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nächste ab; es bleibt kaum Raum zum Nachdenken und Reflektieren. Zum einen müssen sich ständig ändernde gesetzliche und regulatorische Vorgaben umgesetzt werden, zum anderen stellt der immer weiter zunehmende wirtschaftliche Druck im Gesundheitswesen Manager und Organisationen permanent vor neue Herausforderungen. Die digitale Transformation scheint dabei als Beschleuniger zu wirken. Digitale Arbeitswelten machen uns ständig erreichbar, lassen uns schneller kommunizieren und verdichten damit die Projekt- und Alltagsarbeit. Digitale Leistungs- und Steuerungsangebote im Gesundheitswesen verbessern Prozesse, Qualität und Management, stellen die Mitarbeitenden und Führungskräfte aber ebenfalls vor ständig neue Lern- und Anpassungsaufgaben. In diesem Umfeld müssen Manager erfolgreich ihre Aufgaben erfüllen und mit dem Stress umgehen, dem sie ausgesetzt sind. Sie müssen eine Vielzahl von Informationen verarbeiten, Entscheidungen treffen, Teams und die Organisation zielorientiert führen, motivieren, die Zusammenarbeit koordinieren, Veränderungen erklären, Umsetzungen und Ergebnisse nachhalten. Dabei müssen sie selbst dafür sorgen, dass sie gesund, handlungsfähig und motiviert bleiben. Mit all dem rückt eine erweiterte Führungskompetenz stark in den Fokus: Gelassenheit.

       5.1 Gelassenheit im Managementalltag des Gesundheitswesens

      Was verstehen wir als Kliniker und Praktiker unter Gelassenheit und was bringt sie in der Führungsebene?

      Befragt man Manager aus dem Krankenhaus- und Gesundheitswesen, was sie unter Gelassenheit als Führungskompetenz verstehen, ergeben sich die folgenden Attribute:

      

Selbstsicherheit verinnerlichen, die Situation lösen und bewältigen zu können

      

Ruhe und Nerven bewahren, statt affektiv zu handeln

      

Distanz und Vogelperspektive zur Bewertung der Situation und zur Lösungsfindung

      

sachlich und professionell bleiben

      

Konzentrationsfähigkeit und Zielorientierung trotz äußerer Ereignisse, Einflüsse und Gegebenheiten

      

Gesamtsituation im Blick behalten, statt sich von einzelnen Herausforderungen in der Zielerreichung ausbremsen zu lassen

      

Panik- und Affektreaktionen vermeiden und sachlich sowie professionell im Arbeitskontext bleiben

      

Konstruktiver, ziel- und lösungsorientierter Umgang mit anderen trotz herausfordernden Gesprächs- sowie Interaktionsszenarien

      

Kalibrieren der eigenen Emotionen und der eigenen Haltung bezüglich anderer Kollegen oder Mitarbeitenden und Vermeidung von subjektiven Interpretationen von Äußerungen oder Verhaltensweisen

      Gelassenheit versteht sich in Summe als elementare Fähigkeit, in stressigen, hektischen, kritischen oder unerwarteten Situationen eine reflektierte, ziel- und lösungsorientierte Kommunikations- und Handlungsweise beizubehalten und unsachliches Verhalten oder Affekt(re)aktionen zu vermeiden. So strahlt eine Führungskraft auch in kritischen Situationen innerliche Ruhe aus und bleibt entscheidungsfähig, vertrauenserweckend und konstruktiv. Bei exzellenten Notfallmedizinern und Chirurgen, Einsatzleitern wie auch Schockraumteams beispielsweise, lässt sich diese Fähigkeit immer wieder beobachten – je kritischer und hektischer die Situation wird, desto ruhiger werden diese Menschen und treffen dann schnell, zielgerichtet und klar die richtigen oder situationsangemessenen Entscheidungen.

      Für eine Führungskraft ist diese Fähigkeit insbesondere vor dem Hintergrund von nahezu dauerhaften Veränderungsprozessen ebenfalls enorm wichtig, auch wenn es nicht um „Leben und Tod“ geht. Zum einen hat die Führungskraft die Verantwortung für das Funktionieren der Organisation inklusive dazugehöriger Prozesse, zum anderen ist sie Vorbild für die Mitarbeitenden – in einem hektischen, fordernden und veränderungsgeprägten Arbeitsumfeld. Veränderungen sowie die daraus abgeleiteten Maßnahmen können aber nur erfolgreich umgesetzt sein, wenn die Mitarbeitenden eingebunden und nicht mit unbeweglichen Lösungen lediglich konfrontiert werden.

       5.2 Ebenen und Situationen der Gelassenheit

      Gelassenheit ist im Arbeitsalltag einer Führungskraft auf zwei Ebenen relevant: auf der Ebene der einzelnen Führungskraft im individuellen Selbstmanagement sowie interaktiv in der Führung des Teams und Zusammenarbeit mit dem Kollegium.

      Im Selbstmanagement dient Gelassenheit als Grundlage für eine langfristige Arbeitsfähigkeit und einen gesunden Selbsterhalt, zur Vermeidung von Burn-Out und anderen psychischen wie auch physischen Erkrankungen und als wichtiges Element in der Steigerung der eigenen Zufriedenheit. Hier geht es insbesondere um die Fähigkeit, auch bei hoher Arbeitsbelastung, vielen Aufgaben und Stressoren reflektiert und entscheidungsfähig zu bleiben und die richtigen Prioritäten in der eigenen Arbeit zu setzen. Zugleich ist Gelassenheit im Selbstmanagement damit auch wesentliche Voraussetzung für Gelassenheit in der Interaktion mit Mitarbeitenden und in Teams – und damit für die Wirksamkeit als Manager.

      In der Interaktion mit Mitarbeitern und im Team zeichnet sich Gelassenheit bei Führungskräften durch reflektierte, nicht-affektive und konstruktive Kommunikation aus (sowohl non-verbal als auch verbal), welche zielorientiert bleibt und die anderen Teammitglieder wertschätzend einbindet. Wichtig ist dabei auch die Lösungsorientierung und nicht das Reagieren auf eine Emotion mit Konsequenzen für die Teamebene. Basisbildend ist dabei die Vorbildfunktion im Team und Kollegium: denn das Verhalten einer Führungskraft wirkt sich immer auf ihr gesamtes Team aus und spiegelt sich in Einstellung und Verhalten der Mitarbeitenden wider.

      Drei besondere Punkte im Zusammenhang mit Gelassenheit von Führungskräften in Interaktionen mit Anderen scheinen in diesem Kontext besonders wichtig:

      1.Häufig begegnet man noch der impliziten Erwartungshaltung, dass nur ein auch nach außen hin sichtlich gestresster Manager besonders wichtig und erfolgreich ist. Die eigene Bedeutung scheint mit dem Level an Stress zu korrelieren. Wirksamkeit als Manager ist allerdings meist genau das Gegenteil. Ein Manager, der gelassen und ruhig bleibt, Entscheidungen nachvollziehbar trifft und transparent kommuniziert statt sie auszusitzen und Vertrauen, Respekt und Wertschätzung ins Team spiegelt, ist langfristig wirkungsvoll und erfolgreich – wie auch sein Team innerhalb der Gesamtorganisation.

      2.Damit zusammenhängend scheint sich immer noch das Klischee zu halten, ein guter und erfolgreicher Chef müsse unberechenbar und durch seine Härte unbeliebt sein (dürfen). Das Zerrbild des cholerischen, aber genialen Chefarztes mag hier eine Blaupause sein. Auch hier ist das Gegenteil der Fall. Erfolgreiche und wirksame Manager sind für ihre Teammitglieder berechenbar, da sie ihre Erwartungen, Ansprüche und Werte klar kommunizieren und vorleben. Unberechenbarkeit und cholerisches Verhalten sind ein Ausdruck fehlender Selbstkontrolle und mangelndem Umgang mit eigenen Emotionen und einer wenig ausgeprägten Impulskontrolle ohne Sinn für Konsequenzen.

      3.Wenn es Führungskräften in kritischen, stressigen Situationen nicht gelingt, Gelassenheit zu zeigen, sondern sie gestresst, überfordert und cholerisch reagieren, zeigen sie ihren Mitarbeitenden, Co-Führungskräften und ggf. auch externen Gesprächs- und Verhandlungspartnern ihre „Trigger-Punkte“. Damit machen sie sich zum einen angreifbar und in gewisser Weise auch manipulierbar. Zum anderen unterdrücken sie damit eine vertrauensvolle Kommunikation und das offene Ansprechen von Fehlern und Problemen. Derartig geführte Abteilungen weisen geringe Innovations-

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