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in den Sixties einspielten, war ich verrückt nach Kleidung. Die richtigen Schuhe, die passenden Hemden und die besten Jacketts. Man befand sich zum Beispiel in einer Modeboutique in der Carnaby Street und rannte Rod Stewart oder Steve Marriott über den Weg, woraufhin ein Wettstreit entbrannte, wer am schnellsten die besten Klamotten in der Hand hielt. Bis zum heutigen Tag kleide ich mich immer schick, sogar wenn ich nur zuhause bin und entspanne. Man kann mich keinesfalls als Trainingshosen-und-Turnschuh-Typen beschreiben. Ich mag anständige Hemden mit zugeknöpftem oberen Knopf und blitzblank geputzte Schuhe. Auch bei anderen Leuten missfällt mir Schlampigkeit. Sie dürfen mich ruhig als oberflächlich einordnen, aber ich glaube fest daran, dass „Kleider Leute machen“.

      1967 ereignete sich noch ein weiterer Wandel in meinem Leben, denn ich heiratete meine „Butlin’s-Herzallerliebste“ Jean Smith. Auch sie war ein Mod – und ich vom ersten Augenblick an wie besessen von dem Mädchen. Zurückblickend erkenne ich aber auch, dass es eine Art On-Off-Beziehung war, was den Reiz erhöhte. Hat man das erreicht, was man sich am intensivsten auf der Welt wünschte, versucht man danach, noch mehr zu bekommen, besonders wenn es sich um Angelegenheiten des Herzens dreht.

      Und so lief es ab: Nachdem die Vermieterin uns zusammen im Bett erwischt hatte und ich rausgeworfen worden war, verdrückte sich Jean einfach. Während ich mit Rick an der rauen See übernachtete, hatte sie ihren Job gekündigt und war mit einem Kumpel abgehauen, um sich einen Job in einem anderen am Meer gelegenen Freizeit-Resort zu suchen. Ich fühlte mich wie am Boden zerstört, als ich davon erfuhr. In jenen Tagen gab es natürlich noch keine Handys, also keine Möglichkeit der direkten Kontaktaufnahme, und somit hörte ich drei Wochen lang kein Sterbenswörtchen von ihr. Ich nahm an, sie hätte mich sitzengelassen und wäre fortgelaufen. Plötzlich aber war Jean wieder da! Ich fühlte mich überglücklich und dachte, all meine Sorgen hätten sich in Luft aufgelöst. Stattdessen war es nur der Anfang einer Beziehung, bei der Jean immer weglief, wenn es brenzlig wurde, dann wieder zurückkam und sich herzzerreißend dankbar gab. Teenager-Liebe. Gott sei Dank muss ich das alles nie mehr durchmachen.

      Dann detonierte die sprichwörtliche Bombe: Jean erwartete ein Baby von mir. Ich war gerade erst 17, als sie das herausfand. Heutzutage wären das keine spektakulären Nachrichten mehr, doch 1967 stellte es ein großes Ereignis dar. Ein Baby nicht zu bekommen, stand außer Frage, denn in Großbritannien war Abtreibung illegal. Und als Katholik wäre ein Schwangerschaftsabbruch für mich nie eine Option gewesen. Hinzu kam noch – und das war der wohl wichtigste Grund –, dass ich sie abgöttisch liebte. Somit blieb nur eine Option: zu heiraten. Und das machten wir dann auch im Juni 1967 – dem sogenannten Summer of Love. Da Jean schon im siebten Monat war, stand eine katholische Hochzeit außer Frage, und so beschränkten wir uns auf die zügige „Ich will – Ich will auch“-Abfertigung beim örtlichen Standesamt.

      Nur meine Eltern, Jeans Mum und ihre Schwestern kamen zur Vermählung. Meine Mum sträubte sich anfänglich, da sie vor Wut schäumte, weil wir keine katholische Hochzeit feierten. Sie wollte nichts damit zu tun haben. An dem Tag selbst gab sie dann aber nach. Ich war einige Wochen zuvor 18 geworden und versuchte, die ganze Angelegenheit wie ein angesagtes Swinging-London-Happening zu inszenieren. Kein Anzug! Stattdessen trug ich einen gelb/grün-gestreiften Blazer, ein pinkes Hemd und weiße Hosen. Jean, die bereits ein großes Bäuchlein hatte, trug ein mit Blümchen gemustertes Umstandskleid. Sie sah wunderbar aus.

      Wir verzichteten jedoch auf Flitterwochen, und ich glaube, es wäre uns auch gar nicht in den Sinn gekommen. Alles drehte sich darum, dass das Baby nicht außerehelich zur Welt kam. Am Tag nach der Hochzeit zogen wir in ein freies Zimmer im Haus von Jeans Mutter in Dulwich. Ihr Mann war einige Jahre zuvor gestorben, wodurch genügend Raum zur Verfügung stand. Zwei Monate später wurde unser Sohn Simon geboren. Damals war es durchaus üblich, dass junge Paare schon sehr früh Kinder hatten. Für mich bedeutete das keine große Sache, da ich in einer riesigen Familie aufgewachsen war und alle Kids gleichermaßen von den verschiedenen Verwandten aufgezogen wurden. Dennoch: In unserer Situation war es noch nie leicht – Teenager-Eltern, die versuchen, ein Kind großzuziehen, während einer von ihnen auswärts arbeiten muss –, und anscheinend schienen sich auch noch alle gegen uns zu verschwören, um uns aus der Bahn zu werfen. Jeans Mutter stellte keine große Hilfe dar. Vor unserer Hochzeit hatte mich Jean immer von einem Treffen mit ihrer Mum abgehalten. Und nun fand ich heraus, warum! Die Frau konnte sehr kompliziert sein. Man hatte das Gefühl, sie sei direkt der Seite eines Les-Dawson-Witzes über Schwiegermütter entsprungen. Sie saß zusammengesackt in einem Ohrensessel und rauchte Kette, wobei das Kleid bis zur Hüfte hochgerutscht war, sodass man ihren großen Alte-Oma-Schlüpfer sehen konnte. Darüber hinaus ließ sie noch ihrem Gedärm einige der am teuflischsten stinkenden Fürze entweichen. Was ihre Tochter ärgerte und hochnotpeinlich berührte.

      Sie verstand nicht – oder es war ihr egal –, was ich machte, dachte, ich würde in einer Popband herumblödeln, statt mir einen anständigen Job zu suchen. Vielleicht sah das ja auch meine Familie so, doch sie zeigte es nicht direkt. Vermutlich dachte sie, dass immer noch der Job im Eiswagen auf mich wartete, wenn das mit der Musik nicht klappte. Was Jeans Mutter hingegen wusste: Ich war den Großteil der Nacht nicht anwesend, aber zu häufig am Tag. Ständig lag sie ihrer Tochter in den Ohren.

      Und so fing alles an: „Wir haben jetzt ein Kind. Es wird höchste Zeit, dass du aufhörst, in der Weltgeschichte herumzuziehen und deine Zeit mit einer Band verschwendest. Werde sesshaft, und fang endlich an, Geld für deine Familie zu verdienen.“ Das ging sogar so weit, dass Jean mir ein Ultimatum stellte: „Entweder ich oder die Gruppe!“ Das gehört auch zu den Problemen, mit denen sich fast alle aufstrebenden Musiker zu einem bestimmten Zeitpunkt herumschlagen müssen.

      Gelegentlich geht das so weit, dass es zu einem Initiationsritus wird, an dessen Ende man sich für einen Weg entscheiden muss. In meinem Fall antwortete ich einfach: „Du wusstest von der Band schon vor der Hochzeit, wusstest, wie es war. Wenn du jetzt deine Meinung änderst, ist das okay, aber ich werde mein Ding durchziehen, wie ich gesagt habe.“

      Dann beschuldigte sie mich, eiskalt zu sein, gefühllos und gleichgültig. Doch ich war in dieses Mädchen verschossen! Ich liebte meinen Sohn. Außerdem wusste ich, dass ich schon bald einen „richtigen Job“ hätte, würde die Band ein wenig Glück haben. Abgesehen vom Kummer darüber, eventuell die Gruppe aufgeben zu müssen, mochte ich die Rolle eines verheirateten Mannes und jungen Vaters. Ein Kind zu haben, war für mich eine ernsthafte Angelegenheit. Doch auch aus diesem Aspekt entstand ein Problem, das Jean und ich nicht mit einem vernünftigen Gespräch lösen konnten: Ich glaubte an eine strikte Erziehung mit klaren Regeln und Grenzen, daran, den Kindern den Unterschied zwischen „falsch“ und „richtig“ beizubringen. Jean sah das eher im Geiste der Sixties und erzählte anderen: „Meine Kinder dürfen alles machen, was sie wollen.“ Ich konterte: „Nein, das dürfen sie nicht!“ Und dann begann der nächste Streit.

      Schließlich verzog ich mich aufs Klo. Es war der einzige Ort im ganzen Haus, an dem man mich mal fünf Minuten in Ruhe ließ. Schrecklich, dieser eiskalte Raum mit einer harten, hölzernen Klobrille. Das Klo glich zu allem Überfluss noch einem Miniaturschrank, doch ich verbrachte dort immer mehr Zeit und nahm sogar meine Gitarre mit. Es war so klein, dass ich zum Spielen den Hals in die Höhe halten musste. Doch ich hockte da Stunden, die Füße gegen die Wand gestemmt, spielte auf der Gitarre rum und sang.

      Auf Drängen von John Schroeder hatte ich mit dem Songwriting begonnen. Wir alle probierten das aus. Die Tatsache, dass die Beatles, die Rolling Stones, die Who und die Kinks ihr eigenes Material schrieben, bedeutete, diese Kunstfertigkeit zu übernehmen, wenn man in derselben Liga gesehen werden wollte. Sonst musste man Bands nacheifern wie den Hollies und Manfred Mann, die auf der Suche nach Songs regelmäßig die Musikverlage in der Denmark Street abklapperten. Aus meinem ersten Versuch wurde die einzige Single von Traffic Jam. Sie hieß „Almost But Not Quite There“. Der Titel besagte alles, denn er deutete verdeckt auf das jahrhundertealte Problem hin, den Sexpartner „beinahe, aber noch nicht“ ganz befriedigt zu haben. Der Text stammte natürlich auch von mir. Aus irgendeinem Grund, an den ich mich beim besten Willen nicht erinnern kann, wurde das Stück aber Pat Barlow und mir zugeschrieben. Ich fand den Titel echt clever, bis die BBC das Urteil fällte, der Text sei „zu suggestiv“, und den Song augenblicklich von der Programmliste strich.

      Als

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