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männlichen oder weiblichen Körper. Aber ist das Gewahrsein der Tatsache, dass wir männlich oder weiblich sind, ebenfalls entweder männlich oder weiblich? Na, was meinen Sie? Die Erfahrung, ein Mann oder eine Frau zu sein, ist aus offensichtlichen biologischen und gesellschaftlichen Gründen recht unterschiedlich. Aber wenn wir allein von unseren Unterschieden her argumentieren, verpassen wir das tiefer liegende Fundament des Gewahrseins, das uns alle auf einer wesentlich grundlegenderen Ebene als der des Geschlechts verbindet. Zwischen uns fließt umso mehr Energie, je präsenter wir sind.

      Aber gehen wir noch einen Schritt weiter: Nehmen wir einmal an, jemand sagte zu Ihnen, Sie seien übergewichtig, und Ihr Ego formte diese Aussage sofort in das Urteil um, Sie seien „fett“. Ist das Gewahrsein des Vorgangs, dass Sie sich selbst als fett beurteilen, selbst ebenfalls fett? Auch hier frage ich Sie wieder nach Ihrer intuitiven Reaktion auf diese Frage. Können Sie erkennen, dass die Identifikation mit dem Zustand „fett“ wesentlich unangenehmer ist als das Gewahrsein Ihrer selbst als übergewichtig? Ich habe häufig beobachtet, dass bei Menschen, die ein gesünderes Leben führen möchten und sich selbst auf diese Weise angreifen, die Verurteilung mehr Schaden anrichtet als der ursprüngliche Zustand, dessentwegen sie sich so niedermachen. Wenn wir uns selbst angreifen, führt das zu einer depressiven Haltung im Leben, die das Ergreifen positiver Maßnahmen verhindert.

      Lassen Sie uns als Nächstes einen Blick auf das werfen, was Sie über die Zeit wissen. Wenn Sie in Ihre Erinnerungen abtauchen, werden Sie der Dinge in der Vergangenheit gewahr – aber liegt das Gewahrsein selbst in der Vergangenheit? Ebenso machen Sie sich häufig Gedanken über die Zukunft – aber befindet sich das Gewahrsein dieser Gedanken ebenfalls in der Zukunft?

      Wenn ich diese Fragen stelle, lasse ich die Menschen sie für sich selbst beantworten. Aber manchmal passiert etwas, vielleicht nur für einen Moment. Dann nehmen sie plötzlich einen Raum wahr, eine Art von Leere oder Offenheit, die sich deutlich von dem unterscheidet, wie sie normalerweise über sich denken und sich selbst erleben. Es ist ein kleiner Vorgeschmack von der Präsenz.

      Wenn Sie einer Sache gewahr sind, dann deutet dies auf einen Abstand zu dem hin, dessen Sie gewahr sind. Und dieser Abstand bedeutet, dass es ein Potenzial für eine Beziehung mit dem gibt, dessen Sie gewahr sind: eine Beziehung zu Ihren Gedanken, eine Beziehung zu Ihren Erinnerungen, eine Beziehung zu Ihren Emotionen und Gefühlen.

      Die meisten Menschen werden von ihren Gedanken „benutzt“, werden Opfer ihrer eigenen Überzeugungen. Sie lassen sich von ihren Emotionen und Gefühlen definieren und oft genug auch zum Opfer machen. Sie hingegen werden in den nachfolgenden Kapiteln lernen, dass Sie niemals Opfer sind: Sich selbst als solches zu betrachten, ist immer nur ein Gedanke, eine Überzeugung. Selbst wenn Sie sich wie ein Opfer fühlen, werden Sie – sobald Sie sich in den gegenwärtigen Moment bringen – feststellen, dass Ihre Gedanken zum Stillstand kommen und das Gefühl sich sehr schnell auflöst. Sie werden lernen, wie Sie sich durch die Kraft der Präsenz selbst befreien können.

      Wenn Sie in das Gewahrsein des gegenwärtigen Moments eintreten, sind Sie immer mehr als das, dessen Sie sich bewusst sind. Mit mehr meine ich hier nicht „besser“ oder „wertvoller“, sondern Sie sind einfach mehr, weil Sie selbst über die Beziehung zu Ihren Gedanken und Gefühlen entscheiden können. Sie können die Wahl treffen, Ihren Gedanken zuzuhören oder nicht. Sie können beobachten, was passiert, wenn Sie etwas glauben. Sie können wahrnehmen, wie Sie sich dabei fühlen, sei es wütend, ängstlich, geliebt oder sicher. Sie müssen nicht automatisch glauben, was Sie denken, ganz gleich, ob es um Sie selbst, Ihr Leben, Ihre Krankheit oder was auch immer geht – speziell dann, wenn es Sie unglücklich macht oder bewirkt, dass Sie Unglück in das Leben anderer bringen. Sie können dieser Gedanken gewahr sein. Sie können sie hinterfragen und in Zweifel ziehen. Sie können sanft mit sich selbst umgehen, ganz gleich was Sie sich selbst denken hören. Und Sie können beginnen, Ihren eigenen Weg zu dem zu finden, was für Sie wahr und wichtig ist.

      Wir Menschen glauben längst nicht mehr, dass die Erde eine flache Scheibe sei oder dass die Sonne sich um die Erde drehe. Und auch Sie müssen nicht länger Vorstellungen über sich selbst hegen, die aus Ihrer Kindheit stammen oder aus einem Erziehungsprozess, der Ihren Kopf mit den Ideen anderer Menschen vollgestopft hat, anstatt Ihnen beizubringen, wie man selbst denkt. Sie sind ein Mensch, der mit der göttlichen Gabe des Gewahrseins ausgestattet ist und sich auf dem Weg zu seiner Wahrheit befindet. Gewahrsein ist Ihr Weg zur Wahrheit, zu einer tieferen Kenntnis Ihrer selbst – es ist Ihr Weg zur Liebe.

      Dieses Gewahrsein ist das Sein im „Menschsein“ und ermöglicht eine ständige Beziehung zu allem und jedem, was Sie jemals erkennen oder benennen können. Dennoch lässt es sich nicht in Zeit oder Raum lokalisieren. Sie sind weder nur Ihr Körper, noch sind Sie nur Ihre Gedanken oder Gefühle. Ihr authentisches Selbst ist das unbeschreibbare Wesen, das all dessen gewahr ist. Dadurch wird es möglich, dass Sie Ihre Aufmerksamkeit jederzeit bewusst auf einen Aspekt Ihrer Erfahrung lenken und ihn völlig neu betrachten können (– wodurch Sie sich selbst gleichzeitig ständig erneuern). Wann immer Sie dies tun, werden Sie feststellen, dass das emotionale Leid, das durch die Dinge entsteht, die Sie sich selbst erzählen, abnimmt und durch ein Gefühl der Verbundenheit ersetzt wird.

      Emotionale „Verschmutzung“

      Wir alle sind mit Dingen konfrontiert, die sich größtenteils unserem Einfluss entziehen, etwa Alterungsprozessen, genetischen Anlagen, der Verschmutzung unserer Umwelt, wirtschaftlichen und sozialen Missständen und anderem. Unsere Körper sind aber in jedem Moment auch der zusätzlichen Belastung einer emotionalen „Verschmutzung“ ausgesetzt, die unser Verstand erzeugt.

      Jeder Gedanke erzeugt eine entsprechende Empfindung im Körper, da Körper und Geist ein zusammenhängendes Ganzes darstellen. Glückliche Gedanken lösen bei Ihnen einen Schub an Wohlgefühl aus. Sorgen über die Zukunft oder Schuldgefühle in Bezug auf die Vergangenheit werden auf der körperlichen Ebene genauso empfunden, als würden wir von einem Raubtier angegriffen. Die gleichen Kampf-oder-Flucht-Hormone werden ausgestoßen, Kortisol und andere Stresshormone strömen durch Ihren Körper, beeinträchtigen Ihr Immunsystem, Ihr Herz, Ihr Gehirn, jede Zelle in Ihrem Körper. Und Gedanken dieser Art kommen nicht gerade selten vor: Die meisten Menschen haben am Tag Hunderte, ja sogar Tausende von Gedanken, die ihnen Furcht, Wut, Schuld oder Unsicherheit einflößen, und sind so einem ständigen, vom Verstand erzeugten Stress ausgesetzt.

      Ein körperliches Kranksein als solches, allein für sich genommen, reicht nicht aus, um dieses Gefühl von Bedrohung zu erzeugen. Schauen Sie sich einen Hund oder eine Katze an: Sie können verletzt oder krank sein, ohne dass Verwirrung und Stress auftreten. Diese Art von Stress kennt nur der Mensch – und er entsteht allein durch das Denken. Dass wir die Natur des Denkens nicht verstehen und nicht die Verantwortung dafür übernehmen – mithilfe der Kraft des Gewahrseins –, das ist die größte Ursache für unsere Leiden. Stärker als das reale Leiden an einer körperlichen oder psychischen Erkrankung und sogar stärker als das Leiden im Sterbeprozess ist das Leiden, das wir mit Gedanken erzeugen, die uns in uns selbst spalten oder von anderen abtrennen. Das und nichts anderes ist die größte Quelle unseres Elends.

      Wenn unser Denken uns „benutzt“

      Wir Menschen sind stolz auf unsere Fähigkeit zu denken. Es ist sicherlich richtig, dass wir erstaunlich fähige Geschöpfe sind, die sich immerhin die Zukunft ausmalen, geniale Maschinen erfinden, wundervolle Musik komponieren, großartige Kunstwerke schaffen und majestätische Gebäude errichten können. Stärker jedoch, als wir unser Denken zum Erschaffen dieser Wunder nutzen, werden wir die meiste Zeit von unserem Denken benutzt. Urteile, Meinungen und Glaubenssätze, die wir unhinterfragt übernehmen, bewirken, dass wir als Einzelperson und im Kollektiv (Gruppen, Unternehmen, Religionsgemeinschaften, Nationen) in Stolz, Angst, Abwehrhaltungen oder aggressives Verhalten verfallen.

      Ich spreche davon, dass wir von unserem Denken „benutzt“ werden, weil wir unseren Gedanken glauben und uns mit ihnen identifizieren, ohne vorher zu fragen: „Kann ich wirklich wissen, dass das, was ich gerade denke, wahr ist?“ Wir werden von unserem Denken benutzt, weil es uns ständig mit unserem Leben in Konflikt bringt. Wir stimmen dem Leben, so, wie es ist, nur selten zu. Stattdessen

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