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Job zu finden. Unsere Hoffnung lag in den Weinbergen und Obstplantagen – aber Ende September sind diese noch kahl und in den letzten Zügen der Winterstarre. Wir suchen dann erst mal unsere Wwoofing-Stelle: Cairnmuir Station liegt 15 Minuten außerhalb von Cromwell in Bannockburn.

      Farmleben pur!

      Wwoofing in Cromwell

      Lecker!

      Wir kommen auf der Farm an – kurz vor knapp, denn wir sollten um vier Uhr spätestens dort sein, war uns gesagt worden. Mit 15.50 Uhr sind wir also quasi zehn Minuten zu früh. Unsicher suchen wir das Haus. Am Straßenrand stehen zwei Hausnummern, es gehen zwei Schotterwege davon ab. Wir wollen gerade zu dem unteren Haus fahren, das mehr nach Farm aussieht, da winkt eine Frau vom oberen aus. Also doch zum anderen. Wir stellen Eddie vor der Tür ab und werden von Jackie begrüßt. Sofort herzlich und sehr freundlich und das, obwohl sie eigentlich auf heißen Kohlen sitzt: In einer halben Stunde will sie mit ihrem Mann Alistair und den beiden Kindern Blake und Georgia für den Abend ausgehen. Alistair ist allerdings noch auf der Farm unterwegs – Männer eben. Wir verbringen also unseren ersten Abend weitestgehend allein auf Cairnmuir Station. Mit uns ist nur der Wach- und Haushund Hiedi. Wir machen uns ein aufwendiges Essen in der großartigen Küche: Steak mit geschmorten Pilzen und Kartoffeln. Und nach der ersten Dusche seit drei Tagen schmeckt diese Mahlzeit noch besser. Kurz: Wir fühlen uns so richtig wohl! Als die vier zurück sind, müssen wir im Internet zeigen, wo wir wohnen. Das Interesse an uns ist groß, die Distanz untereinander von Anfang an klein. Wer hätte an diesem Abend gedacht, wie viel Zeit wir noch hier mit dieser Familie verbringen würden …

      Am nächsten Morgen beginnt die Arbeit. Weil die Schafschur, wobei wir laut Jackie helfen sollen, erst am folgenden Tag beginnt, kriegen wir eine Aufgabe im Garten: Unkraut jäten. „Arbeitet nicht zu hart, es ist Sonntag“, gibt uns Alistair auf den Weg. Da ich mir das Quad, ein allradgetriebenes Geländefahrzeug, einfach nehmen soll, wie Alistair schon am Abend zuvor gesagt hatte, bringen wir das gezupfte Unkraut damit zum Kompost. Bald wird klar, was unsere Hauptaufgabe bei der Familie ist: Als erste Wwoofer bei Jackie, Alistair und den Kindern überhaupt bringen wir in erster Linie internationales Flair in das Haus. Abends nimmt Alistair uns mit auf die Farm, wo wir die Schafe zusammentreiben– also eigentlich treiben mehr seine vier Schäferhunde und wir schauen nur zu. Trotzdem ist es interessant. Bei der Fahrt über den Farmweg in Alistairs Geländewagen rennt ein Kaninchen über den Hügel. Mit seinem Jagdgewehr erlegt er das Tier, denn Kaninchen sind in Central Otago eine schreckliche Plage – vor allem für die Farmer und Obstplantagen. Doch dazu später mehr. All dies ist schon am zweiten Tag sehr faszinierend und macht Vorfreude auf mehr. Die nächsten Tage müssen wir auf der Farm arbeiten. Zwar haben unsere Aufgaben nichts mit den Schafen zu tun, aber wir dürfen den Schafscherern zuschauen: Die Scherer eines externen Unternehmens arbeiten zu lauter Musik, wie am Fließband. Während von hinten Schafnachschub in das scheunenartige Wellblechgebäude getrieben wird, scheren vorne vier Personen je ein Schaf. Sie brauchen unter einer Minute, um die Wolle an einem Stück abzubekommen und schneiden dabei nur selten in die Haut. Anschließend wird das große Stück Wolle auf einer Art Tisch ausgebreitet. Dabei singt Queen „We will rock you!“ aus dem alten Radio. Auf dem Tisch zupfen einige Frauen die Ränder des Wollstücks ab und legen die Wolle zu einem kleinen Paket zusammen, das von einer anderen Person in Qualitätsstufen eingeordnet wird. Alistair hat Glück gehabt, er habe den besten dieser Qualitätsbestimmer in ganz Neuseeland bekommen. Quasi die Top-Rating-Agentur der neuseeländischen Landwirtschaft. Qualität wird bei Alistair ohnehin sehr groß geschrieben: Die Wolle seiner 4500 Merinoschafe geht an Icebreaker, ein sehr bekanntes Unternehmen, das nur Merino-Mode herstellt.

      Schafe scheren im Akkord

      Frisch geboren auf Cairnmuir Station

      An den nächsten Tagen müssen wir Sperrmüll bewegen, der dann in unserem Beisein mit Benzin zum Brennen gebracht wird, oder mit dem Quad in die Berge fahren, um Pinienbäume mit Handsägen zu fällen – harte Arbeit, die wir aber bei all dem Drumherum gerne machen. Denn wir fahren nicht nur allein mit dem Quad über Bruchteile der 6800 Hektar großen Farm, sondern erleben auch mit, wie ein wenige Minuten altes Lamm seine ersten Stehversuche macht. Die Pinienbäume, die sich in den teils steilen Tälern überall verstecken, sind für die Farm ein Problem. Sie vermehren sich stark und machen außerdem das Weideland kaputt. Für uns sind sie bei starkem Wind ein harter Gegner. Manche sind noch recht dünn, andere haben einen Durchmesser von über dreißig Zentimeter. Daher befreien wir einige der Nadelbäume nur von ihren Ästen und lassen den Stamm stehen – besser als gar nichts. An anderen Tagen brauchen oder eher dürfen wir gar nicht auf die Farm: Wir machen nochmals Gartenarbeit, bei der uns Sohn Blake hilft. Dabei können wir über die Außenmusikanlage auf der Terrasse Radio hören. Damit geht die Arbeit gleich viel besser. Genauso wie das Putzen, das ebenfalls auf unserem Dienstplan steht.

      Mit einer Motorsäge wäre es einfacher …

      Alistair kündigt schon am zweiten Tag an, seine Farmkollegen nach Jobs für uns fragen zu wollen. Leider haben diese um die Jahreszeit aber nichts zu tun. Da wir die Nachmittage ohnehin meist frei haben, wollen wir nach Clyde und Alexandra, zwei kleinen Städten östlich von Cromwell. Also machen wir uns auf den Weg, folgen weiter dem Ufer des Lake Dunstan bis nach Clyde. Rechts von uns, auf der anderen Seite des schmalen Sees, liegen die Hügel von Cairnmuir Station, unserer Wwoofing-Farm. Am Clyde Dam, dem Staudamm des Lake Dunstan, stoppen wir bei einem Aussichtspunkt. Schon über die letzten 15 Kilometer war mir bei Eddie ein neues Geräusch, ein Schlagen, aufgefallen. Vorsichtshalber schaue ich an diesem Aussichtspunkt unter den Wagen. Dort finde ich zwar nicht den Grund für das neue Geräusch, dafür tropft es aber aus dem Wagen wie ein nur halbherzig zugedrehter Wasserhahn. Plop. Plop. Plop. Verdammt! Was jetzt? Dass wir Probleme mit dem Kühlwasser haben, war uns ja schon bekannt. Am Anfang in Christchurch hatten wir sogar mal den Straßenservice des AA (neuseeländischer ADAC) wegen überhitzten Motors rufen müssen: Der Kühlwassertank war leer – ich hatte nur den Überlauf kontrolliert. Doch dass das Wasser nur so herausläuft, ist neu. Wir gehen also zu Fuß nach Clyde, damit sich der Wagen zum Nachfüllen des Kühlwassers abkühlen kann. Meine Stimmung ist mal wieder am Boden. Da lief in den letzten Tagen alles so reibungslos und jetzt das. Immerhin gibt es in Clyde im Mini-Supermarkt leckeres Eis samt Schokoüberguss, was Marias und meine Laune wieder etwas hebt. Und auch sonst ist Clyde ein nettes Örtchen am Fluss mit dem Ambiente einer amerikanischen Westernstadt. Denn es entstand einst wie viele andere Siedlungen Central Otagos im Goldrausch der Region. Außerdem liegt Clyde nahe dem See, hier beginnt der beliebte „Otago Central Rail Trail“, und das Städtchen profitiert davon, dass der stark befahrene State Highway 8 über eine Umgehungstrasse um das Dorf herumgelenkt wird. Alexandra müssen wir für heute streichen und wir fahren zurück nach Cromwell, um den Wagen zu einer Werkstatt zu bringen. Die Diagnose: Kaputte Wasserpumpe. Die Reparatur kostet uns um die 500 Dollar. Danach brauchen wir immerhin nicht mehr das Kühlwasser ständig nachzufüllen. Schmerzen tut diese stolze Summe trotzdem. Außerdem müssen wir uns überlegen, was wir als Nächstes machen. Denn die ursprünglich vereinbarten „drei bis vier Tage wwoofen“ sind vorbei. Jackie redet jetzt zwar von vielen weiteren Tagen, aber spätestens nach der teuren Reparatur könnten wir nun wirklich mal einen gut bezahlten Job gebrauchen.

      Am Clyde Dam tropft das Wasser aus unserem Kühler

      Unsere ganze Hoffnung liegt daher beim erneuten Versuch, Alexandra zu erreichen. Denn dort wollen wir

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