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Arche Noah Prinzip. Bereits in der Entwicklungsphase stellte sich heraus, dass der Film die üblichen Dimensionen einer HFF-Abschlussarbeit sprengen würde. Dem jungen Regisseur wurde daher empfohlen, sich um Fördergelder zu bemühen. Und so reichte er denn sein Drehbuch beim Kuratorium Junger Deutscher Film ein, ohne sich jedoch große Hoffnungen zu machen, schließlich war sein Projekt zu aufwendig und zu ungewöhnlich: eine Pionierarbeit, die mit vielen Risiken verbunden war.

      Ebenso außergewöhnlich wie das Projekt selbst war auch die Form des Drehbuchs. Emmerich hatte sich nicht an die Maßgaben gehalten, wie Scripts normalerweise verfasst zu sein hatten, sondern schrieb einfach einen Roman. Diese Form reflektierte seiner Meinung nach am besten den Stil des Films. Dazu legte er Skizzen des Raumschiff-Modells und Fotos von ersten Konstruktionen. Was letztlich das Kuratorium Junger Deutscher Film bewog, das Projekt zu fördern, liegt bis heute im Dunkeln. Ob dies aufgrund des außergewöhnlichen Themas oder der ungewöhnlichen Form des Buches geschah – Emmerich vermochte es nie in Erfahrung zu bringen.

      Das Glück blieb ihm indes auch später bei diesem Projekt hold und er wurde nicht nur mit weiteren Fördergeldern unterstützt, sondern konnte zudem einen Co-Produzenten für seinen Film finden. Schließlich beteiligten sich an der Produktion auch noch das Bundesministerium des Inneren sowie die Filmförderungsanstalt. Emmerich und seiner Crew standen zu diesem Zeitpunkt damit 450.000 D-Mark zur Verfügung – immer noch zu wenig, um die Geschichte so auf die Leinwand zu bannen, wie sie sich der Regisseur vorgestellt hatte.

      Dieser suchte derweil in München nach geeigneten Hallen, die er in ein Filmstudio verwandeln konnte. Doch sämtliche Versuche, dort einen geeigneten Drehort zu finden, schlugen fehl. Die Gebäude, die in Betracht gezogen wurden, entpuppten sich entweder als zu klein oder zu teuer.

      Als die Location-Suche komplett in eine Sackgasse zu münden drohte, entschloss sich Emmerich, seine Sindelfinger Connection spielen zu lassen. Und tatsächlich fand sich in seiner alten Heimat innerhalb weniger Wochen eine für das Projekt perfekt geeignete Halle: eine ehemalige Waschmaschinenfabrik, die eigentlich abgerissen werden sollte. Für eine geradezu lächerliche Monatsmiete von 600 Mark konnte die Crew diese in ein Filmstudio umwandeln. Sie tauften das Gebäude DL-Studio – DL für Deadline –, um daran zu erinnern, dass das Gemäuer nach den Dreh­arbeiten abgerissen werden würde. Mit Unterstützung professioneller Schreiner, Maler und Zimmerleute arbeitete die junge Filmcrew unter Anleitung Emmerichs mehrere Monate an den aufwendigen Dekors der Florida Arklab. Die Inneneinrichtung wurde aus Styropor-, Holz- und Kunststoffteilen hergestellt. Des Weiteren besorgten sich die Filmbast­ler von verschiedenen Firmen ausrangierte Computer-Monitore, die geschickt in die Kulissen integriert werden konnten. Zahlreiche Lämpchen, die ringsum drapiert wurden, verstärkten den erstaunlich realistischen Eindruck einer Raumschiff-Kommandozentrale.

      Bald schon war die 1.000 Quadratmeter große Halle vollgestopft mit Kulissen, Maskenräumen und Garderobe, Produktionsbüros und einem kleinen Trickstudio, in dem verschiedene Aufprojektionen von Weltraum-Dias eingerichtet wurden. Emmerich engagierte für seine ambitionierte Filmproduktion zahlreiche Kommilitonen der HFF, die sich mit Begeisterung in das Projekt stürzten: Egon Werdin übernahm die Kameraarbeit, Gabriele Walther die Produktionsleitung, Tomy Wigand den Schnitt. Seinem Schulfreund Hubert Bartholomae, der eigentlich mit dem Kinogeschäft bis dahin nichts zu tun gehabt hatte, übertrug er vertrauensvoll die Realisation der Visual Effects sowie die Komposition der Musik. Schon während die erste Drehbuch-Fassung entwickelt worden war, hatte der Elektrotechniker damit begonnen, den Sound zu diesem Science-Fiction-Film zu kreieren. Bartholomae war jedoch auch mit der Herstellung des Raumschiff-Modells betraut und bastelte dieses aus Cola-Dosen zusammen.

      Im Herbst 1981 fiel dann endlich die erste Klappe. Zu diesem Zeitpunkt konnte die Crew nicht ahnen, welch brutaler Überlebenskampf ihr bevorstehen würde. Täglich 16 bis 18 Stunden musste das Team in der von Kunstnebel geschwängerten Luft des Studios zubringen, von Set zu Set wechseln, Kabel und Kameraschienen verlegen, Kulissen umbauen, Scheinwerfer neu einstellen. Abends erwartete die Mitglieder kein gemütliches Hotelzimmer, sondern ein Matratzenlager im Gebäude der Ortskrankenkasse. Statt einer Gage gab es Gulasch in der Kantine von Vater Emmerich, eine Auslagen-Erstattung sowie ein kleines Taschengeld. In den Genuss einer Entlohnung im üblichen Rahmen kamen nur die Schauspieler: der aus Österreich stammende Franz Buchrieser, der den kritischen Wissenschaftler Marek spielte und mit seinen 41 Jahren der Älteste des Teams war, sowie Richy Müller, der für die Rolle des Billy Hayes engagiert worden war.

      Weil die Halle, in der Emmerich drehte, genau zwischen einer Hauptstraße und einer Bahnlinie lag, konnte nicht mit Originalton gedreht werden. Der Regisseur musste deshalb später alles im Tonstudio nachsynchronisieren lassen. Und auch die Arbeit mit dem Techniscope-Breitwandverfahren, in dem der Film gedreht wurde, stellte das Team vor eine große Herausforderung. Die Kamera-Crew hatte oft mit Schärfeproblemen zu kämpfen, weshalb viele Aufnahmen in den Müll wanderten. Als zusätzliches Problem erwies sich, dass kein einziges Kopierwerk in Deutschland in der Lage war, das Material zu entwickeln, weil dieses Verfahren eigentlich nur noch für Kung-Fu-Produktionen aus Hongkong zum Einsatz kam. Daher mussten die Filmrollen täglich zur Entwicklung nach Rom geschickt werden.

      Die vielen Unzulänglichkeiten der Produktion und die ständig auftretenden technischen Probleme erforderten viel Nervenkraft und einen ausgeprägten Teamgeist. Die Begeisterungsfähigkeit der Mitarbeiter und die Gewissheit, an einem einzigartigen Pionierprojekt mitzuwirken, halfen der Crew schließlich aber über alle schwierigen Situationen hinweg. Am Set herrschte kreatives Chaos, das sich jedoch in ausschlaggebenden Momenten stets zu ordnen vermochte und so erstaunliche filmische Ergebnisse ermöglichte: Die vorgeführten Muster jedenfalls kamen sehr gut an.

      Dennoch drohte dem Film das vorzeitige Aus. Die jungen Kinoenthusiasten hatten nicht damit gerechnet, dass die Produktion schon zu einem so frühen Zeitpunkt den Kostenrahmen sprengen würde, zumal in allen Bereichen gekonnt gespart worden war. Als sich mitten im Dreh dann herausstellte, dass das Budget aufgebraucht war, musste das Projekt gestoppt werden. Komplizierte Verhandlungen über neue Geldgeber waren die unerquickliche Folge, schließlich konnten die Filmemacher jedoch den Süddeutschen Rundfunk dazu bewegen, sich am Arche Noah Prinzip zu beteiligen.

      Am Ende verschlang der Film 1,2 Millionen Mark. Doch der Aufwand hatte sich gelohnt. Emmerich, der drei Jahre lang diesen aufwendigen Film entwickelt und gedreht hatte, konnte sein Debüt auf den Internationalen Filmfestspielen von Berlin vorführen und erhielt viel Anerkennung. Zwar kritisierten zahlreiche Feuilletonisten inhaltiche Schwächen, wie u.a. die ihrer Meinung nach umständliche Rückblenden-Konstruktion; sie würdigten gleichzeitig aber auch die erstaunliche handwerkliche Perfektion, mit der der Film in Szene gesetzt worden war.

      Emmerich indes, der von Interview zu Interview reiste, um seinen Erstling zu promoten, ruhte sich nicht auf seinen Lorbeeren aus, sondern steckte bereits mitten in den Vorbereitungen zu einem neuen Projekt. Wieder ging es um einen phantastischen Film – diesmal mit noch mehr Visual Effects …

      Interview mit Roland Emmerich:

      Von überraschenden Wendungen und dramaturgischen Kniffen

      Wie entwickeln Sie die Idee zu einem neuen Film?

      RE: Zuerst erarbeite ich ein grobes Schema des Films und versuche, die Grundidee klar zu formulieren. Das ist die erste Phase. Danach setze ich mich mit verschiedenen Leuten zusammen und versuche, ihnen zu erklären, welche Art von Film ich machen will. Daraufhin schreibe ich ein Treatment, eine dreißigseitige Abhandlung des Films, in der jede Szene beschrieben wird, jedoch ohne Dialoge. Der Film muss hier in seinem Ablauf so spürbar sein, wie er später auf die Leinwand kommen soll. Diese grobe Struktur ermöglicht dem Regisseur verschiedene Figuren und Handlungen umzubauen oder zu entfernen, ohne jedes Mal die Dialoge neu formulieren zu müssen. Es kann Monate dauern, bis man ein Treatment hat, aus dem man eine Drehbuchfassung entwickeln kann.

      Wie wichtig ist das Drehbuch für Sie bei der Filmarbeit?

      RE: Als ich noch auf der Filmhochschule war, habe ich nicht besonders auf das Drehbuch geachtet. Je erfahrener ich werde, desto deutlicher spüre ich jedoch, dass das Drehbuch 80 Prozent eines Films ausmacht. Wenn das Drehbuch nicht stimmt, funktioniert auch der Film nicht. Ein Script ist etwas

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