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wurden und die rabiaten Bemühungen der Reproduktionstechniker um die Ersetzung der Mutter waren zutiefst verstörend. So begann meine Arbeit daran, das herrschende Mutterbild zu hinterfragen.

      In diesem Kapitel werde ich damit beginnen, den öffentlichen Diskurs zu beschreiben. Ich werde die Frage verfolgen, warum Mütter sich in der Falle befinden, und die Rolle diskutieren, die der Feminismus in dieser Debatte spielt. Die Kritische Patriarchatstheorie wird die folgenschwere Niederlage der „patriarchalen Mutter“ zeigen, die ihren Nachwuchs unter extremen Bedingungen immer noch betreut. Währenddessen ist die Abschaffung ihres Körpers das Ziel technologischer Experimente, um das mutterlose Leben zu erschaffen. Die Analyse wird auch zeigen, wie sich das Denken durchsetzen konnte, dies sei zu ihrem eigenen Wohl.

      Der öffentliche Diskurs

      Der öffentliche Diskurs ist von zwei Themen geprägt: Das eine ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, also die ökonomische Seite, und das andere sind die Fortpflanzung, die Geburtenraten und deren politische Implikationen.

      In jüngster Zeit gibt es eine Reihe von Publikationen von berufstätigen Frauen, die die Propagierung der berufstätigen Mutter kritisch unter die Lupe nehmen. Dass Frauen „alles haben können“ (z.B. Sandberg 2013) bestreiten mittlerweile andere (Slaughter 2016). Von liberaler feministischer Seite wird wiederum der Verzicht auf die Mutterschaft vorgeschlagen: „Mutter sein. Nein danke“ titelt Emma im Frühjahr 2016 (Emma März/April 2016). Nur [40] Kinderlosigkeit bewahre vor Benachteiligung und Überforderung oder Zynismus: statt der „Übermutter“ setzt sich Emma für die „Rabenmutter“ ein. Allerdings wird eingeräumt, diese Haltung schütze auch nicht gegen den politischen und populären Zwang, dass jede Frau Mutter sein müsse.

      In Europa wird die sozialdemokratische Ansicht, in den USA der liberale Feminismus vertreten, die annehmen, Arbeit und Karriere würden zur Frauenbefreiung beitragen. Die Gender-Mainstreaming-Programme der EU sollen dazu dienen, „Gender Equality“ herzustellen; in der Praxis werden damit Frauen den Europäischen Verträgen19 unterworfen, die einzig dem ökonomischen Wachstum der EU und ihrer „Wettbewerbsfähigkeit“ – hauptsächlich gegenüber den USA und China – dienen. D.h., ein solches Verständnis von Feminismus bedeutet Gleichheit mit Männern um jeden Preis, ohne die ökonomische Agenda des Neoliberalismus, seine Regeln und Praktiken, zu hinterfragen (vgl. Kap. 3).

      Die „Reproduktion“, also Mutterschaft und Fortpflanzung, kommt an drei Punkten zur Sprache: Erstens haben sich die Debatten rund um den Schwangerschaftsabbruch zu Schlachtfeldern entwickelt, wo schwangere Frauen bedroht und Ärztinnen/e und Krankenschwestern ermordet werden. In den USA hat ein skrupelloser Lobbyismus Einzug gehalten, der Abtreibungen um jeden Preis verhindern will. In mehr und mehr amerikanischen Staaten und Ländern Osteuropas werden eine Vielzahl von Verordnungen zum Thema vorgeschlagen. Zum Beispiel haben die Abtreibungsgegner/innen der „Americans United for Life“ 2015 innerhalb der ersten fünf Monate mehr als 300 Verordnungen in 45 US-Staaten initiiert20. Die neue US-Regierung plant derzeit überhaupt die Abschaffung der Straffreistellung.

      Die in den 1970er-Jahren begonnene Diskussion um die Abtreibung führte zur Einführung einer liberalisierten Gesetzgebung in ganz Westeuropa (Tazi-Preve/Roloff 2002). Diese neue Gesetzeslage brachte aber keineswegs ein Ende der Diskussion, wie Frauen damals hofften; im Gegenteil erfolgte bald ein Backlash, und die Opposition durch christliche Gruppen wird seit zwei Jahrzehnten durch militante Organisationen (Human Life International u.a.) abgelöst. Und seit 1989 wird auch in Osteuropa die bereits in den 1950er-Jahren legalisierte Abtreibung heftig bekämpft.

      [41] Die zweite Debatte dreht sich um die niedrigen Geburtenraten in Europa seit den 1980er-Jahren. In Süd- und Osteuropa sind diese besonders niedrig und auf bis zu ein Kind pro Frau geschrumpft. Die deutschsprachigen Länder liegen seit einiger Zeit auf dem gleichbleibend niedrigen Niveau von ca. 1,4 Kindern pro Frau. Müttern wird seither nahegelegt, „ihren Pflichten“ nachzukommen. Die Entwicklung führte zu einer neuen Bevölkerungspolitik, die aber nicht als solche benannt wird.21 Politik, Medien und Ökonomie pochen auf die Norm der Zwei-Kind-Familie. Eine höhere Produktion von „Menschenmaterial“ soll Staat und Wirtschaft stärken.

      Zum dritten hat sich im Kontext der reproduktiven Technologien das Sprechen über den mütterlichen Körper und ihre Zeugungsfähigkeit in den letzten Jahrzehnte dramatisch verändert. Der neoliberale Zugang, der alles als Ware ansieht, wurde zum Allgemeinverständnis und führte dazu, dass Frauen auch den eigenen Körper als Ware begreifen und die Sprache der Reproduktionstechnologien auf sich selbst anwenden. Dann ist die Rede von „Rechten“ (ein Kind zu haben) und „Wahlmöglichkeiten“ (eines in Besitz zu nehmen):„by using the reproductive liberal language“22 (R. Klein 2015, 163) wurde der Weg bereitet, aus Frauen „body shops“ zu machen. Auch hat die Technologisierung der Mutterschaft ein komplett neues Verständnis des mütterlichen Körpers hervorgebracht, mit dem Ziel, ihn durch künstliche Zeugung (In-vitro-Fertilisation) und unabhängiges Austragen des Kindes (Leihmutterschaft etc.) zu ersetzen.

      Meine These und die feministische Forschung zur Mutterschaft

      Meine These ist, dass die heutige Mutterschaft, die ich „patriarchale Mutterschaft“ (Tazi-Preve 2004) nenne, auf dem historischen Muttermord basiert (Tazi-Preve 1992) und ein Kunstprodukt ist, dessen Ziel die technologische Abschaffung der Mutter ist. In meinen frühen Arbeiten habe ich gezeigt, dass die Mutter in Mythologie, Religion und Psychologie sowie durch die Instanzen und Vertreter/innen der Medizin, Rechtsprechung und Politik abgeschafft wird und der Vater sich als angeblicher Schöpfer an ihre Stelle setzt. Wichtig zum [42] Verständnis ist es, dass die (patriarchale) Mutter (noch) am Leben ist, da sie als Schwangere, als Betreuungsperson und als Arbeiterin weiterhin gebraucht wird. Die Bedingungen und Zwänge aber, denen sie unterliegt, sind Resultat eines historischen Verwandlungsprozesses. Die patriarchale Mutter befindet sich in der „Mutterfalle“, in der sich jede Option als nur vermeintliche entpuppt.

      Je länger ich mich mit der patriarchatskritischen Herangehensweise an die Mutterschaft befasste, desto klarer wurde die Erkenntnis, dass die Geschlechter-/Genderforschung nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems ist. Mehrere Trends haben das heutige Bild der Mutter produziert. Der eine ist der Kurs, den der Feminismus in der Theorie genommen hat. Als das postmoderne Konzept, mit Michel Foucault an der Spitze, in die feministische Theorie Einzug hielt, wurde die feministische Sozialwissenschaft völlig ausgehebelt. Judith Butler (1990) hat die Theorie der Gender-Performativität entwickelt, die jegliche Naturhaftigkeit des weiblichen Körpers bestreitet und so das kollektive Verständnis von Frau verunmöglicht. Meines Wissens gibt es keine parallele Entwicklung, die gleichermaßen die Abschaffung der Männer zum Ziel hat. In der universitären Forschung ist seither der Trend zu verzeichnen, das „Frauenproblem“ zu individualisieren, die systemische Sichtweise abzublocken und keine Fragen zum Machtungleichgewicht, also zu den sozialen, politischen und ökonomischen Bedingungen mehr zu stellen. In einer geschlechtsneutralen Welt wird der politische Aktivismus gegen strukturelle Ungerechtigkeit und Gewalt verunmöglicht, die „Frauenfrage“ wird zum rhetorischen Problem und der Feminismus verliert seine transformative Kraft.

      Der praktische politische Diskurs wiederum, also die nationale Frauenpolitik der einzelnen Länder, wird von liberalen und sozialdemokratischen Feministinnen dominiert. In beiden Ansätzen wird die Berufstätigkeit als Garant für Freiheit propagiert und die Mutterschaft bleibt Privatsache. Dass sich die Frauen seit 40 Jahren unausgesetzt anstrengen, hat sich aber immer noch nicht gelohnt – sie verfügen weder über dieselbe Einkommenshöhe noch über dieselben Positionen wie Männer und sind daher in Sachen Finanzen, Macht und Einkommen unverändert benachteiligt. Langsam wird dies auch manchen Gleichheits-Anhängerinnen klar. In einem Time-Artikel schreibt Kristin van Ogtrop, Anne-Marie Slaughter (2016) zitierend: „I see that system itself as antiquated and broken“23 und kommt zu der Einsicht, dass es doch [43] etwas anderes geben müsse als das „Männerklüngeln am Abend und am Golfplatz“24. Solche Schlussfolgerungen tun den Gender-Mainstreaming-Politiken der EU aber keinen Abbruch. Im Gegenteil.

      In einer unheiligen Allianz liberaler, sozialdemokratischer und gendertheoretischer Ansätze dominieren Themen

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