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und versklavten große Teile der dortigen griechischen Bevölkerung, lange bevor die Christen an Einfluss gewannen.

      Zugegeben: Im Mittelalter hat die strenge Religion den wissenschaftlichen Fortschritt gebremst. Aber es gab auch damals schon Geister, die die Vernunft betonten: die Vertreter der Scholastik, einer streng rationalen, vor allem an Beweisführungen interessierten Denkweise. Auch sie waren religiös, wie Anselm von Canterbury (ca. 1033–1109) und Petrus Abaelardus (1079–1142) sowie später Thomas von Aquin (1225–1274) und sein Lehrer Albertus Magnus (1200–1280), zwei Wegbereiter der modernen Naturwissenschaft.

      Als die Scholastik schließlich wegen ihrer fehlenden empirischen Grundlagen und ihrer extremen Theorielastigkeit kritisiert wurde, geschah dies durch einen Franziskanermönch, der sich sehr für Mystik begeisterte: Roger Bacon (1214–1292).

      Und was ist mit dem Verfall der arabischen Wissenschaft seit dem 13. Jahrhundert, Folge der rigorosen Strenggläubigkeit der islamischen Ash’ari-Schule? Auch hier sind andere Gründe zumindest mitverantwortlich, die auch Jaeger nicht verschweigt: Vorangegangen waren verheerende Kreuzzüge sowie die Zerstörung Bagdads durch die Mongolen im Jahr 1257. Seit der Entdeckung Amerikas Ende des 15. Jahrhunderts verschaffte sich zudem Westeuropa durch die Ausbeutung des neuen Kontinents wirtschaftliche Vorteile, an denen die islamische Welt nicht teilhatte.

      Fromme spätmittelalterliche Theologen waren es, die mit ihren scharfsinnigen Überlegungen den Weg bereiteten für die Einsicht, „dass Gott rational nicht greifbar, dass er nicht in der Art einer logischen Ableitung ‚beweisbar‘ ist“ (von Ditfurth 1982, Seite 193). Ihrer Vorarbeit verdanken wir, dass die Naturwissenschaft sich schließlich von der Theologie lösen und selbstständig forschen konnte.

      Im 16. und 17. Jahrhundert hatten die Naturwissenschaftler diese Trennung vollzogen. Sie untersuchten alles, was sich wiegen und messen lässt, experimentell, ohne sich darum zu kümmern, was die Kirche lehrt und was in der Bibel steht. Das bedeutet aber nicht, dass sie alle Bereiche der Wirklichkeit für messbar hielten: Sie unterschieden zwischen der naturwissenschaftlich erfassbaren Welt und der Dimension des Transzendenten, die sie der Kirche und den Theologen überließen.

      So sahen das auch die vier Begründer des physikalischen Weltbilds, das bis ins 20. Jahrhundert gültig blieb. Sie wollten keineswegs dem Atheismus den Weg bereiten, der sich heute auf sie beruft. Denn alle vier waren eifrige Christen:

      •Kopernikus war Domherr, Doktor des Kirchenrechts und fasziniert von neuplatonischen Spekulationen über die Sonne als materielles Abbild Gottes.

      •Kepler war evangelischer Theologe.

      •Galilei stand über viele Jahre mit führenden Vertretern der katholischen Kirche in regem Austausch.

      •Isaac Newton (1643–1727) beschäftigte sich intensiv mit der Bibel und den Kirchenvätern.

      Mit der Zeit stellten die Naturwissenschaftler fest, dass ihre Methoden überwältigend erfolgreich waren. Auf der anderen Seite schafften es die Theologen nicht, über die transzendente Welt irgendwelche beweisbaren Ergebnisse zu erzielen. War also nicht doch die Erklärung von allem, was es gibt, bei den Naturwissenschaftlern am besten aufgehoben?

      Früher hatte man übernatürliche Erklärungen für physikalische Phänomene nur aus methodischen Gründen ausgeschlossen: Man wollte ausprobieren, wie weit man mit einer rein natürlichen Erklärung der Welt kommen würde. Doch je besser das klappte, desto mehr Wissenschaftler fragten sich, warum sie überhaupt noch an das Übernatürliche glauben sollten.

      So wurde auch Darwin im 19. Jahrhundert in seinem religiösen Glauben durch seine naturwissenschaftliche Beschäftigung stark verunsichert. Er konnte sich keinen freundlichen Schöpfergott vorstellen, der Wesen erschaffen würde wie die parasitären Wespen: Diese lähmen andere Insekten und legen ihre Eier in ihnen ab. Die paralysierten Tiere werden dann von den Wespenlarven aufgefressen, von innen heraus, langsam, bei lebendigem Leib. Solche Monstren sollte dieser Gott erschaffen haben?

      Darwin kannte noch viele andere Beispiele für die Grausamkeit der Natur. Auch Schicksalsschläge hatten an der Erschütterung seines Glaubens Anteil, besonders der Tod seiner zehnjährigen Lieblingstocher Annie (1851). Ein entschiedener Atheist war Darwin dennoch nicht. In seinen späten Jahren hat er sich als Agnostiker bezeichnet.

      Zugegeben also: Es gibt in den Naturwissenschaften eine historische Entwicklung weg vom Glauben. Aber diese Entwicklung ergriff längst nicht alle Naturwissenschaftler. Gegen diesen Trend stellte sich beispielsweise der Naturforscher, der beinahe zeitgleich mit Darwin eine ganz ähnliche Theorie der Evolution durch natürliche Selektion entwickelt hatte: Alfred Russel Wallace (1823–1913).

      Wallace hatte auf seinen Forschungsreisen südostasiatische Stammesgesellschaften kennen gelernt. Dabei fiel ihm auf, dass die Menschen in seiner Heimat England roher und weniger mitfühlend waren. Ob es daran lag, dass die neue, naturwissenschaftliche Weltsicht den Menschen mit ihrer Religion auch ihren moralischen Halt genommen hatte? War der Naturalismus also ungenügend?

      Diese Sorge trieb Wallace um, als er 1865 zum ersten Mal an einer spiritistischen Sitzung teilnahm. Sehr zum Ärger Darwins entwickelte er die Überzeugung, dass die menschliche Seele nicht naturalistisch zu erklären sei, sondern einen übernatürlichen Ursprung habe, und vermutete hinter dem Universum einen göttlichen Plan.

      An eine unsterbliche Seele glaubte also immerhin einer der beiden „Väter der Evolutionstheorie“. Und er war nicht der einzige, der damals schon die Evolutionstheorie mit der Religion für vereinbar hielt: Von Anfang an zählten zu Darwins Unterstützern auch etliche hochrangige Kleriker der anglikanischen Kirche.

      Auch nach Wallace hatten keineswegs alle Vordenker der Naturwissenschaften ein naturalistisches Weltbild. Albert Einstein (1879–1955), der mit seiner Relativitätstheorie die Newtonsche Physik ablöste, glaubte zwar nicht an einen persönlichen Gott. Aber er hat offenbar doch eine höhere Intelligenz als Ursache des Universums angenommen. Und von den Pionieren der Quantentheorie glaubten etliche, dass das Bewusstsein der Materie vorausgehe.

      Was einige der größten Physiker des 20. Jahrhunderts über Naturwissenschaft und Religion gedacht haben, lässt sich in dem Sammelband „Physik und Transzendenz“ von 1986 nachlesen. Herausgeber ist Hans-Peter Dürr (1929–2014), zeitweise der engste Mitarbeiter der Physiker-Legende Werner Heisenberg. Hier beispielhaft einige Stimmen:

      •Max Planck (1858–1947), mit seinem „Planck‘schen Wirkungsquantum“ der Begründer der Quantenphysik, empört sich, dass „die Gottlosenbewegung […] sich mit Eifer die fortschreitende naturwissenschaftliche Erkenntnis zunutze macht und im angeblichen Bunde mit ihr in immer schnellerem Tempo ihre zersetzende Wirkung auf die Völker der Erde in allen ihren Schichten vorantreibt“ (Seite 23).

      •James Jeans (1877–1946), für seine Beiträge zur Kosmogonie ausgezeichnet mit der Goldmedaille der Royal Astronomical Society of London, deutet den Stand der Wissenschaft im Jahr 1931 so: „Der Geist erscheint im Reich der Materie nicht mehr als ein zufälliger Eindringling; wir beginnen zu ahnen, dass wir ihn eher als den Schöpfer und Beherrscher des Reiches der Materie begrüßen sollten […]“ (Seite 64).

      •Arthur Eddington (1882–1944), mehrfach von renommierten astronomischen Gesellschaften mit Preisen ausgezeichneter Astrophysiker, mahnt zur Bescheidenheit: Was die Physik zu bieten hat, ist „nicht die Realität selbst, sondern nur ihr Skelett“ (Seite 99). Würde ein Engel „die Erde mit Einsteins Augen sehen“, so würde er „das Wesentliche übersehen“ (Seite 127).

      •Pascual Jordan (1902–1980), als theoretischer Physiker maßgeblich an der Entwicklung und mathematischen Formulierung der Quantenmechanik beteiligt, hebt hervor, dass „die Vorstellung, dass die Entzauberung der Welt durch die Naturwissenschaft ein unvermeidliches Ergebnis naturwissenschaftlicher Forschung sei, auf zeitgebundenem Irrtum beruht“. Die „materialistische Naturphilosophie“ sei heute „nicht mehr, wie ihre Anhänger gern in Anspruch nehmen, im Einklang mit naturwissenschaftlicher Erkenntnis“ (Seite 227).

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