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war hier", sagte er. "Kurz bevor ich dichtmachte."

      "Haben Sie mit ihm gesprochen?"

      "Nur ein paar Worte. Er hat das Essen mitgenommen, im Henkelmann. Ich habe es großzügig berechnet, denn es waren alles Reste, die sonst verdorben wären."

      "Hatte er den Henkelmann dabei? Wohin ist er damit gegangen?"

      "Nein, den hatte er von uns. Musste auch ausnahmsweise keinen Zehner dafür hinterlegen, weil das Ding alt war und etwas leckte. Deshalb habe ich ihm auch noch etwas Zinkfolie drum herum gewickelt. Keine Ahnung, ich habe ihm nicht nachgeblickt, ich war froh, dass ich die Bude schließen konnte, bevor hier noch ein Streifenpolizist das Licht bemerkte."

      "Gibt es in der Nähe leerstehende Häuser?", erkundigte sich Frantzen.

      "Nicht, dass ich wüsste, jedenfalls nicht hier vorne. Aber weiter hinten, dort, wo die Schubartstraße kreuzt. Da gibt es die alte Eisengießerei, die auch mal für Borsig gearbeitet haben, nur etwa drei Querstraßen von hier entfernt, die Schubartstraße biegt dann rechts ab ", sagte der. "Der Betrieb liegt seit dem großen Krieg brach, und angeblich sollen dort mal Wohnhäuser entstehen. Na, wenn Sie mich fragen – Wohnhäuser? Wohl eher noch mehr von diesen elenden Mietskasernen mit zwei oder drei Hinterhöfen, und dann ziehen diese Hungerleider alle hierher, und vergraulen mir die Kundschaft, die ich mir mühsam genug herangezogen habe!"

      Wir bedankten uns und verließen das Lokal. Es wurde langsam hell. Im zähen Grau des Morgens erreichten wir die verlassene Fabrik. Die Mauer war zum Teil niedergerissen worden. Die schmutzigen, langgestreckten Hallen mit ihren toten Fensterhöhlen machten einen deprimierenden Eindruck. Der aufkommende Morgenwind fegte ein paar Zeitungsfetzen vor unsere Füße. Frantzen hob die Schultern.

      "Reizende Gegend", sagte er.

      "Die Hallen sind nicht unterkellert", mutmaßte ich. "Spielende Kinder haben jederzeit Zutritt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Karla hier gefangen gehalten wird."

      "Du vergisst das ehemalige Verwaltungsgebäude", sagte er. "Ich wette, es ist voll unterkellert."

      Wir trennten uns und gingen daran, die Gebäude zu untersuchen. Wir ließen kaum einen Raum und kein mögliches Versteck aus. Eine halbe Stunde später trafen wir uns wieder.

      "Fehlanzeige", sagte Frantzen.

      Ich nickte. "Das mit der Fabrik wäre einfach zu schön gewesen", sagte ich. "Aber er muss in der Nähe sein. Krawulke wird mit dem Henkelmann in der Hand nicht bis ans Ende der Welt gelaufen sein."

      "Häuser, Häuser, Häuser", sagte Frantzen bitter. "Hunderte. Tausende. Wir können nicht jedes auf den Kopf stellen. Und alles diese elenden Löcher, dann dieser ständige Kohlgeruch überall – gibt’s denn bei keiner Mietskaserne mal was Anständiges auf den Teller?"

      "Vermutlich noch nicht mal am Sonntag!", erwiderte ich.

      "Wir müssen uns auf diejenigen konzentrieren, die...", fuhr Frantzen fort.

      Ich fiel ihm ins Wort. "Wir machen es uns leichter", sagte ich.

      "Wie denn?"

      "Wenn Krawulke das Essen aus dem Lokal besorgte, ist ziemlich klar, dass sein Versteck keine Küche enthält — oder?"

      "Ja, das trifft zu."

      "Er hat das Essen spät geholt — oder früh, ganz wie du willst. Er wird jetzt schlafen. Aber er wird nicht gut schlafen. Das Gespräch mit mir, die Hoffnung auf Zweihunderttausend Mark, wird ihm keine Ruhe lassen. Er wird zeitig aufstehen und sich um ein Frühstück kümmern..."

      "Aber nicht in dem Lokal, in dem er den Henkelmann füllen ließ", sagte Frantzen. "Ich habe mir die Öffnungszeiten angesehen. Das Lokal macht erst kurz vor dem Mittagessen auf."

      "Es ist sicherlich nicht das einzige, das es in der Gegend gibt. Wir müssen sämtliche für Michael Krawulke in Frage kommenden Lokale mit Essen überwachen. Davon wird es ja wohl kaum sehr viele in dieser Fabrikgegend geben..."

      "Machen wir einen Plan", schlug Frantzen vor.

      Fünf Minuten später trennten wir uns mit der Auflage, eine Viertelstunde später am Ausgangspunkt wieder zusammenzutreffen. Ich klapperte die mir zugewiesenen Straßen ab und notierte mir die Adressen und Öffnungszeiten der beiden Lokale, die es hier gab. Ich war erstaunt, dass es doch mehrere hier in dieser elenden Gegend gab. Dabei fiel mir ein, dass Michael Krawulke seinen Bedarf ebensogut in einer Eckkneipe decken konnte.

      Ein paar Schrippen gab es überall, dazu Fleischklopse, Soleier und ähnliche, ausgefallene Delikatessen. Es war völlig ausgeschlossen, dass wir genügend Beamte auftrieben, um sämtliche Möglichkeiten der Umgebung überwachen zu lassen.

      Ich blieb stehen, als mich etwas anblitzte.

      Aus einer Mülltonne hing ein handgroßer Fetzen Zinkfolie. Mir fiel ein, was der Koch des Speiselokals geäußert hatte. Der feine Herr Krawulke hatte das Essen im Henkelmann mit Zinkfolie bekommen, weil das Ding leckte.

      Ich blieb stehen und schaute mich um. Die Straße war menschenleer. Ich zerrte die Folie aus der Mülltonne und schnupperte daran. Der Geruch von Essen haftete noch deutlich erkennbar daran. Die Mülltonne gehörte zu einer Gruppe von sechs weiteren Behältern, die neben dem Eingang zu einem vierstöckigen Haus standen. Es war klar, dass die Zinkfolie nicht unbedingt von Michael Krawulke stammen musste, aber es war ebenso klar, dass ich mich nach Lage der Dinge um seine Herkunft kümmern musste.

      Ich ging durch die offene Einfahrt in den Hof, auf dem sogar ein Auto parkte. Das grob gepflasterte Quadrat wurde von einem hohen Holzzaun und, parallel zum Wohnhaus, von einem Wellblechschuppen begrenzt. Er war unverschlossen und diente gleichfalls als Unterstellplatz für Fahrzeuge. Sollte es hier einmal wieder Bewohner geben, die sich ein Motorrad oder sogar ein Auto leisten konnten.

      Ich ging in das Haus zurück, dessen untere Etagen einer Teppichhandlung als Lager dienten. Die zum Hof weisenden Fenster waren vergittert. Die Türen waren mit mehreren Schlössern gesichert. Ich suchte den Kellereingang. Als ich ihn gefunden hatte und die Hand nach der Klinke ausstreckte, flog mir die Tür buchstäblich ins Gesicht.

      Michael Krawulke, der die Tür aufgestoßen hatte, wirkte bei meinem Anblick wie versteinert. Er war unrasiert und hatte rot umränderte Augen. Seine Gesichtshaut sah noch lederner aus als sonst. Er war völlig überrascht, brauchte aber nur zwei Sekunden, um sich von seinem Schock zu erholen.

      Als seine Hand nach dem Hosenbund zuckte, kam ich ihm mit einem schnellen Ringergriff zuvor. Er ging mit einem Schmerzenslaut zu Boden. Ich nahm ihm die Pistole ab und sagte: "Führen Sie mich zu ihr."

      Er kam mühsam auf die Beine. "Wie haben Sie mich gefunden?"

      "Leute Ihres Kalibers finden wir immer", erwiderte ich ausweichend. "Los, marschieren Sie voran."

      Er gehorchte. Ich ließ ihm auch gar keine Zeit, seinen Schock zu überwinden. Er öffnete drei Türen, ehe wir an einer mit dem Schild ›Hochspannung! Vorsicht — Lebensgefahr!‘ stehen blieben.

      "Ein alter Trick", höhnte Michael Krawulke verachtend. "Eimer Weissner wusste schon, wie er Neugierige von hier fernhielt."

      Ich legte den Riegel zurück und öffnete die Tür. Im Innern des Raumes brannte Licht. Karla Klausner saß auf dem Bett. Sie sprang auf und kam mir entgegen. "Robert!", stieß sie hervor.

      "Langsam, langsam", bedauerte ich, als sie Anstalten traf, mich zu umarmen. "Wir dürfen unseren Freund nicht aus den Augen verlieren."

      "Keine Angst", sagte Michael Krawulke bitter. "Für mich ist es gelaufen."

      "Ich bin wie gerädert", meinte Karla. "Weißt du, wonach ich mich nach der Bekanntschaft mit dieser verschmutzten, widerwärtigen Matratze sehne? Nach eine erfrischenden Bad und einem weichen, weißen Hotelbett..."

      "Da wirst du Pech haben", sagte ich. "Frantzen hatte die Idee, hier in der Nähe der Bande eine Pension zu finden, damit wir unsere Nachforschungen nicht mit endlosen Autofahrten ausdehnen mussten und

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