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Reisen im Sudan. Alfred Edmund Brehm
Читать онлайн.Название Reisen im Sudan
Год выпуска 0
isbn 9783843802901
Автор произведения Alfred Edmund Brehm
Жанр Книги о Путешествиях
Серия Edition Erdmann
Издательство Bookwire
Ein Hügel hatte uns lange die Aussicht geraubt. Wir umfuhren ihn und kamen zu den Ruinen des Theseustempels. Die Akropolis lag vor uns, wir weideten unsere Augen an dem ersehnten Anblick. Dann fuhren wir in die Stadt. Mir kam sie wie ein elendes Bauerndorf vor, das sich um eine gut erhaltene, stolze Ruine gelagert hat. Die Häuser des heutigen Athen sind mit Ausnahme der königlichen, von deutschen Baumeistern aufgeführten Gebäude3 erbärmlich schlecht, die Straßen der Stadt sind krumm, eng und unregelmäßig, das Pflaster fehlt entweder oder ist so mangelhaft, dass man es kaum begehen kann. Das ist die Baukunst der heutigen Griechen.
Wie ganz anders erscheinen da die hehren Tempel der Akropolis! Wir besuchten sie am folgenden Tag, klommen auf der Nordseite den steilen Felsberg hinan, wandten uns dann westlich und gelangten durch den einzigen, von einem Invaliden gehüteten Eingang in den Tempelhof. Vandalismus und Egoismus haben sich vereinigt, um die erhabenen Monumente vergangener Zeiten zu zerstören. Ein Engländer nahm den größten Teil des Frieses vom Parthenon, »des schönsten Gebäudes in der schönsten Lage der Welt«, mit sich nach London und erbaute dafür einen schlechten Turm in der Stadt; die Türken brannten Kalk aus den Kapitälen der Säulen und fertigten Kanonenkugeln aus ihren Schäften. Jetzt sammelt die griechische Regierung die gefundenen Altertümer und versucht, die Monumente zu restaurieren. Es kann meine Absicht nicht sein, die Akropolis beschreiben zu wollen, zumal, da schon jeder Stein der Tempel durch Baukünstler und Maler gemessen und beschrieben wurde; ich begnüge mich, zu sagen, dass unsere Erwartungen von der Burg der Alten aufs Höchste gespannt waren und dennoch durch sie übertroffen wurden.
Nach einem Aufenthalt von mehreren Tagen stiegen wir eines Morgens sehr früh zu Pferde, um eine kurze Reise in das Innere des Landes anzutreten. Noch beleuchtete, als wir Athen verließen, der klare Sternenhimmel unseren steinigen Weg. Wir ritten eine Zeitlang in Olivenwäldern dahin und später in die Berge hinein. Zur Linken lag uns das Meer: ein nebelgrauer, ruhiger Streifen, den man schon recht wohl erkennen konnte. Viele Griechen begegneten uns und zogen mit ihren beladenen Eseln grüßend an uns vorüber. Durch eine steil abfallende Schlucht gelangten wir mit Sonnenaufgang in der Nähe der welthistorischen Bucht Salamis ans Meer, ritten eine Zeitlang der Küste entlang und dann über die triasianische Ebene wieder den Gebirgen zu. In einem Dorf hielten wir Rast und baten um Wasser. Nur mit Mühe erhielten wir einen Trunk brack und fade schmeckenden Zisternenwassers. Die Bewohner waren fast ohne Ausnahme hässlich; die Frauen schienen es wegen ihrer abschreckenden Tracht noch mehr als die Männer zu sein. Mit aller Anstrengung der Phantasie hätte man aus ihren Fratzen keine »griechischen Formen« herausfinden können.
Hinter dem Dorf begann ein Pinienwald, durch welchen uns die Straße führte. Wir waren in das Kerata-Gebirge eingetreten und hatten gehofft, hier wenigstens romantisch wilde Gegenden zu erschauen. Aber auch hier zeigte sich dieselbe Öde und Unfruchtbarkeit, Gleichförmigkeit und Dürre wie vorher in der Ebene. Wie ganz anders hatte ich mir Griechenland vorgestellt! Die grünbewaldeten Gebirge, mit ihren romantischen Schluchten und saftigen Wiesen im Talgrund sind wie die überall bebauten und belebten Ebenen mit den freundlichen roten Ziegeldächern der zwischen Obstwaldungen versteckten Dörfer dem Geist des Abendländers so vertraut geworden, dass er gar nicht glauben will, es könne woanders Berge und Täler, Dörfer und Städte geben, welche nicht ebenso beschaffen wären wie daheim. Und dass gerade Griechenland, das Land des milden Himmels, der Fruchtbarkeit und der segensreichen Erde, öder und trauriger sein könnte als Deutschland, hätte ich nie gedacht. Alle Reisenden schilderten seine Schönheit mit beredter Zunge, malten sein Bild mit glühenden Farben aus. Ich war überrascht, es nicht so zu finden, wie ich gehofft hatte.
Dazu kamen nun heute noch die ungewohnten Beschwerden der hier gebräuchlichen Art, zu reisen; das fremde, heiße Klima drückte uns, die Sonne versengte den Scheitel, kein Wasser erquickte die dürr gewordene Zunge. Wir erreichten missmutig und angegriffen eine Art von Schuppen, »Station« genannt. Die Baracke hatte neben der von drei Seiten offenen Vorhalle noch eine Spelunke für den Besitzer des ganzen Gebäudes. Dieser Kerl, ein schmutziger Grieche, wurde Wirt genannt, konnte aber außer schlechtem Branntwein und mit Pinien- und anderem Harz versetztem Wein nichts Genießbares anbieten. Wir genossen eine Tasse Kaffee und legten uns zur Ruhe nieder. Nach zweistündiger Rast ging es mit derselben Eile weiter wie früher. Die Straße führte uns bergauf, bergab durch öde, meist unbewohnte Gegenden. Nachmittags wurde noch einmal in einem kleinen Haus, in dessen Nähe gutes Wasser floss, gerastet. Die Hütte schien mehr der Hirten als der Reisenden wegen erbaut zu sein und war ebenso schlecht wie die frühere.
Wir waren bisher fortwährend gestiegen und sahen von unserem letzten Ruhepunkt aus noch hohe Berge vor uns. Die Gegend wurde wilder und romantischer. Ein verfallenes Kastell krönte den Rücken eines hohen Berges und mochte früher eine Talschlucht, durch welche wir ziehen mussten, beherrscht haben.
Durch die halsbrecherische Schlucht ritten wir in die Ebene hinab. Sie war dürr und unbebaut, obgleich der Boden überall der fruchtbarste Acker hätte sein können. Gegen neun Uhr abends ritten wir in Theben ein. Man erkennt die frühere Größe und Bedeutung dieses Orts nur noch durch ausgedehnte Trümmerhaufen; das heutige Theben ist ein elendes Dorf. Bei unserer Ankunft umringten uns Scharen von Müßiggängern und begleiteten uns zum Haus eines deutschen Arztes, des Dr. Hormel. Dieser empfing uns sehr gastfreundlich und tat mit seiner liebenswürdigen Frau, einer schönen, jungen Griechin, alles ihm nur Mögliche, um uns unsere große Ermüdung vergessen zu machen.
Nach Athen zurückgekehrt, bemühten wir uns, das eigentümliche Leben der Hauptstadt Griechenlands kennenzulernen. Es zeugt von der Verschmelzung des Morgen- und Abendlandes. Viele Sitten und Gebräuche der Griechen sind ganz die der Morgenländer, andere ähneln denen der Abendländer. Die Laster beider sind von den Griechen angenommen worden. Bei Tage sind die Straßen Athens ziemlich verödet; erst gegen Abend beginnt das wahre Leben, dauert aber auch bis tief in die Nacht hinein. Dann beleben sich die Balkone der bei Tag fast unzugänglichen Häuser mit den bisher eifersüchtig verborgen gehaltenen Frauen; die morgenländischen Kaufhallen, »Basar« genannt, sind erleuchtet, die Straßen werden lebendig. Da sieht man den zierlich gekleideten, vornehmen Griechen elastischen Schritts durch die Menge eilen, finster und ruhig lehnt das schroffste Gegenstück dazu, ein in Lumpen gehüllter Hirte, mit seinen rostigen Pistolen im schmutzigen Lendengurt, an einer Ecke – der erstere ist das vollendete Bild eines aalglatten, sich überall durchwindenden Gauners, der letztere das eines Räubers. Aus dem Basar ertönt das Geschrei eines Verkäufers, in den Straßen bieten barfüßige Malteser dem Fremden zudringlich ihre Dienste an und ähneln den vielen, jedermann ankläffenden herrenlosen Hunden, welche bei Nacht ebenfalls in den Straßen herumlaufen. In den Kaffeehäusern sieht man bereits die brennende Wasserpfeife der Türken, nur herrscht in dem engen Raum nicht die Ruhe eines orientalischen Kaffeehauses. Mehrere junge Leute tanzen nach der Musik einer Gitarre oder einer von ihnen singt dazu. Der Himmel bewahre aber jeden Fremden, das mit anhören zu müssen! Griechischer Gesang ist für das Ohr eines vernünftigen Menschen etwas Entsetzliches, er ist eine wahre Verhöhnung aller Musik. Erst nach Mitternacht wird es in den Straßen ruhig. Dann findet man viele der Armen mitten im Weg liegen, wo sie schlafen, und muss sich in Acht nehmen, keinen von ihnen zu treten oder zu stoßen.
Die heutigen Griechen, welche ich später in Ägypten noch genauer kennenlernte, ähneln in ihren Sitten noch sehr ihren Vorfahren, haben aber leider mehr deren Laster beibehalten als deren Tugenden. Vor allen anderen Eigenschaften machen sich bei ihnen Eitelkeit und Habsucht bemerklich; ich behaupte geradezu, dass diese der Hauptbeweggrund zu vielen lasterhaften Handlungen sind. Es ist traurig, aber wahr, dass man sich den heutigen Griechen kaum als tugendhaften Menschen denken kann. Er lässt die Fluren seines Vaterlandes unbebaut und wandert als Kaufmann aus, um schneller reich zu werden, oder wird Räuber und Mörder, um Geld zu bekommen. Der Grieche ist fleißig, aber nur um seiner Habgier und Eitelkeit frönen zu können; List und Betrug, Diebstahl und Mord sind bei ihm mit Fleiß identisch. Derselbe Kaufmann,