingest ermordet worden sei, irgendwann während der Nacht oder in den frühen Morgenstunden. Der Leichnam sei neben seinem Wagen in der Potters Lane gefunden worden, mit eingeschlagenem Schädel. Er war auf dem Weg von Belbury nach Edgestow gewesen. Er, Curry, eile gerade ins College zurück, um dem Rektor Bericht zu erstatten, er komme soeben von der Polizei. Offensichtlich hatte Curry sich den Mordfall bereits angeeignet. Die Angelegenheit lag in irgendeinem undefinierbaren Sinne in seinen Händen, und die Verantwortung lastete schwer auf ihm. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte Jane dies alles komisch gefunden. Sie entwischte ihm so bald wie möglich und ging zu Blackies, um eine Tasse Kaffee zu trinken. Sie musste sich hinsetzen.

      An sich machte Hingests Tod ihr nichts aus. Sie war ihm nur einmal begegnet und wie Mark der Ansicht, er sei ein unangenehmer alter Mann und ein ziemlicher Snob. Aber die Gewissheit, dass sie in ihrem Traum Zeugin einer wirklichen Mordtat geworden war, zertrümmerte mit einem Schlag alle tröstlichen Vorspiegelungen, mit denen dieser Tag begonnen hatte. Mit schmerzlicher Klarheit wurde ihr bewusst, dass die Sache mit ihren Träumen keineswegs beendet war, sondern gerade erst begann. Unwiderruflich war etwas in das heitere, umfriedete kleine Leben, das sie hatte führen wollen, eingebrochen. Auf allen Seiten öffneten sich Fenster in ungeheure dunkle Landschaften, und sie hatte nicht die Macht, sie zu schließen. Es würde sie um den Verstand bringen, wenn sie allein damit fertig werden müsste. Die andere Alternative war, wieder Miss Ironwood aufzusuchen. Aber dieser Weg schien nur noch tiefer in all diese Dunkelheit hineinzuführen. Das Landhaus in St. Anne’s – diese »Art Gesellschaft« – hatte auch etwas mit der Sache zu tun. Sie wollte da nicht hineingezogen werden. Es war ungerecht. Sie verlangte doch gar nicht viel vom Leben. Sie wollte nur in Ruhe gelassen werden. Und es war so widersinnig! Nach ihrer ganzen bisherigen Überzeugung konnte es solche Dinge nicht wirklich geben.

      6 _______

      Cosser – der sommersprossige Mann mit dem schmalen schwarzen Schnurrbart – kam auf Mark zu, als dieser die Ausschusssitzung verließ.

      »Es gibt etwas zu tun für uns beide«, sagte er. »Wir müssen einen Bericht über Cure Hardy zusammenstellen.«

      Mark war sehr erleichtert, etwas zu tun zu bekommen. Aber er fühlte sich ein wenig vor den Kopf gestoßen, denn er hatte Cosser nicht sehr gemocht, als er ihn am Vortag kennen gelernt hatte.

      »Soll das heißen«, sagte er, »dass ich nun doch Steele zugeordnet bin?«

      »Jawohl«, sagte Cosser.

      »Ich frage nur«, sagte Mark, »weil weder er noch Sie besonders erpicht darauf schienen, mich zu bekommen. Ich will mich nicht aufdrängen, wissen Sie. Ich brauche überhaupt nicht im Institut zu bleiben, was das angeht.«

      »Nun, wir wollen hier nicht darüber reden«, sagte Cosser. »Kommen Sie mit nach oben.«

      Sie standen in der Eingangshalle, und Mark sah Wither in Gedanken versunken auf sie zukommen.

      »Wäre es nicht besser, mit ihm zu reden und die ganze Sache zu klären?«, schlug Mark vor. Aber nachdem der Vizedirektor sich ihnen bis auf zehn Fuß genähert hatte, war er in eine andere Richtung abgebogen. Er summte vor sich hin und schien so tief in Gedanken versunken, dass Mark den Augenblick für eine Unterredung ungeeignet fand. Cosser sagte nichts, schien aber genauso zu denken, und so folgte Mark ihm hinauf zu einem Büro im dritten Stock.

      »Es geht um das Dorf Cure Hardy«, sagte Cosser, als sie sich gesetzt hatten. »Sehen Sie, sobald die Arbeiten richtig losgehen, wird diese ganze Gegend um den Bragdon-Wald nicht viel mehr als eine Schlammwüste sein. Warum wir ausgerechnet dorthin wollen, weiß der Teufel. Wie dem auch sei, nach dem neuesten Plan soll der Wynd umgeleitet werden. Das alte Flussbett durch Edgestow soll ganz trockengelegt werden.

      Sehen Sie, hier ist Shillingbridge, zehn Meilen nördlich der Stadt. Dort wird der Fluss umgeleitet und durch einen Kanal im Osten um Edgestow herumgeführt, hier, wo die blaue Linie verläuft. Dort unten mündet er dann wieder in das alte Flussbett.«

      »Damit wird die Universität kaum einverstanden sein«, sagte Mark. »Was wäre Edgestow ohne den Fluss?«

      »Die Universität haben wir in der Hand«, sagte Cosser. »Seien Sie unbesorgt. Und damit haben wir auch gar nichts zu tun. Die Sache ist die, dass der neue Wynd direkt durch Cure Hardy fließen wird. Nun sehen Sie sich einmal die Höhenlinien an. Cure Hardy liegt in einem engen kleinen Tal. Wie? Ach, Sie sind schon dort gewesen? Umso besser. Ich selbst kenne diese Gegend nicht. Also, der Gedanke war, am südlichen Talausgang einen Damm zu errichten und einen großen See aufzustauen. Als zweitwichtigste Stadt des Landes wird Edgestow eine neue Wasserversorgung brauchen.«

      »Und was geschieht mit Cure Hardy?«

      »Das ist ein weiterer Vorteil. Wir bauen vier Meilen weiter – da drüben, an der Bahnlinie – ein neues Musterdorf. Es wird Jules Hardy oder Wither Hardy heißen.«

      »Wissen Sie, das wird einen höllischen Stunk geben, wenn Sie mich fragen. Cure Hardy ist berühmt. Es ist eine Sehenswürdigkeit. Da gibt es ein Spital aus dem sechzehnten Jahrhundert und eine normannische Kirche und all so was.«

      »Genau. Und hier liegt unsere Aufgabe. Wir müssen einen Bericht über Cure Hardy verfassen. Morgen fahren wir hinaus und sehen uns einmal um, aber den größten Teil des Berichts können wir heute schon schreiben. Das dürfte nicht weiter schwierig sein. Wenn es eine Sehenswürdigkeit ist, können Sie sich darauf verlassen, dass es unhygienisch ist. Das ist der erste Punkt, den wir herausstreichen müssen. Dann müssen wir ein paar Tatsachen über die Bevölkerung herausfinden. Sie besteht wahrscheinlich zum überwiegenden Teil aus den beiden höchst unerwünschten Elementen – kleinen Rentnern und Landarbeitern.«

      »Der kleine Rentner ist ein schlechtes Element, darin gebe ich Ihnen Recht«, sagte Mark. »Aber ich denke, über die Landarbeiter lässt sich streiten.«

      »Das Institut hält nichts von ihnen. In einer durchgeplanten Gesellschaft stellen sie immer ein rückständiges und sehr widerspenstiges Element dar. Wir halten nicht viel von englischer Landwirtschaft. Sie sehen also, wir brauchen nur ein paar Fakten zu überprüfen. Davon abgesehen schreibt sich der Bericht beinahe von selbst.«

      Mark schwieg einen Augenblick. »Das ist kein Problem«, sagte er, »aber bevor ich damit anfange, möchte ich gern et-was Genaueres über meine Position wissen. Sollte ich nicht mit Steele sprechen? Ich habe keine große Lust, mit der Arbeit in dieser Abteilung anzufangen, wenn er mich nicht haben will.«

      »Das würde ich nicht tun«, sagte Cosser.

      »Warum nicht?«

      »Nun, zum einen kann Steele nichts gegen Sie machen, wenn der VD Sie unterstützt, wie er es einstweilen zu tun scheint. Zum anderen ist Steele ein ziemlich gefährlicher Mann. Wenn Sie

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