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es mir, das Haus auszublenden, mit etwas mehr Anstrengung konnte ich mir den gesamten Ort mitsamt der Kirche, den Straßen und Wäldern als einfach nicht da vorstellen. Der Gebirgszug, auf den ich blickte – das Tiroler Kaisergebirge –, war allerdings schwer wegzubekommen. Aber auch das gelang mir irgendwann. Ich machte Fortschritte, bis ich sogar die Erde wegradieren konnte.

      Meine Grenze waren die Sterne. Was wäre, wenn es auch die nicht mehr gäbe? Aber dann wäre ja nichts mehr da! Und was wäre dieses Nichts? Ich fand keine Lösung. Daraufhin habe ich mit diesem Spiel aufgehört. Was mir hingegen geblieben ist, ist dieses Gefühl von Leere. Was ist dieses Nichts? Das hat mich fasziniert. Kindlich naiv, jugendlich aktiv. Bis heute.

      Dieses Nichts, das ich als Kind entdeckte, nenne ich Neugierde. Die unbändige Lust, den Dingen auf den Grund zu gehen. Die Versuchung, herauszufinden, was wäre, wenn. Ohne es zu wissen, habe ich dabei eine Technik der Zukunft erlernt: Denken in Möglichkeitsräumen. Man sagt auch Szenario-Technik dazu. Wenn ich das nur schon früher gewusst hätte! Stattdessen habe ich meine Neugier-Schübe immer auf die gleiche Weise ausprobiert. Da war zum Beispiel der Impuls zu erkunden, wie es wäre, wenn ich in Tirol Techno-Raves veranstalte! Als 18-Jähriger habe ich mit Freunden einen Verein gegründet, um genau das in meiner Freizeit zu machen – obwohl das damals völlig unvorstellbar war. Oder was wäre, wenn ich mit zwanzig ein Unternehmen gründe, obwohl ich dafür überhaupt keine Vorbilder hatte. Auch das habe ich gemacht. Oder was wäre, wenn man Virtual Reality nutzt, um Möbelplanungen zu machen; in einer Zeit, in der etablierte Möbelhändler mit dem Aufkommen von Ikea kämpften. Wieder etwas, das ich gemacht habe. Stets blieb ich neugierig und in Probierlaune.

      Ganz offensichtlich war ich kein theoretischer Denker, eher ein Unternehmer. Gleichwohl habe ich früh verstanden, dass Theorie die Basis jeglicher Ideen sein sollte. Mit zwanzig habe ich mich nicht nur selbstständig gemacht, es war auch der Start in mein Leben mit den Büchern. Ich wollte auch auf Wissen bauen, das andere Menschen entwickelt und erforscht haben. Kein Tag vergeht seither, an dem ich nicht ein Buch in der Hand habe. Doch auch das Lesen war mir nicht genug. Buchinhalte sind das eine, der Mensch hinter den Zeilen noch mal etwas ganz anderes. Wie meine ich das? Wenn jemand ein Buch schreibt, reiht er Buchstaben aneinander. Als Leser interpretieren wir diese. Sie machen das übrigens auch gerade. Wenn man mit Autoren Gespräche führt, offenbaren sich Facetten, die nicht in Buchstaben passen. Hintergründe, biografische Begebenheiten, Emotionen. Betonungen, Motive und ungeklärte Assoziationen. Ich wollte die Menschen hinter den interessantesten Schriften kennenlernen. Dafür rief ich sie einfach an oder besuchte Veranstaltungen. Es ging mir um den persönlichen Kontakt. Dabei habe ich unterschiedlichste Erfahrungen gemacht. Es gibt Menschen, die schreiben Bücher, und wenn man sie trifft, kommt man drauf: Das Buch ist eigentlich schon das Interessanteste. Und es gibt Autoren, deren inspirierende Kraft und Vielfalt explodiert förmlich durch die Begegnung noch einmal neu.

      Auf diese Weise hatte ich inspirierende Begegnungen mit vielen interessanten Menschen. Mit einigen haben sich langjährige Freundschaften ergeben. Diese Gewohnheit halte ich seither aufrecht. Wie auch die Neugierde, die mich überhaupt antreibt. Dadurch habe ich viel gelernt: Was kann man eigentlich wissen, was ist Leben, was ist Wirklichkeit, wie geht man an komplexe Sachverhalte ran, wie sind Zusammenhänge zu begreifen? Ich bin immer wieder dankbar für die Lernchancen, die mir mein Leben bietet.

      Natürlich nimmt meine Neugierde viel Zeit in Anspruch. Manchmal vielleicht zu viel. Weshalb ich eine zweite Leitidee in meinem Leben eingeführt habe: die Leidenschaft für herausragende Qualität. Ich kann nicht jeden Autor anrufen, nur weil ich das Buch gut finde, auch kann ich nicht jeder Intuition folgen, obwohl es mich reizen würde. So habe ich mit der Zeit herausragende Qualität zu meinem Maßstab gemacht.

      Nach Qualität zu suchen, ist für mich inzwischen essenziell. Es macht den Unterschied und die Freude am Leben aus. Jeder von uns kennt das. Es gibt Bereiche, in denen man nicht auf Qualität verzichten möchte. Ob beim Espresso am Morgen, beim Besuch von Konzerten und Ausstellungen oder bei der Wahl der Seife.

      Wo Qualität einen hohen Stellenwert hat, begegnet man immer interessanten Menschen. Beim Winzer, im Technologielabor, im Hotel oder auf einem Filmset. Qualität zieht Menschen an, die sich auf etwas einlassen wollen. Das setzt Intensität und Freude voraus. Ich mag das. Außerdem lernt man enorm viel und schnell. Für mich war das tatsächlich ein Gewinn an Zeit. Ich habe verstanden, dass ich von den Besten am besten lerne. Ich suchte die Nähe immer unter dem Aspekt des offenen Lernens und Austauschs. Nach und nach wurde dabei mein Interesse auf einen Begriff gelenkt, nämlich: Zukunft. In diesem Wort fand ich so vieles wieder, was mich antreibt: Neugierde, die Qualität des Lernen-Wollens und die herausragenden Menschen, die sich damit beschäftigen.

      Zukunft ist offen und unsicher. Zukunft ist überraschend und voller Möglichkeiten, daher ein idealer Nährboden für jemanden, der sich per se dafür interessiert, wie sich die Dinge entwickeln, und es liebt, Fragen zu stellen. Fragen öffnen die Türen in die Zukunft, sie leiten uns, fokussieren unsere Aufmerksamkeit. Und sie regen zum Denken an, wohingegen Antworten unseren Denkprozess zunächst einmal beenden.

      Von wem kann ich nun lernen, wie die Zukunft funktioniert? Unweigerlich landete ich bei einer Institution, die sich »der einflussreichste Think Tank der Zukunftsforschung« nannte: das Zukunftsinstitut. Das hat, Sie können es erahnen, mein Interesse geweckt. Ich wollte wissen: Wer ist das, was tun die und wie tun die das? Bald lernte ich den Gründer kennen: Matthias Horx. Er hat im Jahr 1998 das Institut in der Nähe von Frankfurt am Main gegründet. Mit einem kleinen Team an Weggefährten baute er es die folgenden Jahre auf. Ziel: Den gesellschaftlichen Wandel beobachten und die Erkenntnisse den Unternehmen in Deutschland vermitteln. Recht schnell hat sich um die Jahrtausendwende diese Idee verbreitet. Angefeuert um die Aufregung des Jahres 2000 und dem damit aufkommenden Internet-Hype hat sich das Zukunftsinstitut im deutschsprachigen Raum schnell etabliert. Mit eigenen Trendstudien und Vorträgen erreichte man die Aufmerksamkeit von vielen Menschen in der Wirtschaft. Diese waren damals zukunftsfroh: Man hatte Hoffnungen und Ideen für die Zukunft, die neuen Technologien versprachen viel. Trend- und Zukunftsforscher waren geeignete Projektionsflächen, um sich an dem Neuen der Zukunft zu reiben. Und damit stimmte diese selbst gewählte Aussage: Das Zukunftsinstitut war recht schnell eine sehr einflussreiche Institution. Ein Denkraum für Vordenker. Die Geburtsstunde lag in einer Zeit, in der Aufbruchsstimmung herrschte. Der Wind wehte in Richtung Zukunft. Dies ebnete den Weg für eine qualitative Auseinandersetzung mit der Zukunft. Seit mehr als zehn Jahren bin ich nun Teil dieses Instituts.

      Seit 2013 in der Verantwortung als Geschäftsführer. Mit einem herausragenden Team darf ich jeden Tag meiner Neugierde folgen und an der Zukunft forschen. Die Voraussetzungen haben sich geändert: Heute ist Zukunft kein Hoffnungsraum mehr. Zukunft ist im Alltag angekommen. Auch in Ihrem.

      Heute ist die Zukunft omnipräsent. Sogar überpräsent. Zukunft ist still und leise zum Alltag geworden. Denken Sie beispielsweise an den Wetterbericht. Mittels Vorhersagen zum Wetter wollen wir uns auf die kommenden Tage einstellen. Was kann man unternehmen und wie sollte man sich kleiden? Wir versuchen der Zukunft die Unsicherheit zu nehmen, indem wir Prognosen folgen. Wird es regnen heute oder nicht? Häufig liegen diese Prognosen daneben. Aber das ist das Wesen von Prognosen. Sie haben nicht die Aufgabe, uns die Zukunft wirklich vorwegzunehmen. Sie sollen uns einen Rahmen geben, innerhalb dessen wir uns eine Zukunft vorstellen können. Man könnte sagen: Prognosen designen unsere Vorstellung von einer Zeit, die noch nicht da ist – eben wie beim Wetter. Prognosen sind Orientierungssysteme. Sie zeichnen ein Lagebild. Damit lernen wir einzuschätzen, was kommen könnte.

      Derartige Prognosesysteme gibt es viele. Ein weiteres Beispiel: Versicherungen. Überlegen Sie einmal kurz, wie viele Versicherungen Sie in Ihrem Leben schon abgeschlossen haben. Jede Versicherung ist eine Prognose. Versicherungen versuchen ein Risiko zu nehmen, das potenziell – aber sehr unwahrscheinlich – auf Sie zutreffen könnte. In der Zukunft natürlich. Dabei stellt

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