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verdrängt wurden. Die Geosynklinaltheorie von James Dwight Dana geht davon aus, dass die in einem Gebirge aufgefalteten Sedimentgesteine in großen, lang gestreckten, sich absenkenden marinen Trögen, den Geosynklinalen, abgelagert wurden, weil man beobachtete, dass die Sedimentstapel primär oft viele Kilometer dick waren [Dana 1873]. Die Einsenkung der Tröge so wie die spätere Auffaltung der Gesteine sah Dana ebenfalls als Folge einer Schrumpfung der Erde. Die Geosynklinaltheorie wurde später vor allem von Hans Stille [z. B. 1913] stark ausgebaut, es wurde eine Vielzahl verschiedener Arten von Geosynklinalen definiert. Es wird hier nicht näher darauf eingegangen, weil alle diese Vorstellungen als historisch zu gelten haben.

      Das zweite Konzept ist jenes der weltweit gleichzeitig erfolgenden Gebirgsbildungsphasen, wie es schon existierte, bevor es Jean-Baptiste Élie de Beaumont [1852] formulierte, denn bereits Charles Lyell [1833] nahm entschieden dagegen Stellung. Diese Theorie geht davon aus, dass tektonische Ereignisse, die Gesteine deformieren und zu Auffaltungen in Gebirgen führen, in zeitlich eng begrenzten Phasen weltweit auftreten. Sie wurde von Stille in zahlreichen Arbeiten nachdrücklich verfochten und verfeinert, so wie Stille überhaupt stark dazu neigte, alle geotektonischen Prozesse zu kategorisieren und in feste Schemata einzubauen. Das Konzept der tektonischen Phasen wird heute in dieser starren Form nicht mehr angewandt. Es hat aber auch einen gewissen reellen Hintergrund, weil Kollisionen großer Kontinente eine Neuorientierung des globalen Plattendriftmusters auslösen und dadurch tektonische Fernwirkungen entstehen können.

      Ein bedeutender Fortschritt in der Geschichte der Erforschung von Gebirgen war die Erkenntnis, dass große Gesteinsmassen bei Gebirgsbildungen über viele Kilometer und Zehnerkilometer übereinander geschoben werden. Diese überschobenen Einheiten werden als Decken bezeichnet und sind ein Charakteristikum aller Gebirge. Die Deckenlehre wurde in ihrer Allgemeingültigkeit aufgrund der Lagerungsverhältnisse in den Alpen zu Beginn des 20. Jh. begründet [Lugeon 1902, Termier 1904], nachdem schon zuvor die Existenz von Decken erkannt worden war [Bertrand 1884]. Damit war bewiesen, dass Gebirge Zonen extremer Einengung und Krustenverkürzung sind. Dies korrelierte mit Befunden aus der Geophysik, denen zufolge die kontinentale Kruste unter Gebirgen wesentlich verdickt ist. Da dieser verdickte kontinentale Krustenstapel spezifisch leichter ist als das verdrängte Mantelgestein darunter, entsteht nach dem Prinzip des Schwimmgleichgewichts oder der Isostasie ein Auftrieb, der zur topographischen Erhebung führt. Wir werden später sehen, dass die Zusammenhänge zwischen Krustenstapelung und Gebirgsaufstieg nicht unmittelbar, sondern komplex sind, aber ein wichtiges Prinzip bei der Gebirgswerdung darstellen.

      Schon seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert gab es Naturforscher, die die Ähnlichkeit der Küstenlinien beiderseits des Atlantiks erkannt hatten und daraus auf eine ursprüngliche Zusammengehörigkeit und spätere Wanderung der Kontinente schlossen. Der Erste, von dem dies überliefert ist, ist der englische Philosoph Francis Bacon (1561 – 1626) – zu einer Zeit, als die Landkarten erstmals verlässliche Umrisse der Kontinente zeigten. 200 Jahre später wies auch Alexander von Humboldt (1769 – 1859) auf die Passform der Küstenlinien hin. Man suchte schon damals nach Erklärungen. Der flämische Kartograph Abraham Ortelius (1527 – 1598) stellte 1596 fest, dass Amerika von Europa und Afrika durch „Erdbeben und Fluten“ weggerissen wurde [Braun & Marquardt 2001] – eine Interpretation, der man auch heute nichts hinzuzufügen braucht. Der deutsche Theologe Theodor Lilienthal fand 1756 hingegen die biblische Bestätigung dieser Beobachtung: „Eber wurden zwei Söhne geboren. Einer hieß Peleg, weil zu dieser Zeit die Erde zerteilt wurde“ (1. Buch Mose 10,25).

      Der Meteorologe Alfred Wegener (1880 – 1930) war es, der in den Jahren von 1910 bis zu seinem frühzeitigen Tod 1930 – nachdem er die gute Passform und darüber hinaus enge geologische Beziehungen zwischen den Kontinenten zu beiden Seiten des Atlantiks festgestellt hatte – die Theorie der Kontinentverschiebung konsequent zu beweisen suchte und dabei aus den verschiedensten Sparten der Naturwissenschaften Belegmaterial zusammentrug (Abb. 1.1; [Wegener 1912, 1915, 1929]). Statt Wegeners nicht ganz korrektem Begriff „Kontinentalverschiebung“ verwenden wir die Bezeichnung „Kontinentverschiebung“.

      In Wegeners Theorie treiben die aus spezifisch leichterem Material zusammengesetzten Kontinente („Sial“ – Kunstwort aus den vorherrschenden Elementen Silizium und Aluminium) auf dichterem Material des Erdmantels und der Ozeanböden („Sima“ – Silizium und Magnesium) und durchpflügen dieses. Für den Antrieb der Wanderung der Kontinente zog Wegener vor allem Kräfte wie die Erdrotation, die Präzession (eine kegelförmige Drehbewegung) der Erdachse oder Gezeitenreibung in Betracht. Die Erdrotation würde die Polflucht, ein langsames Wegdriften der Kontinente von den Polen, und die Westdrift der Kontinente verursachen. Diese Bewegungen erzeugten nach Wegeners Auffassung die Auffaltungen der Gebirge: die Polflucht den Gebirgsgürtel, der sich vom alpin-mediterranen Raum über den Iran und den Himalaya bis nach Südostasien erstreckt, indem sich die Südkontinente Afrika und Indien an Eurasien annäherten; die Westdrift die Hochgebirge an der Westküste der beiden amerikanischen Kontinente durch frontale Stauchung. Einige dieser Ideen wurden gleichzeitig und unabhängig von Frank Bursley Taylor in Amerika entwickelt [Taylor 1910].

      Wegeners Theorie konnte einige aus damaliger Sicht bestehende Probleme lösen: die gute Passform der Küstenlinien beiderseits des Atlantiks; die lineare Form von Gebirgen (die Kontraktionstheorie müsste in der Tat viel breitere Gebirge hervorbringen); die Dominanz von zwei Höhenniveaus, nämlich der Tiefsee-Ebenen und der kontinentalen Flachländer, die die zwei Krustentypen – ozeanisch und kontinental – widerspiegeln (Abb. 1.2). Das unerklärliche Auftauchen und Verschwinden von Landbrücken entfiel, das man brauchte, um Faunenaustausch über große ozeanische Räume zu ermöglichen. Wegener konnte mit der Wanderung der Kontinente auch erklären, warum man Anzeiger von warmen Klimaten, z. B. in karbonischen Kohlen, heute nahe der Pole findet. Er erkannte, dass alle großen Kontinentschollen am Ende des Paläozoikums und am Beginn des Mesozoikums (siehe Zeittafel auf der vorderen Umschlaginnenseite) zu einem Riesenkontinent vereint waren, den er Pangäa (griech. die ganze Erde) nannte (Abb. 1.1). Ähnliche Darstellungen von Pangäa wurden bereits von Antonio Snider [1859] und Howard B. Baker [1911] veröffentlicht.

      Nach Ansicht namhafter Physiker reichten allerdings die von Wegener vorgeschlagenen Kräfte bei weitem nicht aus, um die Wanderung der Kontinente zu erklären. Die Kritiker seiner Theorie waren deshalb zahlreich, und dies war der Grund, weshalb nach Wegeners Tod niemand die systematische Forschung auf dem Gebiet der Kontinentverschiebung weiterführte. Vor allem in Amerika wurde Wegener stark angefeindet, während in Europa einige wichtige Arbeiten entstanden, die es letztlich ermöglicht hätten, die Theorie der Plattentektonik vorwegzunehmen.

      Die Alpengeologen Otto Ampferer und Robert Schwinner machten sich Gedanken über die gebirgsbildenden Kräfte und suchten diese im Erdinneren. Aus der Unterströmungstheorie Ampferers [1906], die Einengung und Deckentransport durch abwärts gerichtete Massenströme unter den Gebirgen postulierte, entwickelte Schwinner [1920] eine weitergehende Theorie. In ihr werden die Strömungen im Erdinneren durch konvektiven Wärmetransport erzeugt. Eduard Suess sah in seinem großartigen und wegweisenden, mehrbändigen Werk „Das Antlitz der Erde“ in den Tiefseerinnen am Rande des Pazifiks bereits Zonen, in denen der Ozeanboden unter die Kontinente abtaucht [Suess 1885 – 1909]. Der von Ampferer verwendete Ausdruck „Verschluckung“ musste später der globalisierten Bezeichnung „Subduktion“ weichen. Dieser Begriff wurde von André Amstutz [1951] für die Bildung des tektonischen Deckenbaus in den Schweizer Alpen eingeführt und später in die Plattentektonik übernommen.

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