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Briefe über den Yoga. Sri Aurobindo
Читать онлайн.Название Briefe über den Yoga
Год выпуска 0
isbn 9783963870583
Автор произведения Sri Aurobindo
Жанр Эзотерика
Издательство Автор
3. Nirguna und Saguna [Das Unpersönliche und das Persönliche]
In einem realistischen Advaita ist es nicht notwendig, das Persönliche, saguna, als eine Schöpfung des Unpersönlichen, nirguna, zu betrachten oder gar als zweitrangig oder ihm untergeordnet: beide sind gleichartige Aspekte der einen Wirklichkeit sowohl in ihrem Zustand des Schweigens und der Ruhe als auch in ihrem Zustand der Tat und dynamischen Kraft; das Schweigen einer ewigen Ruhe und eines ewigen Friedens ist die Grundlage einer ewigen Tat und Bewegung. Die eine Wirklichkeit, das Göttliche Wesen, ist durch keinen gebunden, da es durch nichts begrenzt ist; es besitzt beide. Es gibt nichts Unvereinbares zwischen den beiden, ebensowenig wie zwischen den Vielen und dem Einen, der Gleichheit und der Verschiedenheit. Alle sind die ewigen Aspekte des Universums, das nicht bestehen könnte, wenn einer von ihnen eliminiert würde; es ist daher anzunehmen, dass beide von der gleichen Wirklichkeit, die das Universum manifestierte, stammen und dass beide wirklich sind. Von dem scheinbaren Widerspruch – der kein echter Widerspruch ist, sondern lediglich ein natürliches Nebeneinanderbestehen – kann man sich erst dann befreien, wenn man einen von beiden als Illusion betrachtet. Doch wir können kaum annehmen, dass die ewige Wirklichkeit das Dasein einer ewigen Illusion zulässt, mit der sie nichts zu tun hat, oder aber, dass sie dem Sein eine leere kosmische Illusion auferlegt und diese stütze, ohne die Macht für ein anderes oder reales Wirken zu haben. Die Kraft des Göttlichen ist immer vorhanden sowohl im Schweigen als auch in der Tat, passiv im Schweigen, aktiv in der Schöpfung. Es ist kaum vorstellbar, dass die Göttliche Wirklichkeit keine Macht oder Kraft besitzt oder dass ihre einzige Macht darin besteht, eine universale Täuschung zu schaffen, eine kosmische Lüge – mithya.
4. Verbindung und Desintegration
Kein Zweifel, alle Verbindungen, die in sich nicht vollständig sind, sondern Integrationen, können sich auflösen. Auch für das Leben, obwohl es keine physische Verbindung ist, trifft zu, dass es einer Kurve der Geburt oder Integration folgt und, nachdem es einen gewissen Punkt erreicht hat, einer Kurve der Desintegration, des Verfalls oder Todes. Doch können solche Ideen oder dieses Gesetz des Daseins nicht mit Sicherheit auf die Dinge als solche angewendet werden. Die Seele ist keine Verbindung, sondern ein Ganzes, etwas in sich; sie löst sich nicht auf, sondern tritt bestenfalls in die Manifestation ein und verlässt diese wieder. Dies trifft sogar auf Formen zu, die keine konstruierten physischen Formen oder konstruierten Lebensformen sind; sie lösen sich nicht auf, sondern kommen und gehen oder verschwinden aus der Manifestation. Das Mental selbst, im Gegensatz zu bestimmten Gedanken, ist etwas Essentielles und Dauerndes, es ist eine Macht des Göttlichen Bewusstseins; desgleichen das Leben im Gegensatz zu den geformten lebenden Körpern; ich glaube also, dass das, was wir die stoffliche Energie nennen – in Wirklichkeit die Kraft einer essentiellen Substanz in Bewegung –, eine Macht des Spirits ist. Gedanken, Leben, stoffliche Gegenstände sind Gestaltungen dieser Energie, zusammengefügt oder lediglich manifestiert nach Art des Spiels der betreffenden Energien. Was nun die Elemente anbelangt, was ist der reine, natürliche Zustand eines Elementes? Der modernen Wissenschaft zufolge erwiesen sich die sogenannten Elemente als eine Verbindung, und der reine, natürliche Zustand – insofern es diesen überhaupt gibt – muss ein Zustand reiner Energie sein; dieser reine Zustand ist es, in den sich Verbindungen einschließlich dessen, was wir Elemente nennen, auflösen müssen, wenn sie durch Desintegration in den nirvana-Zustand übergehen.
5. Nirvana
Was aber ist nirvana? Im orthodoxen Buddhismus bedeutet es Desintegration, nicht der Seele – denn das gibt es nicht sondern einer mentalen Verbindung oder eines Stroms von Assoziationen oder samskara, die wir fälschlicherweise als unser Selbst ansehen. Im illusionistischen Vedanta hat es nicht die Bedeutung einer Desintegration, sondern vielmehr die der Auflösung eines falschen und unwirklichen individuellen Selbst in dem einen wirklichen Selbst oder Brahman; auf diese Weise schwindet die Vorstellung und Erfahrung einer Individualität – wir können es auch so formulieren: ein falsches Licht wird im wahren Licht ausgelöscht (nirvana). In spiritueller Erfahrung verliert sich manchmal jedes Gefühl der Individualität in einem grenzenlosen kosmischen Bewusstsein; das, was die Individualität war, bleibt lediglich als Zentrum oder Kanal für den Strom eines kosmischen Bewusstseins, einer kosmischen Kraft und Tat bestehen. Oder aber es [nirvana] kann die Erfahrung des Verlustes der Individualität in einem transzendenten Sein und Bewusstsein bedeuten, in dem sowohl die Wahrnehmung des Kosmos als auch der Individualität schwindet. Oder es kann in einer Transzendenz stattfinden, die sich des kosmischen Wirkens bewusst ist und dieses stützt. Doch was meinen wir mit Individualität? Das, was wir meist so bezeichnen, ist das natürliche Ego, ein Entwurf der Natur, der ihr Wirken in Mental und Körper zusammenhält. Dieses Ego muss ausgelöscht werden, da sonst keine vollständige Befreiung möglich ist; doch das individuelle Selbst oder die Seele sind nicht dieses Ego. Die individuelle Seele ist das spirituelle Wesen, das manchmal als ein ewiger Teil des Göttlichen beschrieben wird, aber ebenso als das Göttliche selbst beschrieben werden kann, das seine Manifestation als die Vielen aufrechterhält. Dies ist die echte spirituelle Individualität, die in ihrer vollkommenen Wahrheit erscheint, sobald wir uns vom Ego befreien, von unserem falschen, trennenden Gefühl der Individualität, wenn wir unser Einssein mit der Transzendenz und dem kosmischen Göttlichen und mit allen Wesen verwirklichen. Dadurch wird das Göttliche Leben möglich. Nirvana ist ein Schritt in dieser Richtung: das Verschwinden der falschen, trennenden Individualität ist eine notwendige Voraussetzung, um unser wahres, ewiges Wesen zu verwirklichen und darin zu leben, um göttlich im Göttlichen zu leben. Doch dies können wir in der Welt und im Leben tun.
6. Wiedergeburt
Wenn Evolution eine Wahrheit ist- nicht nur eine physische Evolution der Arten, sondern eine Evolution des Bewusstseins –, dann muss sie eine spirituelle und kann nicht nur eine physische Tatsache sein. In diesem Falle ist es die Individualität, die sich entfaltet und in ein immer weiter entwickeltes und vollkommenes Bewusstsein wächst, und dies kann offensichtlich nicht im Laufe eines einzigen kurzen menschlichen Lebens geschehen. Wenn es die Evolution einer bewussten Individualität gibt, dann muss es eine Wiedergeburt geben. Wiedergeburt ist eine logische Notwendigkeit und eine spirituelle Tatsache, die wir erfahren können. Beweise von Wiedergeburt, manchmal von überwältigend überzeugender Natur, fehlen nicht, doch wurden sie bislang noch nicht sorgfältig erfasst und gesammelt.
7. Evolution
In meiner Erläuterung des Universums habe ich die wichtige Tatsache einer spirituellen Evolution als Grundlage unseres Daseins hervorgehoben. Sie besteht aus einer Reihe von Anstiegen, vom physischen Wesen und Bewusstsein zum Vital, dann zum Lebens-Selbst, von dort weiter zum mentalen Wesen, das im vollentwickelten Menschen verwirklicht wird, und weiter von dort zu einem vollkommenen Bewusstsein jenseits des Mentals, nämlich in das supramentale Bewusstsein und supramentale Wesen, das Wahrheits-Bewusstsein, welches das integrale Bewusstsein des spirituellen Wesens ist. Das Mental kann nicht unsere letzte bewusste Ausdrucksform sein, denn grundsätzlich besteht es aus Unwissenheit, die nach Wissen sucht; allein das supramentale Wahrheits-Bewusstsein kann uns das wahre und ganze Selbst-Erkennen und Welt-Erkennen bringen; nur durch dieses können wir zu unserem wahren Wesen gelangen und unsere spirituelle Evolution vollenden.
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