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      Welche Rolle spielen hier nun die Selbstverwaltung und die Interessensvertretung des pflegerischen Berufsstandes?

      Gerade wenn es um die Sicherstellung der pflegerischen Versorgung auf Landesebene geht, kommt man an der Verkammerung des Pflegeberufs nicht vorbei. Es obliegt den Pflegekammern, alle Pflegefachpersonen in einem Bundesland zu registrieren und zur Sicherstellung der pflegerischen Versorgungsqualität die Fort- und Weiterbildung zu regeln. Gerade letzteres spielt insbesondere im Hinblick auf den Mangel an fachweitergebildeten Pflegenden in der Intensivpflege eine entscheidende Rolle, da diese nicht ohne weiteres durch Pflegende aus anderen Fachbereichen ersetzt werden können. Die vielen Versuche ausgeschiedene Pflegende zur Unterstützung in der Pflegeversorgung wieder zu gewinnen, nebst etlicher Initiativen und Register, die jedoch größtenteils unabhängig voneinander agieren, zeigen wie wichtig ein Überblick über Anzahl, Qualifikation und Erreichbarkeit von Pflegefachpersonen ist (Dichter, Kocks, Meyer, & Stephan, 2020; Mai, 2020). Darüber hinaus sind Pflegekammern relevant für die Beteiligung der professionellen Pflege an grundlegenden politischen Entscheidungen. Bislang wurden Einrichtungsträger, Kostenträger und die Kammern anderer Heilberufe selbstverständlich in Verhandlungen der Gesundheits- und Sozialpolitik miteinbezogen und an grundlegenden Entscheidungen beteiligt. Vertretende der professionellen Pflege werden zwar mittlerweile seit Ausbruch der Pandemie verstärkt angehört, jedoch hat ihre Stimme in politischen Entscheidungsprozessen kaum Gewicht.

      Die Verkammerung kann jedoch nur ein Baustein der pflegerischen Selbstverwaltung sein. So wurden bereits im Frühjahr mit Verweis auf die Aufrechterhaltung der allgemeinen Daseinsfürsorge Ausnahmeregelungen vom Arbeitszeitgesetz in den sog. systemrelevanten Berufen diskutiert und teils auch beschlossen, wie etwa die COVID-19-Arbeitszeitverordnung (Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2020) oder auch die niedersächsische Allgemeinverfügung (Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, 2020). Die genannten Verordnungen sahen eine Ausweitung der Arbeitszeit auf bis zu 12 Stunden täglich und bis zu 60 Stunden wöchentlich vor sowie eine Reduktion der täglichen Ruhezeit. Diese Einschränkung der Arbeitnehmerrechte ist insbesondere für die berufliche Pflege von hoher Relevanz, angesichts der damit einhergehenden gesundheitlichen Belastungen und Sicherheitsrisiken zusätzlich zur bereits bestehenden Überlastung. Hier zeigt sich die Bedeutung einer gewerkschaftlich gut organisierten Pflege, mit der das Ausreizen solcher Ausnahmeregelungen im Arbeitsalltag verhindert werden könnte.

      Die Rolle der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz

      In Rheinland-Pfalz steht die Landespflegekammer im ständigen Kontakt und Austausch mit den Gesundheitsministerien auf Bundes- und Landesebene, den Partnern im Gesundheitswesen und allen relevanten Landesbehörden. So ist sie vor allem in das Krisenmanagement des Landes eingebunden und fungiert dabei als zentraler Ansprechpartner zur Sicherstellung der pflegerischen Versorgung. Dabei ist sie auch eine wichtige Schnittstelle zwischen den Krisenstäben auf Landesebene und ihren Mitgliedern, den Pflegefachpersonen in Rheinland-Pfalz. So konnten die registrierten Pflegefachpersonen regelmäßig und zeitnah über die aktuelle Lage in ihrem Bundesland informiert werden. In Beratungsgesprächen erhielten die Mitglieder nicht nur Antwort auf konkrete Fragestellungen, wie dem Arbeitsschutz und Hygienerichtlinien, sondern sie gaben auch wichtige Hinweise über Situation und Problemlagen in der pflegerischen Versorgung, die dann im Krisenstab aufgegriffen werden konnten.

      Als absehbar war, dass man zur Ausweitung der Intensivkapazitäten auch auf Pflegende aus anderen Fachbereichen angewiesen war, wurde ein Curriculum entwickelt, um Pflegefachpersonen zur Aushilfe und Unterstützung auf Intensivstationen zu schulen und einzuarbeiten. Dies kann natürlich weder Fachweiterbildung noch Berufserfahrung in der Intensivpflege ersetzen, jedoch verhindert diese Maßnahme, dass Pflegende unvorbereitet auf Intensivstationen eingesetzt werden. Durch eine zentrale Meldestelle, die in Zusammenarbeit mit der Landesregierung eingerichtet wurde, ist es möglich, den Überblick darüber zu erhalten, wer diese Kurzqualifizierung durchführt und wie viele Pflegende zur Unterstützung für den Bedarfsfall zur Verfügung stehen.

      Darüber hinaus wurde ein zentraler Freiwilligenpool eingerichtet um Versorgungseinbrüche aufgrund der Pandemie, etwa, weil Pflegende einer Einrichtung sich in Quarantäne begeben mussten, aufzufangen und zu kompensieren. Pflegende, die in anderen Berufsfeldern oder gar anderen Berufen tätig sind, aber auch andere Personen mit einer Ausbildung im Gesundheitswesen (z. B. Pflegeassistenz oder Heilerziehungspflege) konnten sich freiwillig registrieren, um im Bedarfsfall in entsprechenden Einrichtungen zu unterstützen. Der Einsatz der Freiwilligen dient lediglich zur Sicherstellung der pflegerischen Versorgung im Krisenfall und erfolgt nach individueller Abstimmung. Alle Freiwilligen erhalten einen Arbeitsvertrag und eine ihrer Qualifikation entsprechenden Vergütung. Daneben werden Einrichtungen im Bedarfsfall auch zu organisatorischen Fragen beraten, wenn das dazu dient, die Situation vor Ort weiter zu entspannen. Um eine dauerhafte Erreichbarkeit im Ernstfall zu gewährleisten, wurde eine Hotline geschaltet, über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pflegekammer tagtäglich und zu jeder Uhrzeit erreichbar sind.

      Gerade die fachgerechte Umsetzung einer Kurzqualifikation für die Intensivstation oder eines Freiwilligenpools erfordert neben dem Kontakt zu den Pflegefachpersonen des Bundeslandes nicht zuletzt auch die Pflegefachexpertise, wie sie die Landespflegekammer mitbringt. So konnten zielführende und auch nachhaltige Entscheidungen getroffen und Zeit und Ressourcen sinnvoll eingesetzt werden, um die pflegerische Versorgung sicherzustellen und die Interessen der Pflegenden zu vertreten.

      Zum Jahresende hin kam der Landespflegekammer die Aufgabe zu, sich an der Organisation der COVID-19-Impfung von Pflegenden sowie der pflegerisch betreuten Menschen mit Pflegebedarf zu beteiligen und ihre Mitglieder über die Impfung zu informieren.

      Ausblick

      SARS-CoV-2 stellt das deutsche Gesundheitswesen und insbesondere die professionelle Pflege vor bislang ungeahnte Herausforderungen. Dabei ist noch ungewiss, ob durch diese Krise ein Umdenken einsetzen wird, das zu einer Weiterentwicklung des Pflegeberufs und daraus resultierenden Verbesserungen für die Berufsangehörigen führt. Die Solidaritätsbekundungen aus der Bevölkerung weisen darauf hin, dass Gesellschaft und Politik für die Notwendigkeit einer professionellen Pflege sensibilisiert sind. Somit sind jetzt die Weichen für die Zukunft zu stellen.

      Dabei spielt die Frage der Gehälter in der professionellen Pflege durchaus eine wichtige Rolle, möchte man langfristig viele Menschen für den Beruf gewinnen. Die Anhebung von Mindestlöhnen in der Altenpflege, das Pflegestärkungsgesetz und Debatten um einen allgemeinen Flächentarifvertrag sind dabei Schritte in die richtige Richtung. Das vielfach geforderte Einstiegsgehalt von 4 000 Euro für Pflegefachpersonen könnte im Gegensatz zu Einmalzahlungen und Prämien einen langfristigen Effekt bewirken.

      Des Weiteren braucht es eine Personalausstattung, die sich am tatsächlichen Bedarf der Menschen mit Pflegebedarf sowie der tatsächlichen Komplexität und Verantwortung in der pflegerischen Versorgung in Pflegeeinrichtungen und Kliniken orientiert. Die schon vor der Pandemie bestehende zu hohe Belastung in der pflegerischen Versorgung hat gesundheitliche Folgen für das Personal und verschärfte sich während der Pandemie. Dies stellt langfristig eine Gefahr für die pflegerische Versorgung der Bevölkerung dar. Daher wird es auch nach überstandener Pandemie wissenschaftlich fundierte Personalbemessungsinstrumente benötigen.

      Mit

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