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Jahre länger, und das auch noch besser.

      Stell dir ein Leben vor, in dem du dich schon beim Aufwachen auf deinen Tag freust. Und das nicht, weil etwas Besonderes ansteht − kein Geburtstag, kein Urlaub. Nein, nur ein ganz normaler Tag. Aber trotzdem bist du so aufgeregt, dass du es kaum erwarten kannst, endlich aus dem Bett zu springen.

      Was Buettner bei diesen Menschen beobachtet, ist schlicht Ikigai − dass diese Leute den Grund ihres Daseins entdeckt haben. Dass sie auch in den profanen Pflichten ihres Alltags etwas Besonderes, Heiliges erkennen können, und es dementsprechend mit Würde tun.

      Wenn du aus einem jüdischen oder christlichen Hintergrund kommst, bist du Teil einer Tradition, in der der Gedanke, dass wir Menschen eine Berufung haben, nicht neu ist. Die Bibel bzw. die Thora beginnen mit einem poetischen Text, in dem die ersten Menschen von Gott eingeladen werden, ihre Begabungen zu leben und kreativ zu sein, um diese Welt schöner und besser zu machen. Der erste Satz über jeden Menschen – und damit auch über dich – lautet: „Du bist gewollt und begabt.“

      Die Okinawa, von denen ich eben erzählt habe, sind überzeugt: Wenn du dich auf die Suche nach deiner Bestimmung machst, nach dem, was dein Leben erfüllt und lebenswert macht (deinem Pfad, deiner Aufgabe, deiner Berufung – egal, wie du es nennst), wird dein Leben dadurch reicher und eine tägliche Quelle der Freude sein.

      Dan Büttner gibt zwei Beispiele aus ihrer Kultur: Ein 100-jähriger Fischer, der noch dreimal pro Woche fischen geht, sagt stolz: „Mein Ikigai ist es, meine Familie mit meiner Arbeit zu ernähren.“

      Auf die Frage, wie es sich anfühlt, ihre Groß-Groß-Großenkelin im Arm zu haben, sagt eine resolute 102-Jährige stolz: „Es fühlt sich an, als würde man in den Himmel springen!“

      Was lernen wir daraus?

      – IKIGAI muss nicht zwangsläufig nur deine Karriere betreffen.

      – IKIGAI zieht sich durch alle Aspekte deines Lebens: Hobbys, Beziehungen, Karriere, Spiritualität usw. Es umfasst dein gesamtes Dasein.

      – IKIGAI kann einem nicht aufgezwungen werden, es muss etwas sein, das wir für uns entdecken. Es geht nicht darum, jemanden zu kopieren oder jemand zu werden, der wir nicht sind.

      Also − warum stehst du jeden Morgen auf? Bei dieser Frage geht es nicht in erster Linie um die nächste große Idee, die die Welt verändern wird − obwohl das durchaus im Rahmen des Möglichen ist − , sondern vielmehr um dein alltägliches Leben. Die Aktivitäten, die dir Freude bringen, dir inneren Frieden schenken. Die dir helfen, so oft wie möglich ganz und gar in der Gegenwart zu leben.

      Neugierig geworden, wie man so etwas findet? Ich möchte dir in diesem Buch Geschichten erzählen. Geschichten aus meinem Leben, Geschichten von Freunden und ein paar Geschichten aus der Bibel. Diese haben eines gemeinsam: Alle handeln sie von Menschen, die sich auf den Weg gemacht haben, ihr Ikigai zu finden − oder die zumindest nicht schreiend weggelaufen sind, als ihr Ikigai sie gefunden hat.

      Falls du dir das für dein Leben wünschst, einen Grund, morgens erwartungsvoll aus dem Bett zu springen, dann habe ich für den Anfang sieben Fragen an dich:

      1. Was liebst du?

      Das ist hoffentlich eine Frage, die du leicht beantworten kannst.

      2. Was braucht diese Welt gerade?

      Du kannst es dir jetzt natürlich leicht machen und einfach die Antwort geben, die Mrs oder Mr Universe auch geben würden: Weltfrieden. Oder (auch immer eine gute Option): Hunger und Armut auf der Welt besiegen. Stimmt: Es gibt eine Vielzahl unglaublich großer Probleme, und es ist durchaus möglich, dass du die richtige Person bist, um eines davon zu lösen. Aber vielleicht reicht es ja für den Anfang auch eine Nummer kleiner? Meine Freundin Christine würde auf die Frage einfach antworten: „Diese Welt braucht besser organisierte Hochzeiten!“ Und sie hätte völlig Recht.

      3. Kann ich davon leben?

      Finanzen sind wichtig. Nicht für jeden Traum kannst du von jetzt auf gleich alles hinschmeißen. Vor allem nicht, wenn Menschen von dir abhängig sind. Aber wenn du etwas liebst und die Welt es wirklich braucht, gibt es garantiert Menschen, die bereit sind, dafür zu bezahlen.

      4. Was kann ich gut?

      Talente hat jeder. Es mag sein, dass du lieber andere hättest. Es mag sein, dass du etliche Dinge ausprobieren musst, um herauszufinden, was du eigentlich kannst. Es mag sein, dass du dich ausbilden lassen musst, bevor du deine Talente einsetzen kannst. Die Musiker, die du bewunderst, haben höchstwahrscheinlich mal Musikunterricht genommen. Das sind erstmal abschreckende Gedanken, aber eines kann ich dir versprechen: Es lohnt sich.

      Das sind die vier Fragen, denen Dan Buettner nachgeht. Ich habe auf meiner Suche noch drei weitere Fragen gefunden:

      5. Will meine Lebensgeschichte mir vielleicht etwas sagen?

      Jeder von uns hat eine individuelle Geschichte. Wir alle erleben Glücksmomente. Wir alle erleben Schicksalsschläge. Wenn du beginnst, auf diese Momente zu hören, können sie dich zu deinem Ikigai führen.

      6. Ist das gerade dran? Muss ich das tun? Entspricht das meinen Werten?

      Meine Freunde Mike und Jane sind mit Mitte 50 noch einmal Eltern von Teenagern geworden. Eigentlich waren sie gerade dabei, Pläne für ihren Ruhestand zu machen, in dem sie vor allem viel reisen wollten. Dann starb ein befreundetes Ehepaar, die Kinder im Teenageralter hinterließen. Mike und Jane haben feste Werte, und für sie war klar, was das Richtige war: Sie adoptierten die Kinder ihrer Freunde. Diese wurden während der nächsten Jahre zu ihrem ganz besonderen Grund, morgens aufzustehen.

      7. Was nervt dich?

      Was macht dich traurig? Was ärgert dich? Vielleicht hast du ja schon mal gestöhnt: „Jemand sollte echt mal …“ − und irgendwann gemerkt, dass du ja dieser „jemand“ sein könntest!?

      Diesen Fragen wollen wir in den nächsten Kapiteln nachgehen.

       II. Auf der Suche nach meinem Ikigai

       Wir sind unser ganzes Leben

       auf der Suche nach unserem Ikigai.

      Rob Bell

      1. Was liebst du?

      Kurz, nachdem ich bei der Bethel Baptist Church in Sechelt, Kanada, meinen ersten Vollzeitjob als Pastor angetreten hatte, traf ich auf den 82-jährigen Stuart, der im Großen Saal der Kirche auf einem wackligen Stuhl stand, um die Glühbirnen zu wechseln. Als ich ihm helfen wollte, sagte er nur freundlich: „Nein, lass mal, ich kümmere mich gerne um unser Gemeindehaus. Da weiß man am Ende des Tages, dass man etwas Produktives gemacht hat.“ Später habe ich herausgefunden, dass Stuart eine der erfolgreichsten Lebensmittelketten Kanadas aufgebaut hat, die er für eine ordentliche Stange Geld an den Milliardär James Peterson verkaufte. (In dessen Biographie werden Stuarts Können und seine Ausstrahlung übrigens ausführlich beschrieben.)

      Mehr als all diesen Erfolg liebte Stuart es, in seiner kleinen Gemeinde zu handwerkeln. Er hätte in feinen Klamotten auf teuren Partys mit wichtigen Managern und Politikern zusammen abhängen können, aber er hatte entdeckt, dass er das einfache Leben mit ehrlicher Arbeit und einfachen, ehrlichen Menschen mehr liebte. In diesem Kapitel möchte ich von Menschen erzählen, die das leben, was sie lieben.

       Mamas Küche und Gaddafis Tisch

      Auf einer Tagestour in Kalabrien entdeckten wir, auf der Suche nach einem Restaurant, einen ganz besonderen Ort. Wir waren einem Pfeil auf einem alten Schild gefolgt, aber als wir auf dem Parkplatz ankamen, sah es zunächst gar nicht aus, als ob man in diesem „Restaurant“ etwas zu essen bekäme. Wir gingen durch einen großen Saal, und meine Kinder versuchten mich davon zu überzeugen, zurück zum Auto zu gehen, weil sie es peinlich fanden, in einem fremden Haus herumzulaufen und die Bewohner zu fragen, ob das ein Restaurant sei.

      Doch dann öffnete sich uns eine

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