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Aus dem Leben listiger Großmütter. Ludwig Bröcker
Читать онлайн.Название Aus dem Leben listiger Großmütter
Год выпуска 0
isbn 9783962298166
Автор произведения Ludwig Bröcker
Жанр Контркультура
Издательство Автор
„Was reden sie fürn Quatsch!“
„Wieso Quatsch. Ich habe Ihrer Kollegin gesagt, sie seien mit dem Umschlag voller Geld aus dem Hinterausgang raus, und da hat sie dreimal nach ihnen gerufen: Fack, Fack, Fack.“
„Man! Fuck! Haben sie das wirklich gesagt?“
„Natürlich Herr Fack, sie geben ja selbst zu, dass sie so heißen, oder ist das nur ihr Künstlername? Dann zeigen sie mir doch ihren Personalausweis und nicht dieses lächerliche Stück Pappe von eben.“
In dem Moment meldete sich ihr Telefon. Lisbeth eilte nach oben und griff zum Hörer.
„ Ja, Ewald.“
„Hier ist Lena.“
„Du Miststück, dich erwisch ich auch noch.“
„Aber Großmama.“
O weh, das hatte Lisbeth noch mit halbem Ohr gehört, als sie die Beenden-Taste drückte. Das war ja die richtige Lena! Was tun? Sie atmete mehrmals durch und versuchte dann zurückzurufen, aber es ertönte das Besetzt- Zeichen. Dann versuchte sie es mit dem Handy, mit demselben Erfolg, doch es wurde ihr angeboten, eine SMS zu schicken. Auch das gelang nicht, denn das blöde Dings wollte immer was Anderes schreiben, als sie vorhatte. Ihr Sohn Konrad würde jetzt sagen: Typische Tyrannei der künstlichen Intelligenz über die natürliche.
Lisbeth war erschöpft. Aus dem Gefängnis hörte sie es rumpeln. Sie nahm den Hörer mit ins Wohnzimmer, verschloss alle Türen und ließ sich in einen Sessel fallen. Jetzt sollte sie die Polizei rufen, aber was würde passieren? Die Beamten kämen und fänden im Keller einen Mann im Klempneranzug. Das Schildchen mit der Aufschrift „Polizei“ hätte er schon längst entfernt. Der Kerl würde dreist behaupten, er wäre wegen einer geplanten Renovierung des Bads gerufen worden, aber die verrückte Alte habe ihn plötzlich eingesperrt. Dass sie verrückt geworden wäre, würde am Ende auch ihre eigene geliebte Enkeltochter bestätigen. Andererseits, den Typen einfach zu entlassen, kam auch nicht in Frage. Er würde sich rächen, er würde sie ausrauben und, schrecklichste aller Vorstellungen, er würde sie foltern.
Noch einmal versuchte Lisbeth, ihre Enkeltochter anzurufen, aber die Leitung war immer noch besetzt. Dann wagte sie sich doch auf den Flur, und weil sie aus dem Keller ein Gerumpel hörte, ging sie in den Vorgarten und lauschte, ob das wohl auf der Straße zu hören wäre, aber weil die ehemalige Ölleitung mit mehreren Kurven quer durch den Keller verlief, war allenfalls ganz schwach das Surren des Ventilators vernehmbar. Auf die Installation dieses Quirls war Helmut ja besonders stolz. Er saß irgendwo außerhalb des Bads, wo man gut „rankam“, und war synchron mit der Beleuchtung geschaltet. Jetzt fiel Lisbeth ein, dass sie schon früher festgestellt hatten, dass Konrads Duschraumgesänge von der Straße aus nicht zu hören waren.
Wieder schellte das Telefon. An der Leitung war Justus:
„Sag mal, Mama, was ist los? Eben hat uns Lena angerufen und die ganze Zeit geweint. Du hättest sie ausgeschimpft, ein Miststück genannt und aufgelegt.“
„Ja, es tut mir so leid, ein schreckliches Missverständnis!“
„Mama, alles in Ordnung bei dir?“
„Ja, nein, ich bin noch ganz durcheinander. Du hast doch sicher schon von solchen Enkeltrick-Betrügern gehört. Erst vor einer Woche wurde in unserer Zeitung vor denen gewarnt, und denk mal, einen haben sie wirklich geschnappt.“
„Denn ist ja gut.“
„Nichts ist gut. So eine hat bei mir angerufen und mit heiserer Stimme nur „hallo“ gesagt, und ich dumme Nuss dann: „Lena, bist du es?“
„Und dann?“
„Dann hat diese Person mich permanent angerufen, so getan als wenn sie Lena wär, mich vollgeschleimt, und irgendwann wollte sie Geld. Darauf falle ich natürlich nicht rein, Ich hab ja sofort gemerkt, dass da was nicht stimmt.“
„Mann, Mann, Mann!“
„Dann wollte ich die Polizei anrufen, damit diese Person geschnappt wird, und in dem Moment ruft Lena an, unsere richtige liebe Lena.“
„Ach, so ist das! Sollen wir vorbeikommen? Die ganze Aufregung ! Schaffst du das?“
Lisbeth war froh, dass Justus mit Familie in Hannover wohnte und nicht mehr in Münster, denn aus Münster wäre er sicher gekommen. So viel Unwahres hatte sie ja nicht erzählt, aber umso mehr Wahres verschwiegen. Sie sagte:
„Ich komm schon zurecht, ich geh gleich zu Uschi und Oskar rüber, um den Schrecken zu verdauen, aber bitte, tue mir einen Gefallen, ruf Lena an und erklär ihre alles. Ich melde mich später bei ihr. Noch bin ich zu aufgewühlt.“
Lisbeth ging leise zur Kellertreppe, lauschte und hörte das Geräusch vom Urinieren und Flatulieren, das ja im Allgemeinen nicht den Wohlklängen zuzuordnen ist, aber in diesem Fall löste es bei ihr ein Gefühl von etwas mehr Sicherheit aus. Dann ging sie beherzt hinunter, vorbei am Gefängnis, und rief:
„Ich mache jetzt meine Wäsche“, das Wort Wäsche beinahe singend wie eine kleine Terz: f-d, und verschwand im anderen Kellerraum.
Nach einer Weile näherte Lisbeth sich wieder der eisernen Tür, einen Korb mit trockener und gebügelter Wäsche haltend. Der Gefangene, der offenbar gelauscht hatte, um irgendetwas für seine Situation Zweckdienliches zu erfahren, hatte aber keinen Plan entwickelt und fing von Neuem an:
„Wie soll das weitergehen? Lassen sie mich hier raus! Das werden sie noch bereuen.“
„ Ich kann sie nicht rauslassen. Sie würden mich niederschlagen, foltern, ausrauben oder was weiß ich.“
„Ich verspreche Ihnen, dass ich das nicht tue.“
„Auf das Versprechen eines Enkeltrick-Betrügers kann ich nichts geben. Nebenbei, wenn sie draußen sind, werden sie gejagt von ihren Komplizen. Die werden auf sie einprügeln, und sie liegen auf dem Boden und jaulen: „Da war kein Geld, da war kein Geld.“
„Das lassen sie mal meine Sorge sein.“
Lisbeth wunderte sich, dass der Mann mehr und mehr mit einer jugendlichen Stimme sprach, wie ein zwanzigjähriger. Schließlich sagte sie: „Ich mache ihnen einen Vorschlag: Ich verlasse das Haus und rufe nach zehn Minuten die Polizei. In der Zwischenzeit nehmen sie ihre Kanone, schießen die Tür auf und verschwinden. So ein spektakuläres Ding würde sicher groß in der Zeitung stehen, und ihre Komplizen müssten ihnen glauben. Ob sie danach noch an irgendeinem Ding beteiligt werden, ist natürlich fraglich.“
Darauf schleppte Lisbeth den Wäschekorb nach oben, stellte ihn ab und verließ das Haus. Vor die Haustür legte sie ein Stöckchen. Dann ging sie rüber zu Uschi und Oskar.
4.
Uschi merkte sofort, dass ihre Freundin nervös war, etwas hastig in ihren Bewegungen und unkonzentriert beim Gespräch. Dann wollte Oskar wissen, was das für Leute waren an ihrer Tür, die in den dunkelblauen Anzügen. „Erzähle ich gleich“, sagte Lisbeth, um Zeit zu gewinnen. Dabei fragte sie sich, wie viele Geschichten noch zu erfinden wären bevor das Lügengebäude zusammenbricht.
Jetzt wäre es gut, eine Komplizin zu haben, so eine wie Uschi, aber, wie gesagt: Vorsicht. Uschi ihrerseits schlug vor, erst einmal einen Tee zu trinken. Obwohl es schon fünf Uhr vorbei war, und Lisbeth nach einem späten Tee schlecht schlafen konnte, fand sie das eine gute Idee. Inzwischen hatte sie sich eine Geschichte zurechtgelegt: Die Beiden in den dunkelblauen Anzügen wären Handwerkshausierer. Sie hätten schon mehrmals am Nachmittag bei ihr angerufen und wären schließlich persönlich gekommen, um ihr eine neue Haustür aufzuschwatzen. Die alte Tür wäre nicht sicher und so weiter. Es hätte sie Mühe und Nerven gekostet, die Typen loszuwerden. „Ich habe gesehen, wie die Frau auf der Straße gerannt und dann mit dem Auto davongefahren