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bekennen: Ich verstehe, dass ein Pastor sich Sorgen macht, die „Erlaubnis“ einer offenen Beteiligung könne misslingen. Der Grund für dieses Misslingen ist aber einfach: Vielleicht hat er das Volk Gottes einfach nicht zugerüstet, unter der Herrschaft Jesu Christi zu agieren.

      Man wird keineswegs angemessen zugerüstet, wenn man still die Kirchenbank drückt und Woche um Woche einer neuen Predigt lauscht. Die richtige Zurüstung bekommt das Volk Gottes von Christen, die fähig sind, das Wissen um die richtige Nachfolge weiterzugeben und zu zeigen, wie man die einzelnen Gaben in der Versammlung einsetzt. Solche Arbeiter rüsten die Heiligen zu (vgl. Eph 4,11-16). Danach tun diese Arbeiter etwas, das heute wohl nur wenige Pastoren wagen würden: Sie überlassen die neue Gemeinde sich selbst (vgl. Apg 13–20).

      Eine Versammlung mit offener Beteiligung wird sicherlich nicht immer so ordentlich ablaufen wie ein geregelter Gottesdienst, der streng dem Wochenplan folgt. Nichtsdestotrotz wird sie mehr von der Fülle Christi zeigen, als das ein menschliches Konstrukt hervorzubringen imstande wäre.

      In einem Treffen nach dem Muster des ersten Jahrhunderts kann es freilich vorkommen, dass es hie und da „Beiträge“ gibt, die wenig nützlich sind. Das trifft in besonderem Maße auf junge Gemeinden zu. Die Lösung heißt aber nicht: weg mit der offenen Beteiligung. Man muss den Übereifrigen zeigen, wie sie es besser machen können, und genauso jenen helfen, die wenig Erbauliches beitragen. Das lastet gerade im Gründungsstadium einer Gemeinde auf den Schultern der Gründer. Später übernehmen die Ältesten und Erfahreneren diese Rolle (siehe Kap. 9). Erinnern wir uns, wie Paulus dem Durcheinander in Korinth begegnete: Er schloss die Versammlungen nicht etwa und führte eine Liturgie ein, nein, er gab seinen Geschwistern Leitlinien an die Hand, aufgrund derer sie für Ordnung und Erbauung sorgen konnten (vgl. 1 Kor 14,1ff.).

      Paulus war darüber hinaus zuversichtlich, dass die Gemeinde diesen Leitlinien folgen würde. Das führt uns zu einem wichtigen Grundsatz: Jede Gemeinde des ersten Jahrhunderts war mit einem reisenden apostolischen Arbeiter verbunden, der ihr mit den anfallenden Problemen half. Manchmal kam diese Hilfe in Form von Briefen, manchmal stattete der Apostel der Gemeinde einen persönlichen Besuch ab.

      Auch heutige apostolische Arbeiter geben den Gemeinden solche Leitlinien, um internen Schwierigkeiten zu begegnen. Diese Leitlinien sind aber dazu konzipiert, die Gemeinde wieder in die Hände des Heiligen Geistes zu führen statt unter die Herrschaft starker Persönlichkeiten.

      Werden diese Leitlinien befolgt, dann braucht es keine menschliche Aufsicht, keine vorgegebene Liturgie oder vorgefertigten Abläufe. Wie schon gesagt, die Neigung, offene Treffen nach Art des ersten Jahrhunderts abzulehnen, verrät ein mangelndes Vertrauen in den Heiligen Geist.

      Verzeihen Sie mir meine persönlichen Vergleiche, aber in all den Jahren, in denen ich mit organischen Gemeinden gearbeitet habe, habe ich nie die Notwendigkeit verspürt, meine Zuflucht in Liturgie, Riten oder Amtshandlungen zu suchen. Ein großer Teil meines Dienstes bestand darin, Gottes Volk zuzurüsten, sodass es seinen Aufgaben nachkommen konnte. Dazu gehörte, die Übereifrigen zu bremsen und die Schüchternen zu ermutigen, sich öfter zu beteiligen.

      In 4. Mose 11 tritt zum allerersten Mal eine Art Klerikalismus auf. Der Geist des Herrn legte sich auf zwei seiner Diener, auf Eldad und Medad, und sie begannen zu prophezeien (Vv. 26-27). Eifrig tritt ein junger Zelot an Mose heran und ersucht ihn, den beiden „zu wehren“ (V. 28). Mose aber wies den jungen Eiferer zurück und sagte, er wünsche sich, dass das ganze Volk Gottes prophezeien möge.

      Moses Wunsch sollte sich zu Pfingsten erfüllen (vgl. Apg 2,17-18) und anschließend das ganze erste Jahrhundert hindurch (vgl. Apg 2,38-39; 1 Kor 14,1.31). Leider fehlt es im Reich Gottes nicht an solchen, die den Eldads und Medads Einhalt gebieten möchten.

      Haupt oder Herr?

      Die Bibel zeichnet einen sorgfältigen Unterschied zwischen Christus als Haupt und Christus als Herrn. Wenn es im Neuen Testament um Christus als Haupt geht, dann fast immer im Zusammenhang mit seiner Beziehung zu seinem Leib (vgl. Eph 1,22-23; 4,15; 5,23; Kol 1,18; 2,19). Die Herrschaft Christi dagegen meint fast immer seine Beziehung zum einzelnen Jünger (vgl. Mt 7,21-22; 10,24-25; Lk 6,46).

      Was die Herrschaft für den Einzelnen ist, ist die „Hauptschaft“ für die ganze Gemeinde. Hauptschaft und Herrschaft sind zwei Seiten derselben Münze. Hauptschaft bedeutet ausgeübte Herrschaft im gemeinschaftlichen Leben des Volkes Gottes.

      Es ist wichtig, diesen Unterschied zu begreifen, denn er hilft uns, die heutige Gemeindepraxis zu verstehen. Der Christ weiß für gewöhnlich um die Herrschaft Christi, jedoch oft nichts von seiner Hauptschaft. Der Gläubige mag sein eigenes Leben immerhin der Herrschaft Christi unterwerfen. Er mag dem gehorchen, was er aus der Schrift kennt. Er mag auch innig beten und ein aufopferndes Leben führen, doch zur selben Zeit mag er vielleicht ahnungslos bleiben in Bezug auf den gemeinsamen Dienst, die gegenseitige Unterordnung, authentische Gemeinschaft oder gemeinsames Zeugnis.

      Letztlich bedeutet die Unterordnung unter die Hauptschaft Jesu aber nichts anderes als dass man auf Jesu Willen im Leben und in der Praxis der Gemeinde eingeht. Es bedeutet, dass wir uns in jene Bahnen fügen, die Gott der Kirche vorgezeichnet hat, und uns ihnen ganz hingeben. Die Unterordnung unter die Hauptschaft Christi verkörpert die neutestamentliche Wirklichkeit: Jesus ist nicht nur Herr des Einzelnen, sondern auch das Haupt seiner Gemeinde.

      Mein Freund und Mentor Stephen Kaung trifft wohl ins Schwarze, wenn er sagt:

      Deshalb glaube ich, die Christen von heute glauben nur verstandesgemäß an die Lehre vom Priestertum der Gläubigen. Sie versagen jedoch in ihrer Ausübung dieses Priestertums, weil sie in der subtilen Falle tief verwurzelter Traditionen gefangen sind.

      Wie sieht es heute aus?

      Die vergangenen zwanzig Jahre hatte ich das Privileg, Hunderte Gemeindeversammlungen mit offener Beteiligung besuchen zu können. Einige davon waren einfach überwältigend. Diese Treffen haben sich mir ins Gedächtnis gebrannt. Andere waren ganz annehmbar. Wieder andere dagegen waren furchtbar, und dann waren da einige, über die man gar nicht reden mag.

      Während der institutionalisierte Gottesdienst von Haus aus perfekt abläuft, variieren organische Versammlungen abhängig von der geistlichen Verfassung und Vorbereitung jedes Einzelnen.

      Hierin liegt eine der Aufgaben eines apostolischen Arbeiters. Er muss das Volk Gottes in die Lage versetzen, dass es freie und doch geordnete Treffen durchführen kann, in denen Christus in seiner Fülle zum Ausdruck kommt.

      In all den Jahren, in denen ich organische Gemeinden besucht und selber gegründet habe, habe ich entdeckt: Es ist äußerst schwierig, jemandem zu beschreiben, wie eine Gemeinde unter der Leitung Christi aussieht, wenn er es nicht schon selbst miterlebt hat. Nichtsdestotrotz will ich mein Bestes geben, Ihnen eine Versammlung vor Augen zu malen, die Ihnen einen Geschmack davon gibt, wie ein solch herrliches Treffen aussehen kann.

      Es ist etwa zehn Jahre her, da traf sich eines Abends in einem Haus eine kleine Gemeinde von etwa fünfundzwanzig Christen. Eineinhalb Jahre hatte ich Jesus Christus in dieser Gemeinde gedient und zweiwöchentlich sogenannte „apostolische Treffen“ arrangiert. Das Ziel war, die Gemeinde so zuzurüsten, dass sie ohne menschliche Leitung alleine weitermachte.

      Dann kam jener Tag. Die Gemeinde sollte zum ersten Mal ganz auf sich selbst gestellt sein, also ohne mich.

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