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Fließband ihr Element des Gesamtwerks ab, ohne voneinander auch nur zu wissen; eine kollektive Einheit bilden die vollkommen vereinzelten Teilarbeiter in keinerlei Hinsicht ‚an sich‘, sondern nur für ihren Arbeitgeber. Um die von allen Rücksichten befreite Verfügung über ihre weltweiten Human Resources auftragsspezifisch optimal ausnutzen zu können, nehmen moderne Unternehmen differenzierte Bewertungen der Arbeitsleistungen, Zuverlässigkeit, Schnelligkeit usw. ihrer digitalen Scheinselbständigen vor, machen ihre Buchführung für diese transparent als Mittel für deren Leistungssteigerung – als Lohn winkt die erneute Inanspruchnahme bei der nächsten Auftragsvergabe – und gegen Bezahlung auch für andere Unternehmer, die sich damit Umstände für die Auswahl einer preiswerten und geeigneten Mannschaft ersparen. Der Unternehmergeist versteht es eben, mit dem Zugewinn an Autonomie für die lohnabhängigen Anhängsel etwas Vorteilhaftes anzufangen: Für den Betrieb erweist sie sich als Produktivkraft.

      Auf dieser Basis entwickeln große Unternehmen der „digitalen Wirtschaft“ für gewisse Bereiche das Interesse an der Haltung einer festen Kernbelegschaft. Die Funktionen der Koordination und Kontrolle, d.h. der Definition, Vergabe, Bewertung und des Zusammenführens der isolierten Unteraufträge, erfordern zum Teil gewisse Fertigkeiten, sind aber vor allem selbst die „Qualifikation“ für einen unbefristeten und überdurchschnittlich bezahlten Arbeitsplatz – und die Aussicht auf einen derart privilegierten Platz ist die wichtigste Lohnform für all die, die mit eng befristeten Zeitverträgen in dauerhafter Bewährungsprobe gehalten werden. Besonders in den Bereichen, wo die Innovationen projektiert werden (gerade in den Vorreiterkonzernen Google, Amazon, Intel usw.) und die Kenntnis um die Betriebsabläufe das Unternehmen nicht verlassen soll, bewährt sich die Beschäftigungsform der klassischen Belegschaft, um das Know-How in den besten Köpfen gleich mit einer Festanstellung „ans Unternehmen zu binden“, d.h. der Konkurrenz vorzuenthalten. Wo die Autonomie der digitalen Arbeiter nicht Mittel, sondern Hindernis ist, wird sie den Letzteren mit einem etwas zuverlässigeren, ggf. besser dotierten Einkommen so weit wie möglich abgekauft.

      In einer Hinsicht, und zwar in der einzig wesentlichen, ist der pragmatische Unternehmergeist dem Zeitgeist also ein ganzes Stück voraus. Während die Öffentlichkeit mit ihrem sachfremden Schema ‚Pro und Contra alte und neue Arbeitswelten‘ den ganzen Witz an der Sache verpasst und statt deren ökonomischen Zweck mit Vorliebe thematisiert, inwiefern es modernen Dienstkräften gelingt, im Unterschied zum langsam aussterbenden Mainstream der Angepassten ein selbstbestimmtes Leben zu führen – für dieses falsche Selbstbild ist ja wirklich nicht mehr erfordert, als dass sie für selbstverständlich halten, woran sie sich anpassen und abarbeiten, ihr Selbst so definieren, dass ihre Weise des Gelderwerbs zum integralen Bestandteil ihrer Identität wird, und gnadenlos davon abstrahieren, was sie davon haben, wenn sie die „verwirklichen“ –, kombinieren die Unternehmer vorurteilslos das Beste der beiden angeblich so verschiedenen Welten. Längst fordern die Arbeitgeberverbände unter Berufung auf das Diskriminierungsverbot auch für die analogen Arbeitsplätze die Befreiung von formell noch bestehenden Pflichten der Rücksichtnahme auf ihre Arbeitnehmerschaft, die in der digitalen Arbeitswelt längst „unrealistisch“ geworden sind: Arbeitszeitregulierung, gesetzliche und sittliche Vorschriften bei der Lohngestaltung usw. gehören ins vergangene Jahrtausend; sogar die konstruktive Mitbestimmung von Betriebsräten wird als „Verzögerungspotenzial“ bemerkt. So stellen sie abschließend klar, dass alle Freiheiten der „modernen“ Arbeitswelten voll und ganz der klassischen Logik der Rentabilitätssteigerung folgen und das Schlagwort „Digitalisierung“ nur dafür steht, dass die gesteigerten Anforderungen an die Arbeiter und ihre schlechtere Bezahlung als unwidersprechlicher subjektloser Sachzwang verstanden werden sollen.

      Die Logik wird ja auch längst ganz ohne digitale Technik verwirklicht.

      Auch im Bereich der Tätigkeiten, die nichts mit Computer und Internet zu tun haben, wird für Arbeitsplätze aller Art so reichlich gesorgt, dass die deutsche Wirtschaft insgesamt für ein „Jobwunder“ gelobt wird. Denn dass das ganze Volk fürs Kapital in Dienst genommen wird, also das Kapital es umfassend für seinen Erfolg benutzt, ist einfach in jeder Hinsicht wunderbar.

      Schließlich können auch die Lohnabhängigen der Republik von „Jobs“ gar nicht genug kriegen; das Wachstum von Arbeitsplätzen in einem inzwischen ein knappes Viertel der Arbeitsverhältnisse umfassenden Niedriglohnsektor bietet und sorgt zugleich für die Nachfrage auch nach Zweit- und Drittjobs. Ein gutes Jahrzehnt entkrusteter Arbeitsmarkt hat schon im Bereich der Produktion vielen weniger technisierten Bereichen wie dem ehrbaren Fleischerhandwerk, der Bau- und Landwirtschaft usw. dringend benötigte „Konkurrenzfähigkeit“ auf dem Wege der direkten Lohnsenkung verschafft, macht sich aber auch darüber hinaus segensreich bemerkbar. Im Bereich der Logistik lassen z.B. gleich mehrere Konkurrenten der Post ihre superbilligen Laufburschen nacheinander durch dieselben Treppenhäuser hetzen – ein grandioses Dokument dafür, dass die famose „Effektivität“ der marktwirtschaftlichen Kostenrechnung die größte Verschwendung menschlicher Arbeits- und Lebenskraft bedeutet. Die ‚pickers‘ und ‚packers‘ im Versandhandel, mit denen die Jobs im Einzelhandel rationalisiert werden, können über Unterforderung auch nicht klagen; und schließlich „entsteht“ eine ganze Menge Arbeitsplätze in Bereichen, die zuvor für kapitalistischen Einsatz von Arbeit uninteressant waren und die jetzt allein deshalb dafür interessant werden, weil für die Sache, die an ihnen zu erledigen ist, so erbärmlich wenig gezahlt werden muss.

      Dabei reicht die Strahlkraft des deutschen Jobwunders weit über die Landesgrenzen hinaus. Bedeutende Volksteile der Länder, in denen das deutsche Kapital erfolgreich die Gelegenheiten für den Lebensunterhalt der Menschen kaputtkonkurriert hat, suchen und finden auch zu einem beachtlichen Teil ihre Lebensperspektive in der untersten Abteilung des deutschen Proletariats: als Bewerber um Beschäftigung in Deutschland. Die Errungenschaft der Freizügigkeit nicht nur für Güter und Dienstleistungen, sondern für „die Menschen“ in Europa bewährt sich als Mittel des deutschen Kapitals, die von ihren Reproduktionsbedingungen freigesetzten Bevölkerungen halb Süd- und Osteuropas als seine Reservearmee, deren Armut als seine Produktivkraft zu benutzen.

      Indes profitieren nicht nur die Geschäftemacher davon, dass ihnen ein Niedriglohnsektor für ihren Profit zur Verfügung steht: Das Wachstum des Gewerbes von Putzfrauen, Kleinkindbetreuern, Pflegekräften und sonstigen DomestikInnen, aber auch Pizza- und Einkaufslieferdiensten verdankt sich schließlich maßgeblich dem Bedarf auch all der Alleinerzieher-, Doppelverdiener- und sonstigen Haushalte, die es sich leisten können, die „Kommerzialisierung aller Lebensbereiche“ dafür zu benutzen, die Wiederherstellung der Bedingungen ihrer umfassenden Inanspruchnahme am Arbeitsplatz hinzukriegen. Pfiffige Start-Up-Unternehmer tragen ein wenig digitale Disruption auch in diesen Bereich, wenn sie mit Internet-Plattformen Handwerkern und Dienstleistern aller Art die wunderbare Gelegenheit eröffnen, sich mit ihren Angeboten der Allgemeinheit zu präsentieren und sich gegenseitig niederzukonkurrieren, sodass die Dienstleistungen der einen Hälfte des Proletariats für die andere erschwinglich werden und sich dank der erhobenen Vermittlungsgebühren wenigstens für einen lohnen.

      In deutlichem Kontrast zu den Erfolgsmeldungen über ein „Jobwunder“ und eine „gut aufgestellte Industrie“ fällt eine Branche durchgehend mit negativen Schlagzeilen auf: das Kreditgewerbe. Unvergessen ist, dass es vor einem knappen Jahrzehnt mit seiner Spekulation nach allgemeiner Auffassung in größenwahnsinniger Selbstüberschätzung um ein Haar sämtliche ihm überantworteten gesellschaftlichen Vermögen und die ganze „Realwirtschaft“ „verzockt“ hätte. Alles, womit die Finanzwirtschaft seitdem von sich reden macht, bestätigt nur ihren Ruf als zwielichtiges, fürs Allgemeinwohl tendenziell bedrohliches Gewerbe: In jeden der zahllosen Skandale, die Medien und Justiz beschäftigen, sind irgendwie immer die wichtigsten deutschen Kreditinstitute mit verwickelt; und jedes Mal muss man erfahren, um wie viele Milliarden „der Steuerzahler“ von ihren undurchsichtigen bis kriminellen Machenschaften damit schon wieder betrogen worden ist. Und auch die Gefahr einer Wiederholung des GAUs, dass die Akteure auf den Finanzmärkten irgendein Ereignis zum Anlass nehmen, die Wirtschaft wieder in eine Katastrophe zu stürzen, ist

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