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Die Schuhleiche. Michael Schlinck
Читать онлайн.Название Die Schuhleiche
Год выпуска 0
isbn 9783960085027
Автор произведения Michael Schlinck
Жанр Триллеры
Издательство Автор
MEIN NEUER FREUND DER HANDWERKER
Nach einem ereignisarmen Sonntag im Schoße meiner Familie bin ich auf dem Weg ins Büro nach Landau. Es ist Montagfrüh kurz vor sieben. Die einzige Neuigkeit im aktuellen Fall ist die E-Mail von Lara mit der Akte zum Einbruch bei der Godramsteiner Spedition. Nichts Spektakuläres. Diebstahl der Mannschaftskasse und allerhand Sachbeschädigung. Wohl eher jugendliche Rabauken als professionelle Einbrecher. Umso wichtiger ist es, dass ich schnell dort hinkomme, um mir selbst ein Bild zu machen.
Schön ist, dass Laras Auto schon auf dem Hof des Präsidiums parkt. Nicht so schön ist, dass es mal wieder wie so oft mindestens zwei Parkplätze belegt. Zur Entschuldigung muss aber auch erwähnt sein, dass sie oft auch für zwei arbeitet.
Auf dem Weg nach oben ins Büro überhole ich sie dann auch schon im ersten Stock, was an ihrem äußerst attraktiven Erscheinen liegt. Der Weg in unser Büro ist für Lara so beschwerlich, weil sämtliche männlichen Kollegen der Schutz- und Verkehrspolizei sie dermaßen mit verbalen Blumensträußen überhäufen, dass es mich regelmäßig wundert, dass sie überhaupt oben ankommt. Zum Glück sind Timo und ich in festen Händen. Somit können wir uns wenigstens auf unsere Arbeit konzentrieren.
Oben angekommen, trifft mich fast der Schlag. In unserem kleinen Großraumbüro sieht es aus wie auf einer Baustelle. Auf den Möbeln sind Plastikplanen ausgelegt und am Boden entlang ist in schön gleichmäßigen Abständen ein Dreckhäufchen. Am Ende der Spur hinter dem Schreibtisch, an dem in der Regel Timo sitzt, kniet ein Arbeiter in einer Latzhose, die den Namen nicht mehr verdient. Zwischen den weit aufklaffenden Löchern ist so viel Gips und Schmutz, dass die Hose sicher auch ohne Inhalt aufrecht stehen bleiben würde.
„Was machen Sie denn hier?“, ist das Einzige, was ich zur Begrüßung meines Gastes über die Lippen bekomme.
„Jesses, bin ich awwer jetzard verschrogge (Gütiger Gott, welch ein Schreck)“, kommt mir in tiefster Eingeborenensprache entgegen. Da ich ja auch im Pfälzerwald aufgewachsen bin, macht mir der Dialekt keine Mühe.
„Ja, was esch dann do los? Ich misst dohin was schaffe (Was ist denn hier im Gange? In diesem Raum müsste ich mein Tagwerk verrichten).“ Damit hoffe ich, ihn zu vertreiben.
„Do sieht’s awwer schlechd aus. Ich muss noch ä Dos setze, schunnschd häb ich Ärcher mit meim Scheff. Kannschd nid noch ä bissel wu annerschd hie geh (Auf die Gefahr hin, dich zu enttäuschen, muss ich sagen, dass mein Anliegen ist, hier noch eine Anschlussdose anzubringen, denn ich scheue die Auseinandersetzung mit meinem Arbeitgeber. Würde es dir denn etwas ausmachen, noch in einer anderen Räumlichkeit die Wartezeit zu überbrücken)?“
Aha, beim Du sind wir inzwischen auch schon?! Das kann ich auch! „Wann du nid drunne in de Zell lande willschd, dann mach, dass du Land gewinnschd! Awwer plödzlich (Wenn du nicht im Arrest zu verweilen wünschst, dann breche deine Tätigkeit ab und dabei würde ich dir Eile empfehlen).“ Das sollte doch jetzt mal Wirkung zeigen.
„Dann schberr mich hald ei. Ich geh nid zu meim Scheff un sach ehm, dass mei Ärwid nid ferdich esch. Un ehr brauchen eich ach nimmi zu beschwere, dass des Internet nid richdich geht (Ich bevorzuge den Arrest anstatt der Möglichkeit, meinen Arbeitgeber darüber ins Bild zu setzen, dass ich meinen Auftrag nicht beendet habe. Zudem werde ich unsere Beschwerdestelle informieren, dass Reklamationen über eine unzureichend funktionierende Internetverbindung aus Ihrem Hause künftig zu ignorieren sind)!“
Deshalb ist der da! Endlich schnelles Internet. Der WLAN-Empfang hier unterm Dach ist mehr als dürftig und deshalb hab ich vor Wochen schon einen Direktanschluss beantragt. Unter diesen Umständen will ich den Dreckspatz natürlich gewähren lassen. „Wann beschd dann verdich (Wann darf ich den Abschluss der Arbeiten erwarten)?“, will ich noch wissen.
„Och, so ä gudes Schdinnel wärds noch dauere (Meiner Erfahrung nach zu urteilen, wäre ein Zeitrahmen von circa sechzig Minuten angemessen).“
Ohne Verabschiedung verlasse ich den Raum. Im Flur vor dem Büro begegnet mir Lara, die es inzwischen geschafft hat, sämtlichen männlichen Personen im Haus, die nicht der gleichgeschlechtlichen Liebe verfallen sind, einen Korb zu erteilen.
„Hallo, Laura, lass uns nach unten gehen. Hier oben haben wir Handwerker.“
„Du wirst, nachdem ich mich an dem ganzen sabbernden Volk vorbeigekämpft habe, nicht von mir erwarten, dass ich mich schon wieder nach unten begebe?!“ Kaum ist der Satz beendet, kommt der ohrenbetäubende Lärm einer Schlagbohrmaschine, die sich in Stahlbeton quält, aus unserem Arbeitsraum. „Gut, lass uns abhauen“, schreit Lara gegen den Lärm an. Fluchtartig wie beim Feueralarm stürzen wir gemeinsam die Treppe nach unten.
Im Erdgeschoss angekommen, bitte ich den Leiter der Schutzpolizei um ein Notquartier, der uns seiner Aussage nach aber nur die Ausnüchterungszelle anbieten kann. Ein schwarzer Montag, wie er im Buche steht.
„Bleib ganz ruhig, Dieter, ich mach das.“ Das ist wohl Laras Auftritt. Ich bin wirklich verblüfft, wie einfach so etwas gehen kann. Nur auf die Frage hin, ob er das wirklich ernst meine, und weil er sich wohl vorstellen kann, wie unangenehm es sein könnte, bei meiner Lieblingskollegin in Ungnade zu fallen, räumt er sein Büro und lädt uns auf unbegrenzte Zeit ein, seine Gäste zu sein.
Kaum habe ich Platz genommen, klingelt mein Handy. Noch während ich mich melde, reiße ich mein Mobiltelefon auf die komplette Armlänge von meinem Ohr weg. Was ich zu hören bekomme, muss wohl das Geräusch eines Presslufthammers sein. Ganz dünn ist auch Timos Stimme zu erkennen. Auf die komplette Armdistanz schreie ich: „Unten im Leiterbüro der Schutzpolizei“, und drücke sofort wieder auf den roten Knopf. Belustigt lächelt Lara zu mir herüber.
Da meine Laune inzwischen ihren Tiefpunkt erreicht hat, lasse ich mich wortlos an dem mir fremden Besprechungstisch nieder und versuche mit geschlossenen Augen, mich auf meine Aufgabe zu konzentrieren.
„Was ist denn da oben los?“ Mit diesen Worten reißt mich Timo aus meinen Gedanken, in denen ich noch nicht mal begonnen habe, meine To-do-Liste zusammenzustellen.
„Dir auch einen wunderschönen guten Morgen, lieber Kollege.“ In meiner Stimme liegt jetzt der unfreundlichste Unterton, den ich zu bieten habe.
„Entschuldigt, ihr beiden. Ich wünsche euch auch einen guten Morgen! Ich bin nur etwas aus der Spur geraten, als ich das Chaos in unserem Büro gesehen hab!“
„Ach das“, kann ich ihn beruhigen. „Das ist in einer Stunde Vergangenheit. Wir bekommen nur unseren Anschluss fürs High-Speed-Internet.“
„In einer Stunde?“ Warum klingt Timo so aufgeregt? „Das kann ich kaum glauben. Der nette Arbeiter stemmt gerade die halbe Wand auf, da er, wie er sagt, nur ein klein wenig eine elektrische Leitung angebohrt hat.“
Ich hab nun ernste Atembeschwerden. Da hab ich nun in meiner neu gegründeten Abteilung den ersten Fall und werde meiner Arbeitsräume beraubt. Kurz überlege ich, dem freundlichen Herrn einen Besuch abzustatten, verwerfe aber die Idee gleich wieder, um ihm die Möglichkeit zu gewähren, seinen Affront schnell aus der Welt zu schaffen.
So ein Morgen wirft mich total aus dem Konzept. Jetzt ist es längst überfällig, mal was Produktives zu tun! „Timo, wie beginnst du den Arbeitstag?“, versuche ich den ersten meiner Mitarbeiter in die richtigen Bahnen zu lenken.
„Sag was, Dieter. Ach, jetzt hätte ich fast vergessen, dich darüber zu informieren, dass der Wachmann auf dem Flur wartet, um seine Aussage zu Protokoll zu bringen.“
„Gut – das könntest du auch gleich übernehmen, Timo.“ Somit ist der Erste beschäftigt. „Auch der Lagerleiter sollte noch erscheinen, dessen Protokoll könntest