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hatte gerade „Das Zentrum des Zyklons“, das von Lillys Experimenten mit sensorischem Entzug handelte, gelesen. In diesem Buch erzählt er, wie er sich nach Stunden in seinem Isolationsbecken fühlte, wie sein Bewusstsein von seinem Körper weggetrieben wurde, über der Erde schwebte und zwei Engelswesen begegnete, die ihn durch viele Ebenen des Zweifels und der Angst in das Licht des reinen Bewusstseins führten.

      Ich gehe davon aus, dass auch ich solche Geistführer treffen werde. Wenn sie zu John Lilly gekommen sind, werden sie sicher auch für mich erscheinen. Ich fange an, sie zu rufen, sie zu visualisieren und verbringe Stunden mit mentaler Akrobatik, um „die Geistführer anzuziehen“. Sie erscheinen nicht.

      Frustriert begreife ich, dass ich mich von dieser Erwartungshaltung lösen muss. Ich konzentriere mich auf meine Atmung und versuche „einfach zu sein“.

      Doch das Thema Geistführer hat sich nicht erledigt, bald manifestiert sich eine neue Stimme, diesmal scheint sie etwas strenger. Spontan erinnert sie mich an eine meiner Lehrerinnen aus dem Kindergarten, die mich wegen eines Vergehens tadeln.

      „Warum versuchst du, die Erfahrung eines anderen zu kopieren?“, fragt die Lehrerin in mir. „Du bist nicht John Lilly. Warum solltest du die gleichen Führer haben? Lass das, sei DU selbst!“

      Leicht gesagt, aber nicht so leicht getan. Ich möchte wirklich diese Geistführer treffen. Es scheint, dass ich mich von etwas verabschieden soll, was ich noch nicht einmal gefunden habe, sich aber direkt um die nächste Ecke befindet. Hartnäckig setzt sich die Idee durch: Ich muss einen Lehrer, einen Liebhaber oder irgendjemanden finden, der mir hilft, in diese schwer fassbaren ekstatischen Zustände zu gelangen.

      „Ach, du willst also immer noch Miss Seligkeit sein und guten Zeiten nachjagen?“, sagt meine innere Lehrerin. „Nun, das kannst du vergessen. Denke daran, dass Lilly auf LSD war, also zählt nicht, was er erlebt hat. Wenn du Drogen nimmst, kannst du sechshundert Führer haben, die alle mit Karten und Kompassen bestückt sind, die alle wie die Kellner im La Coupole gekleidet sind und die Marseillaise singen.“

      Ich kichere über die lächerliche Vision, die ich geschaffen habe, und gebe zu: „Okay, sie hat recht.“ Vielleicht lauert in dem Wunsch nach Führern das Gefühl, nicht gut genug zu sein, um dieses Ziel alleine zu erreichen. Diese Erkenntnis macht es etwas einfacher, die Führer loszulassen – die sowieso nie gekommen sind.

      An der Tür klopft es, aber ich muss nicht öffnen. Es ist einer der Hotelbediensteten, der wie verabredet Wasser und ein Kilo Trauben bringt, unsere Ration für die Woche. Es muss also Abend sein.

      Der Umgang mit dem Bewusstsein und seinen Anforderungen ist mühsam, und ich beginne zu ahnen, dass die „Dämonen“, die ich auf dieser Reise treffen werde, keine gruseligen Bösewichte mit Hörnern und Schwanz sind. Nein, sie sind viel alltäglicher. Es sind Gefühle wie Ungeduld, Frustration, Langeweile, Verlangen. Die Dinge, die mich rastlos halten, immer auf der Suche nach etwas, was nicht hier ist, aber woanders.

      Ich stehe aus meinem Bett auf, taste blind herum, berühre Wände und Türen und schaffe es, ins Badezimmer zu gelangen. Zum Waschen meines Gesichts nehme ich die Augenbinde ab, halte meine Augen aber geschlossen und putze dann meine Zähne. Zurück ins Bett und schlafen.

      Gerade als ich wegdrifte, erscheint ein Gesicht. Ich habe diese Person noch nie zuvor gesehen. Er scheint Ostasiate oder Inder zu sein. Er hat große, runde Augen, blickt amüsiert, unendlich sanft und sagt: „Die Ekstase ist bereits in dir. Du brauchst nicht draußen nach ihr zu suchen.“ Dann verschwindet die Erscheinung.

      Das ist gigantisch. Ich denke an die vielen Male, in denen ich nach einem Lehrer, einem Führer, einem Liebhaber gesucht habe. Jemanden, der mir eine Anleitung gibt, die mir den Zugang zur Glückseligkeit verschafft. Ich war mir sicher, das Rezept irgendwo draußen in der Welt zu finden.

      Jetzt kann ich diese Idee fallenlassen. Dieser Bote, wer auch immer er sein mag, hat mir gerade gesagt, dass alles, was ich suche, hier ist, direkt vor meiner Nase. Sogar noch näher: in meinem Gehirn, meinem Körper.

      Als ich am nächsten Morgen aufwache, ist es für mich offensichtlich, dass mir ein Übungsplan dabei helfen wird, die Meditation zu vertiefen. Also beginne ich damit, mich zu dehnen und Yoga-Asanas zu machen. Dann meditiere ich. Daraufhin esse ich Trauben. Dann lege ich mich auf mein Bett, tue nichts und beobachte, wie sich mein Gedankenkarussell immer weiterdreht.

      Im Laufe der Stunden werde ich von der uninteressanten, sich ständig wiederholenden und automatischen Natur meines inneren Dialogs gedemütigt. Meine Gedanken bewegen sich wie eine Wüstenrennmaus in ihrem Laufrad, wiederholen die gleichen Geschichten, beanspruchen die gleiche Aufmerksamkeit, beackern die gleichen „Probleme“: meine Beziehungen zu Männern, Geldsorgen, eine vage Sehnsucht nach Glück und jede Menge unerledigter Dinge. Zusammen erzeugen sie eine familiäre mentale Atmosphäre, die den Stimmungen meiner Kindheit entspricht und mich zurück zu den Begegnungen, Gedanken und Gesprächen im Haus meiner Eltern führt.

      Bald fühle ich Ärger aufbrodeln. „Will mir mein Verstand sagen, dass sich im Grunde nichts geändert hat, seitdem ich ein Kind war?“, frage ich mich. Dass ich ein soziales Klima, eine Denkweise von meinen Eltern übernommen habe und jetzt dazu verdammt bin, diese für den Rest meines Lebens endlos zu wiederholen?

      Diese Idee behagt mir ganz und gar nicht. In meinem jugendlichen Enthusiasmus hatte ich mir immer vorgestellt, dass mein Verstand ein origineller Fundus an Brillanz sei, voller glitzernder Edelsteine der Weisheit, Einsicht und Erleuchtung.

      „Jetzt sieh ihn dir an!“, sage ich verächtlich. „Eine rostige alte Maschine, die Jahr für Jahr die gleichen alten Gedanken produziert!“

      Ich ringe jetzt mit meinem Verstand. Ein Teil von mir sagt zu meinen Gedanken: „Lasst mich in Ruhe! Ihr habt kein Recht, hier zu sein. Ihr seid ein Ärgernis. Geht weg!“

      Der Kampf in meinem Kopf währt den ganzen Tag. Ich bemerke, dass ich die Gegenwart meines Verstandes ablehne, er sich aber noch energischer in den Vordergrund drängt, und komme zu einer weiteren Erkenntnis: Ein Teil meines Verstandes ringt mit dem anderen, so dass jede Vorstellung, dass der Verstand irgendwie geleugnet oder weggeschoben werden kann, absurd ist. Wer will ihn wegschieben? Der Verstand!

      Es ist auch ein wenig unfair von mir, so auf meinen Verstand loszugehen. Schließlich managt er meinen Zeitplan, vereinbart Termine, hilft mir neue Dinge zu lernen.

      „Ich habe einen Job zu erledigen“, erklärt er. „Ich muss mich um dich kümmern und dich beschützen. Hör auf mich!“

      Trotzdem, frage ich mich: Gibt es eine Erfahrung außerhalb des Verstandes? Und da fange ich an, mich für die Lücken zwischen den Gedanken zu interessieren.

      Das ist etwas Neues, und ich denke stundenlang darüber nach, liege im Dunkeln auf meinem Bett, tue nichts außer gelegentlich aufzustehen, mich zu dehnen, ins Badezimmer zu gehen, einen Schluck Wasser zu trinken und an einer Traube zu kauen.

      Der Verstand scheint die Lücken zwischen meinen Gedanken nicht zu verstehen. Er kann nicht mit ihnen umgehen. Ein seltsamer Gedanke kommt mir in den Sinn: Vielleicht weiß er nicht einmal von ihnen! Schließlich, wenn er von einer Lücke wüsste, dann würde diese Lücke zu einem Gedanken an eine Lücke werden und sofort aufhören, eine Lücke zu sein! Ha!

      Ich mag diese neue Entdeckungsreise. Ich beobachte die Lücken und merke, dass sie nicht lange andauern, denn sobald eine Lücke entsteht, kommt der nächste Gedanke und füllt sie auf.

      Die Stunden vergehen. Ich langweile mich schließlich mit diesem Spiel mit den Gedanken und Lücken, und die Ungeduld kommt mit Nachdruck zu mir zurück. Das ist, wie ich sehe, meine größte Herausforderung, dieses ständige nagende Gefühl, dass noch mehr passieren muss.

      Vielleicht hat es etwas mit meiner Geburt zu tun. Ich wurde mit Hilfe einer Zange geholt. Meine Mutter konnte nicht fest genug pressen, also zog mich der Arzt mit einer Zange heraus, die meinen Kopf umfasste. Auch heute noch, wenn etwas nicht schnell genug in meinem Leben passiert, fühlt sich ein Teil von mir an, als würde ich ersticken.

      Am

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