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Das Attentat auf die Berliner U-Bahn. Horst Bosetzky
Читать онлайн.Название Das Attentat auf die Berliner U-Bahn
Год выпуска 0
isbn 9783955522124
Автор произведения Horst Bosetzky
Жанр Зарубежные детективы
Издательство Автор
»Sie geben zu, diesen Hödel zu kennen?«
»Ja. Wieso, was ist mit dem?«
»Erst einmal wollen wir von Ihnen wissen, was Sie mit Hödel zu tun haben.«
Gottfried Ruppin ahnte, dass Hödel etwas Verbrecherisches getan hatte, denn er galt als politischer Wirrkopf. Also war er entsprechend vorsichtig. »Ich habe mit Hödel nie direkt zu tun gehabt, sondern ihn nur hin und wieder mal gesehen … aus der Ferne.«
»Und wo war das?«
»Auf der Straße …« Gottfried Ruppin versuchte, ruhig zu bleiben.
»Nicht etwa in einem sozialdemokratischen Verein?«, kam die Frage mit einiger Schärfe zurück.
»Hödel war doch bei Ludolf Stoecker.« Gottfried Ruppin gab sich naiv und versuchte, die beiden Kriminalbeamten auf eine falsche Spur zu locken. Ludolf Stoecker war evangelischer Hof- und Domprediger und erklärter Feind der Sozialdemokratie. Seiner Meinung nach war die Lage der Industriearbeiter allein durch christliche Nächstenliebe zu verbessern, so dass man nicht der Sozialdemokratie auf den Leim gehen, sondern sich mit den religiös und monarchistisch ausgerichteten Parteien verbünden sollte.
»Lassen Sie den Unfug, Ruppin, Sie sind doch in denselben sozialdemokratischen Vereinen gesehen worden, in denen auch Hödel verkehrt hat, zuletzt bei der Versammlung mit diesem Bernstein.«
»Ich habe nie ein persönliches Wort mit Hödel gewechselt!«, betonte Gottfried Ruppin. »Was in Gottes Namen hat er denn Schreckliches getan?«
»Er hat auf Seine Majestät, unseren Kaiser Wilhelm I., geschossen«, verriet ihm der ältere der Kriminalschutzleute.
Gottfried Ruppin musste sich an seinem Bettpfosten festhalten. Sie würden Hödel hängen oder mit der Guillotine köpfen und seine Komplizen lebenslang einsperren. »Ich habe nichts damit zu tun!«, rief er.
»Nein, nein!«, höhnte der zweite Kriminalbeamte. »Und das hier?« Er zeigte zur Wand, an der drei Strophen der Freiheitshymne hingen, gesungen am Heldengrabe im Friedrichshain am 4. Juni 1848.
Georg Grasmuck und Germanus Cammer hatten im eleganten Restaurant »Vier Jahreszeiten« Versöhnung gefeiert und waren dann in einer von Grasmucks eigenen Droschken nach Rixdorf gefahren, wo er in der Richardstraße einen Pferdestall und ein Fuhrgeschäft besaß. Dort stand zurzeit ein Holsteiner Hengst, den ihm ein insolvent gegangener Gutsbesitzer aus dem Fläming in Zahlung gegeben hatte, und für dieses Pferd interessierte sich Cammer. Schon lange träumte er davon, an den Abenden und Wochenenden einfach aufzusteigen und durch den nahen Thiergarten zu reiten.
»Du weißt ja, dass ich vom Lande komme«, sagte er zu Grasmuck, während sie durch die Hasenheide fuhren und den Rollkrug schon in Blickweite hatten. Man duzte sich nun wieder. »Aus der Uckermark. Mein Vater war dort Gutsverwalter, und ich hab täglich auf einem unserer Pferde gesessen.«
»Und warum bist du dann nicht zu den Ulanen gegangen?«, fragte Grasmuck.
»Ja, warum eigentlich? Meine Liebe zur Technik ist wohl meine größte Leidenschaft. Darum die Artillerie. Das war bei mir genauso wie bei Werner Siemens.«
»Hör auf mit dem Namen Siemens!«, rief Grasmuck. »Wenn dessen elektrische Bahnen kommen, kann ich mich aufhängen.«
»Oh, Entschuldigung.« Cammer merkte, dass er sich auf gefährliches Terrain begeben hatte und die eben neu besiegelte Freundschaft schnell wieder in Feindschaft umschlagen konnte. Also bemühte er sich abzuwiegeln, auch wenn er sich dabei gehörig verstellen musste. »Keine Angst, Georg, das dauert ja alles noch seine Zeit. Und bis in Berlin die ersten elektrischen Bahnen rollen, bist du Großvater geworden und hast deine Schäfchen schon lange im Trockenen.«
Grasmuck schwieg. Für ihn ging die Welt unter, wenn das Pferd aus dem Straßenbild verschwand. Pferd und Mensch gehörten zusammen. Pferde waren Leben, von Gott gewollt, Dampflokomotiven und elektrische Bahnen aber waren Teufelszeug und brachten den Menschen nur Tod und Elend. Und genau dafür stand Germanus Cammer, er war ein Diener des Dämons Technik, und schon reute es Grasmuck, mit ihm Frieden geschlossen zu haben. Besser wäre es gewesen, er hätte ihn über den Haufen geschossen. Tat er es, verzögerte sich das Aufkommen elektrischer Bahnen womöglich um Jahre, denn so schnell konnte man bei Siemens & Halske einen Fachmann wie Cammer bestimmt nicht ersetzen. Nur fünf Jahre Aufschub – und Hunderte von Pferden konnten aufgezogen und eingesetzt werden. Aber immerhin wollte Cammer ja etwas von ihm kaufen – und noch dazu ein Pferd. Dennoch …
Während sie den Rollkrug passierten und in die Bergstraße kamen, begann Grasmuck zu zittern wie vor einem epileptischen Anfall. Er hatte Angst vor sich selber, Angst davor, dass der nächste Schub seiner Krankheit kam und er nicht mehr wusste, wer er war und was er war. In einem solchen Zustand war er völlig unberechenbar. Bei seinem letzten Anfall hatte er sich auf seinen Kohlenhändler gestürzt und versucht, ihn zu erwürgen, weil er ihn für den Teufel hielt. Hinterher hatte er dem Mann viel Geld gezahlt, um zu verhindern, dass Anzeige erstattet wurde. Zu einem Arzt wagte Grasmuck nicht zu gehen, weil er fürchtete, ins Irrenhaus zu kommen.
Als sie vor dem Fuhrgeschäft in der Richardstraße angekommen waren, hatte Grasmuck seine Krise aber wieder überwunden. Er rief nach Krischan, doch die Stallwache saß wieder einmal im Krug. Es war ja auch nicht zu erwarten gewesen, dass Grasmuck heute noch nach Rixdorf kam.
»Jetzt reicht’s mir aber.« Grasmuck war verärgert. »Dabei hab ich ihm gesagt, dass er rausfliegt, wenn das noch mal passieren sollte.«
»Wir haben uns unsere Leute längst erzogen«, sagte Cammer. »Absolute Disziplin ist das A und O in jeder Fabrik.«
»Bei meiner Pferdebahn auch – der Fahrplan muss ja eingehalten werden. Hier im Stall sehe ich das nicht so eng, aber einer hat immer hier zu sein. Wenn ein Tier eine Kolik bekommt, wenn ein Feuer ausbricht …« Grasmuck sah sich um, aber es war noch so hell, dass er keine Stalllaterne anzünden musste.
Cammer wurde ungeduldig. »Wo steht denn nun der Hengst, den du mir …? Und wie heißt er eigentlich?«
»Ares«, antwortete Grasmuck. »Der Züchter hatte ein Faible für römische Götter.«
Cammer korrigierte ihn. »Ares war zwar ein griechischer Gott, aber das wäre kein Hinderungsgrund für mich, ihn zu erwerben. Wo steht er denn nun?«
»Dahinten am Fenster.« Grasmuck ging voran. »So ein edles Tier gehört eigentlich auf die Weide, aber ich komme erst nächste Woche wieder nach Neuruppin. Hast du denn einen Stall bei dir in der Nähe?«
»Ja, bei uns im Nebenhaus gibt es noch einen.« In diesem Augenblick erblickte Cammer das Pferd und war sofort hellauf begeistert. »Diese Blesse, genauso wie bei meinem Lieblingspferd früher auf dem Gut.«
Der Hengst wieherte und stieg ein wenig hoch, so dass Grasmuck Mühe hatte, ihn zu beruhigen und das Zaumzeug anzulegen. »Ares, wirst du wohl! Es geht doch nicht zum Abdecker, es geht doch nur auf den Hof.« Das Tier beruhigte sich, und er konnte es wagen, Cammer die Zügel in die Hand zu drücken. »Mach dich schon mal mit ihm vertraut, ich muss mal schnell auf den Abtritt. Das gute Essen vorhin …« Es pressierte, und Grasmuck rannte fast zu dem windschiefen, hölzernen Verschlag in der rechten hinteren Ecke des Platzes. Kaum hatte er die Tür hinter sich zugeschlagen, saß er auch schon auf dem Donnerbalken. Es war eine Erlösung, und er ließ ein wohliges Stöhnen hören.
Gerade hatte er sich gesäubert, als er vom Hof her ein kräftiges Schnauben und Wiehern hörte. Cammer fluchte. Dann schrie er auf, während der Hengst panisch über den Platz fegte und durchgehen wollte. Als Grasmuck die Toilettentür aufgestoßen hatte, sah er, wie Ares mit dem Leib gegen eine Bretterwand krachte. Offenbar hatte er Cammer abgeworfen, denn der Ingenieur lag regungslos neben dem ausgehöhlten Baumstamm, der als Tränke diente. Grasmuck riss sich die Hosen hoch und rannte hin. Fast wäre er selbst von dem Hengst umgerissen worden. Noch im Laufen entdeckte er die gewaltige Wunde, die Cammer rechts oben am Kopf hatte. Wahrscheinlich