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der Rahmenbedingungen, politische Vorgaben und vieles mehr: Dieses Spektrum bekommt man weder mit Stärken-Schwächen-Analysen noch mit Rankings oder Wichtigkeits-Dringlichkeits-Sortieren unter einen Hut. Versucht man es trotzdem, vergleicht man Äpfel mit Birnen. Das ist keine Zukunftsvorsorge, sondern Spekulation. Je durchdachter und durchgerechneter, desto starrer und untauglicher. Man sollte sich daher vom Kreisklassen-Niveau der betriebswirtschaftlichen Zukunfts-Spökenkiekerei nicht verunsichern lassen.

      Erfahrene Zukunftsforscher misstrauen »Business-Plänen«, die rosige Aussichten versprechen (müssen). Papier ist geduldig. Vielmehr konzentrieren sie sich darauf, wie sich das Auf-uns-Zukommende beeinflussen und gestalten lässt: Wie Bevorstehendes befördert, geformt oder verhindert werden kann. Praktisch. Konkret. Jetzt.

      Insofern geht es in diesem Buch auch immer um ein neues Verständnis von Unternehmertum. Denn Unternehmer sind Gestalter par excellence! Die Winkelzüge unternehmerischen Handelns sind für KMU viel wichtiger als »Milestone-Watching«, Daten-Updates oder das Mit-Surfen auf der neuesten ultimativen Managementmode. Einzig die Summe und das Zusammenspiel ihrer Tätigkeiten verleihen den KMU ihr unternehmerisches Gesicht. Nur dadurch werden sie unverwechselbar, interessant, innovativ und richtungweisend. Und wenn nicht? Dann hilft auch keine noch so gut geplante Strategie.

      Zum Spielmacher werden: Zugriff auf morgen

      Taktisches Spiel mit den eigenen Möglichkeiten

      Wirkliche Zukunftsforscher entwickeln nicht die Zukunft, sondern Zukünfte. Sie identifizieren zentrale Stellhebel einer Organisation und entwerfen einen nur für dieses Entscheidungssystem bedeutsamen Gestaltungsraum. Um das Unternehmen auf Bevorstehendes und möglichst viele Eventualitäten vorzubereiten, werden für diesen Raum verschiedene Optionen – Zukünfte – durchgespielt. Zukunftsforschung setzt also auf gedanklich-spielerisches Taktieren, auf Vorwegnehmen und Entwerfen und nicht auf das Finden des einzig wahren Unternehmensziels.

      Wirkliche Zukunftsforscher organisieren einen Schnelldurchlauf von Entwicklungsmöglichkeiten und Eintrittswahrscheinlichkeiten und versuchen, diese möglichst erfolgversprechend zu »händeln«. Es geht hier also um einen Intensivkurs in systematisch kalkulierter Improvisation. Dabei lernen Unternehmer ihre individuellen Finessen und taktischen Stärken kennen, aber auch ihre Konditionsprobleme. Zudem entwickeln sie ein Gespür dafür, wie sich ihre Stärken nutzen und ihre Schwächen ausbremsen lassen.

      Wie wichtig das ist, hat man im (Profi-)Fußball längst kapiert: Eine ganze Reihe jüngerer Trainer versucht, ihren Spielern statt sturem Positionsspiel Flexibilität und Situationsverständnis beizubringen. Das Konzept dahinter: ihre Spieler in (fast) jeder Situation entscheidungsfähig und reaktionsschnell zu machen. So geschulte Fußballer sind Meister in kalkulierter Improvisation.

      »Wir müssen gewinnen, alles andere ist primär.«

      HANS KRANKL

      Mit Blick auf den Sport lässt sich aber noch einiges mehr lernen. Etwa ein anderes Verständnis von Entscheidungen als in der Wirtschaft. Entscheidungen haben im Sport einen völlig anderen Stellenwert. Sie werden verstanden als »situationsgerecht« oder »angemessen«, nicht als einzig richtig. Unternehmer hingegen haben die Devise verinnerlicht: »Machst du’s nicht richtig – schon isses verkehrt!« Entscheidung X hat unausweichlich die Konsequenz Y. Solche Kausalketten lassen sich kaum sprengen – und falls doch, dann nur mit größter Anstrengung und enormen Kosten. Wir sind fixiert auf das Denken in simplen Ursache-Wirkungs-Ketten. Aber: Wenn sich die Gegebenheiten ändern, müssen dann nicht auch getroffene Entscheidungen revidiert werden?

      Die Fähigkeit zum schnellen, intelligenten Kurswechsel ist DAS Erfolgsgeheimnis kleiner und mittelständischer Unternehmen.

      Dieses Erfolgsgeheimnis kann man von der spielerischen Leichtigkeit des Fußballs lernen. Denn auch in Unternehmen geht es um Spiel-Gestaltung: Es gilt, seine kontrollierte Offensive in einer neuen Situation taktisch überzeugend durchzusetzen. Und zudem zählen Erfolgreiche auf ihre eigenen Fähigkeiten und die Stärken ihres Teams. Wer sich das Spiel von anderen aufzwingen lässt, hat schon verloren – das passiert leider häufig. Viele Unternehmer beschäftigen sich allzu gern mit dem, was sie nicht im Griff haben. Sie lassen sich von Business-Flüsterern und von dem, was gerade neu und aktuell ist, ins Abseits locken. Dabei führt allein die Perfektionierung der zur Mannschaft passenden Spielkultur dazu, dass man ein Spielniveau erreicht, um oben mitspielen zu können.

      Mitspielen!

      Aus allen diesen Gründen ist Bolzen ein richtig gutes Sujet für Zukunftsforscher. Deshalb lehnt sich dieses Buch an ein Fußballspiel an. Wer will, kann mitspielen. Die »Spielanalyse« am Ende der einzelnen Kapitel zeigt beispielhaft ein methodisches Verfahren aus der Zukunftsforschung – die Szenariotechnik. Unsere Kurzvariante dieser Methode verrät in groben Zügen, wie Projektionen in der Zukunftsforschung funktionieren. Konkret am Beispiel dieser Methode: Was das eigene Unternehmen auf dem jeweiligen Markt ausmacht. Was Ihr Betrieb dort zu suchen hat. Wie er »tickt«. Wie man die eigenen Stellhebel und Einflussfaktoren identifiziert. Wie sich diese auf die geschäftliche Zukunftsperspektive auswirken. Und wie hungrige Sieger-Naturelle mittels solcher Taktiken zum Spielmacher werden und zu unternehmerischem Erfolg gelangen.

      Vor dem Anpfiff werfen wir aber zunächst einen Blick auf die erste Liga des Zukunfts- und Prognosemarktes. Auch wenn man sich auf die eigenen Stärken konzentrieren sollte – ein Blick auf die Spielgestaltung bei den Großen kann nie schaden.

      Auf dem Spielformular

      Die Premier League des Prognosemarktes

      Liga-Struktur

      Die Zukunftsbranche ist recht übersichtlich – zumindest, was die erste Liga betrifft. Zwar gibt es eine Sintflut an Publikationen und Zukunftsstudien zu demographischen, energiepolitischen, ökologischen, globalen und vor allem wirtschaftlich-unternehmerisch interessanten Entwicklungen. Doch diese Infotainment-Schwemme stammt fast ausschließlich aus der Feder – oder besser aus dem Laptop – einer kleinen Schar von Hot-Shots, die sich im gleißenden Stadion-Flutlicht positioniert haben. Die berühmte sichtbare »Spitze des Eisbergs« der Profession. Aber sie prägt das Image der Zukunftsforschung, und das maßgeblich.

      In diesem Unterkapitel erfahren Sie

      ∎ Einzelheiten über die Annalen der Zunft,

      ∎ wer die Branche in der öffentlichen Wahrnehmung repräsentiert

      ∎ und wie sie sich verändern müsste, um im Heute anzukommen.

      Vor dem Blick auf die Hot-Shots von heute zunächst einer zurück – um die aktuelle Situation der Zukunfts- und Trendforschung zu verstehen. Denn, wie schon erwähnt: Zukunft hat Herkunft! (Ein weiterer Treppenwitz der Zukunftsforscher spielt mit dieser Einsicht: Die Zukunft ist immer schon da – nur ungleichmäßig verteilt …)

      Aus den Annalen

      Der Wunsch zu wissen, was die Zukunft bringt, ist ein urmenschlicher. Seit jeher wurde zu den Sternen oder Wolken geguckt. Ins Feuer. In den Rauch. Die Glut. Oder den Kaffeesatz. Wurden Schildkrötenpanzer, Knochen oder Schafgarben geworfen, um die dabei entstehenden Formen auf Kommendes zu erkunden. Wurden Träume gen Morgen gedeutet. So bekam der biblisch verbuchte Joseph bekanntlich nach Auslegung der pharaonischen Nachtmahre, die seines Erachtens erst sieben fette und dann sieben magere Jahre vorhersagten, einen Job als Nahrungsmittel-Manager im alten Ägypten. Statusträchtig waren solche Kompetenzen also schon immer.

      »Jeder sollte an irgendwas glauben, und wenn es an Fortuna Düsseldorf ist.«

      CAMPINO

      Das für unser westliches Abendland maßstabgebende professionelle Modell für Zukunftsmanagement steht noch halb im Mythos – nämlich im »alten« Griechenland. Hier wurde die Tradition begründet, unternehmerisch »in Zukunft zu machen«. An den Hängen des Parnass-Gebirges, in Delphi. Die potente Kundschaft dieser griechisch-antiken Zukunfts-Offenbarungsstätte hatte existenzielle Fragen an den Gott Apollon (und durfte mit üppigen Opfergaben die Rechnung begleichen). Beim

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