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Anguckallergie und Assoziationskettenrasseln. Inez Maus
Читать онлайн.Название Anguckallergie und Assoziationskettenrasseln
Год выпуска 0
isbn 9783957442833
Автор произведения Inez Maus
Жанр Биографии и Мемуары
Издательство Автор
Aber damit war dieses Thema noch nicht vom Tisch. Ein halbes Jahr bevor Jenny mich auf die Tomatis-Therapie ansprach, erzählte mir Anabels Mutter ganz aufgeregt, dass sie jetzt mit ihren beiden Töchtern an einer derartigen Therapie teilnahm. Die Kosten für Anabel übernahm der „Spastikerverband“, für Isabel musste sie nur sehr wenig bezahlen, weil es bei Zwillingen erhebliche Rabatte gab. Während die beiden Mädchen sich dieser Therapie unterzogen, besorgte ich mir alle verfügbaren Bücher von Alfred A. Tomatis und studierte sie. Auch nach dem Lesen der Originalliteratur war ich von der Methode nicht überzeugter als eineinhalb Jahre zuvor. Im Flyer der Fachgemeinschaft für Audio-Psycho-Phonologie verwirrte mich die Aussage, dass eine Unmenge von Störungen bis hin zu schwersten Behinderungen durch diese Behandlung gemildert oder geheilt werden könnten. Nach Beendigung der Therapie der Zwillinge befragte ich ihre Mutter nach den Erfolgen, in der Hoffnung, jetzt eine wundervolle Geschichte zu hören, damit auch wir uns auf diese Therapie stürzen konnten. Anabels Mutter erzählte mit leicht enttäuschter Stimme, dass sie das Gefühl habe, dass Anabel sich jetzt ein bisschen besser und ein wenig länger aufrichten konnte. Und Isabel, die etwas hyperaktiv und motorisch ungeschickt sei, schaffe es, über kleinere Hindernisse zu springen. Vor der Therapie sei sie mit Sicherheit das einzige Kind gewesen, welches hinfiel, wenn alle Kinder über ihre aufgereihten Schultaschen sprangen. Aber wie konnte man jetzt sagen, ob sich diese kleinen Fortschritte nicht auch ohne diese Therapie eingestellt hätten? Das war unmöglich, also beschlossen wir ein zweites Mal, von dieser Therapie Abstand zu nehmen. Umso mehr verwundert es mich im Nachhinein, warum wir dieses Thema noch ein drittes Mal aufgriffen. Dieses Mal las ich im Internet Unmengen von Fallberichten, welche mich ebenfalls nicht überzeugen konnten. Unsere dreimalige ablehnende Entscheidung war letztendlich wohl richtig, denn: „Es ist zu vermuten, dass unspezifische Effekte, die in Verbindung mit dem auditorischen Integrationstraining auftraten, wie mehr Aufmerksamkeit durch die Eltern, Üben von ruhigem Sitzen, Erwartung der Eltern, eher einen Einfluss zeigten als die Therapie selbst […]. Die auditorische Integrationstherapie ist deshalb als eine zu unspezifische Therapie zu werten, die für die Förderung von Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen nicht ausreicht […].“3
Erfahrungen mit „unspezifischen Effekten“ wie „mehr Aufmerksamkeit durch die Eltern“ konnten wir bereits mit Conrads Neurodermitis-Erkrankung sammeln. Diese brach unmittelbar nach Benjamins Geburt aus und wurde trotz verschiedener Behandlungen wie Bäder und Salben immer schlimmer. Leon stieß damals bei seinen Recherchen auf eine private Klinik in den Schweizer Alpen und schickte uns für zwei Wochen dorthin, während er sich zu Hause um Benjamin kümmerte. Jene Klinik versprach, durch eine spezielle Diät diese Hautkrankheit zu heilen. Der ärztliche Leiter der Klinik teilte mir damals mit, dass aufgrund der genetischen Prädisposition auch unser jüngerer Sohn sowie das ungeborene Kind in meinem Bauch davon betroffen sein werden. Tränenüberströmt saß ich nach diesem Gespräch, von Übelkeit geplagt, auf einer mondänen Treppe in der Klinik, weil ich glaubte, diese mir soeben eröffnete Herausforderung nicht zu meistern. Damals konnte ich nicht ahnen, dass die Hautprobleme der Kinder zu unseren Nebenproblemen zählen werden. Ich lernte, viele Gerichte nach dieser speziellen Diät zuzubereiten, und wendete meine Erkenntnisse nach unserer Rückkehr zu Hause an. Conrads Neurodermitis hatte sich allerdings schon vor der Reise deutlich gebessert, denn von dem Moment an, wo er von uns über die geplante Reise in Kenntnis gesetzt worden war, entspannte sich seine entzündete Haut. Wenige Wochen nach der Reise war er völlig beschwerdefrei und ist es seitdem auch nahezu geblieben, obwohl wir die anstrengende Diät nach Conrads Heilung schrittweise aufgegeben hatten. Die eigentliche Heilung für Conrad bestand wohl eher in der intensiven Zuwendung, die er in dieser Zeit erfahren hatte, denn Neurodermitis ist eine Hauterkrankung, die eng mit dem Zustand der Psyche verknüpft ist. Krankheitsschübe werden meistens durch emotionalen Stress ausgelöst. Die ausgedehnten Wanderungen in den malerischen Bergen, das aufregende Fahren mit der ratternden Zahnradbahn oder auch den spannenden Besuch einer Wasserfestung im Genfer See muss mein Erstgeborener als sorgenfreien Urlaub empfunden haben. Der Arzt, welcher mich damals beraten hatte, sollte leider recht behalten, denn sowohl Benjamin als auch Pascal mussten immer wieder mit Neurodermitis-Schüben kämpfen, diese Hautirritationen wurden aber glücklicherweise nie so schlimm wie seinerzeit die ihres älteren Bruders.
Zu unserem Klinikaufenthalt in der Schweiz drängt sich mir noch eine andere Erinnerung auf. Als ich eines Tages mit Conrad von einem Ausflug zurückkehrte und auf einen kleinen Spielplatz mit hölzernen Bergtieren zusteuerte, entdeckte ich dort eine Mutter mit einem niedlichen, rotblonden Mädchen. Als dieses Mädchen Conrad erblickte, rief es voller Freude: „Look Mummy! What a nice red balloon!“ Es schaute erwartungsfroh zu seiner Mutter auf und zeigte gleichzeitig mit seinem winzig kleinen Fingerchen auf Conrads prall gefüllten Luftballon, der allerdings nicht rot, sondern orange war. Dies versetzte mir einen tiefen Stich ins Herz, weil das kleine Mädchen in Benjamins Alter war und doch so viel mehr konnte. Über den Luftballon kam ich mit der Engländerin ins Gespräch und erfuhr, dass ihre Tochter vor wenigen Tagen zwei Jahre alt geworden war. Benjamin würde in zwölf Tagen ebenfalls dieses Alter erreichen. Absurderweise schockte mich dieses kleine Erlebnis so sehr, weil ich plötzlich feststellen musste, dass auch gleichaltrige Kinder anderer Nationalitäten weiter entwickelt waren als mein kleines Söhnchen. Bei nüchterner Betrachtung wäre mir das natürlich klar gewesen, aber in diesem Moment spielten mir meine Gefühle einen bösen Streich.
Die Gesamtelternvertretung von Benjamins Schule organisierte jedes Jahr eine klassenübergreifende Eltern-Schüler-Fahrt in Form eines verlängerten Wochenendes. In diesem Jahr beschloss ich, daran teilzunehmen, weil ich dies als gute Gelegenheit zum Austausch mit anderen Eltern und zum Kennenlernen von Schülern, welche die Schule meines Sohnes besuchten, empfand. Da Leon keinen Urlaub bekam, fuhr ich mit Benjamin und Conrad in dieses malerisch an einem See gelegene Camp. Gleich der erste Tag war mit Aktionen angefüllt, sodass bei Benjamin keine Langeweile aufkam. Nach der Fahrt mit einer Pferdekutsche, wo mein Sohn neben dem Kutscher auf dem Kutschbock sitzen durfte und darüber äußerst erfreut war, wanderte ich mit meinen Söhnen ins Nachbardorf, um dort üppig dekorierte Rieseneisbecher zu vertilgen. So verbrachten wir die Zeit bis zum Abend störungsfrei und fanden uns beim Dunkelwerden am großen Feuerplatz ein. Ein Lagerfeuer wurde entzündet und die Kinder konnten Spießbrot backen, wofür sie den Teig selbst hergestellt hatten. Zu meiner Enttäuschung und Entrüstung saßen die anderen Eltern jedoch phlegmatisch am Feuer, rauchten, tranken Alkohol in Gegenwart ihrer Kinder und redeten fast nur über Fußball. Da sich zudem auf früheren Fahrten bereits Cliquen gebildet hatten, fand ich keinen Anschluss. Anabels Mutter, die ebenfalls zum ersten Mal mit ihren beiden Töchtern an dieser Fahrt teilnahm, erging es genauso und so leisteten wir uns gegenseitig Gesellschaft.
Am folgenden Morgen erfuhren wir von der Leitung des Camps, dass das verlockende Seeufer verschilft sei und dass diese Seite des Sees aus Naturschutzgründen nicht zum Baden freigegeben war. Conrad hatte sich sehr auf das Baden gefreut und nachdem ich Benjamin im vergangenen Sommer zum ersten Mal in einen See gelockt hatte und er dabei seine Angst vor den winzigen, flink umherschwimmenden Stichlingen überwinden konnte, wollte ich dieses Erfolgserlebnis hier festigen, was aber nun bedauerlicherweise ins Wasser fiel. Zum Glück beinhaltete unser Gepäck die riesigen Wasserpistolen der Kinder und so lieferten sich Conrad und Isabel wenigstens ausgiebige Wasserschlachten. Mein mittlerer Sohn verbrachte den gesamten Vormittag damit, ganz allein in einem gigantischen Sandkasten zu sitzen und die warmen, blassgelben Körnchen beglückt durch seine Finger rieseln zu lassen. Ich wusste, dass er Stress abbauen musste, und ließ ihn gewähren. Am Nachmittag gelang es mir, Benjamin das Tischtennisspielen beizubringen, und wir besuchten eine Bastelstunde mit Naturmaterialien, wo mein Sohn durch eine elegante Raupe aus Kiefernzapfen das Aufsehen der anwesenden Erwachsenen erregte. Gegen Abend überzeugte ich Benjamin mühsam, zu den Jungen aus seiner Schule zum Billardspielen zu gehen, denn Billard konnte er bereits seit seinem vierten Geburtstag gut spielen. Ich begleitete ihn bis zur Tür des Clubraumes und beobachtete, wie er zielstrebig auf die Jungen zuging, etwas schwer Verständliches sagte und beherzt nach einem Queue griff. Ein wenig älterer, gehbehinderter Knabe stellte sich vor meinem Sohn auf und bellte ihn an: „Du lern erst