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Sie suchen nach schwarzem Unrat, und dann immer hinein, immer hinein! Wenn Sie möglichst fest drin sitzen, so sagen Sie, Sie lebten nach dem Herzen Gottes!«

      »Sie wissen nicht, was Erde ist«, antwortete der Maulwurf freundlich und langsam, lächelte und strich sich über den Bauch. »Sie wissen es nicht, Sie windiges Federvieh. Wer sich in der Luft herumtreibt, muß notwendigerweise leichtsinnig und haltlos werden. Nicht einen einzigen Gang haben Sie, der Ihnen gehört, den Sie kennen. Hierhin, dorthin, wie es Ihnen in den Sinn kommt, und abends sitzen Sie da und wissen selbst nicht, wozu dieses ungeregelte Geflatter eigentlich stattgefunden hat.«

      Es zog ein Duft herüber vom Abhang, irgendwo mußte ein Waldstrauch aufgeblüht sein.

      Ein paar Tiere hatten sich um die Streitenden versammelt, Li, das Eichhorn, Josa, die Ringelnatter, und von der Dolde einer eben erblühten Schafgarbe schauten ein paar Käfer hinüber und amüsierten sich über den Streit, der andauerte und ebenso erregt wie heiter wurde, aber plötzlich verstummten die lachenden und eifrigen Stimmen eine nach der anderen, obgleich zu Anfang noch niemand recht wußte, was eigentlich geschehen war.

      Hinter einem großen alten Baumstumpf hervor fiel aus dem Waldschatten ein Lichtschein, der nicht von der Sonne kam, aber trotz ihres Lichtes hell schimmerte. Dieser Glanz war es, der die plötzliche Stille mit sich brachte, dies Schweigen eines tiefen Erstaunens, in das alle versammelten Tiere fielen. Sie wandten ihre Augen in großer Verwunderung eins nach dem andern diesem Leuchten zu, und ihnen ward so seltsam zumut, daß manchem das Herz laut und hörbar in der Brust klopfte.

      Da erkannten sie einen kleinen, kleinen Menschen, der blaß und still mitten in diesem Leuchten stand und seine Arme emporhob, als ob er ihnen mit Angst und einer Bitte nahte. Er war kaum so groß wie die Feldblumen am Wiesenrand. Sie erkannten, daß zwei helle Flügel seine Schultern überragten, so weiß wie Schnee und von großer Zartheit, so daß sie in dem sanften Windzug erzitterten, der über die winzigen braunen Wäldchen der Moosblumen zog. Der ganze Körper dieses wunderbaren Wesens war durchschimmert von Licht und schien viel eher zu schweben, als zu schreiten, aber es war kein Zweifel, ein lebendiges Wesen kam auf sie zu, mit großen Augen, wie zwei Sterne.

      Das Erstaunen und das Entzücken der Waldwiesenleute läßt sich nicht schildern und, o Wunder, nicht nur die großen und kleinen Tiere, nein auch die Sträucher und Blumen, ja die kleinsten Pflanzen erschauerten bis tief in ihre Seelen vor dieser reinen Lichtgestalt, die wie ein kleiner Engel unter sie trat.

      Nun wußten wohl manche der erfahrenen Geschöpfe, daß dies nur ein Blumenelf sein konnte, aber ihre Verwunderung wurde darüber nicht geringer, denn die Blumenelfen leben nur des Nachts, für wenig Stunden, in denen der Mond sie weckt, und wer wüßte nicht, daß sie mit der heraufsteigenden Sonne sterben müssen und im Morgentau zerfließen, damit die Blumen sie wieder in ihre Kelche nehmen können? Es war nie gehört worden, soweit die ältesten Tiere zurückdenken konnten, daß am Tage, im Sonnenlicht, ein Blumenelf erblickt worden wäre, und selbst die Linde, die schon viele hundert Jahre lang die Erde kannte, rauschte geheimnisvoll auf, und es erklang über alle die betroffenen Seelchen hin aus ihrer Höhe:

      »Ein Wunder geschieht, ihr Lieben, ein Wunder!«

      Die Geschöpfe des Waldes standen ratlos da, ohne daß eines von ihnen gewagt hätte ein Wort zu sagen. Andere kamen aus ihren Schlupfwinkeln hervor und starrten fassungslos hinüber, alle Furcht voreinander vergessend, es dachte aber auch wirklich jetzt niemand daran, einem anderen ein Leid zuzufügen.

      Da sagte das kleine Menschenwesen zu den Tieren:

      »Erschreckt euch nicht, ich bin nur ein Blumenelf. Ich habe mich verflogen und kann nicht mehr in meine Heimat zurück. Erlaubt mir, daß ich bei euch bleibe.«

      Die Bewegung unter den Waldwiesenleuten war unbeschreiblich. Sie hatten alles eher erwartet, als diese einfache und bescheidene Bitte, und waren ratlos vor lauter Verlangen, dem Elfen ihr Entgegenkommen und ihr Wohlwollen zu zeigen. Da ließ sich aus einem Lindenast, dicht am Stamm im Schatten, die Stimme der alten Eule Uku vernehmen, die durch dieses Ereignis trotz der Tageshelle aus ihrer Baumhöhle getreten war.

      »Preist euch glücklich,« rief sie laut, »ein Elf will bei euch wohnen! Glaubt mir, daß mit ihm nur Freude bei uns einkehren wird, und seid liebreich zu ihm.« Hierauf wandte sie sich an den Elfen selbst und fuhr fort. »Sei uns willkommen und wohne bei uns auf der Waldwiese, wo du willst und solange du magst. Es wird keiner unter uns sein, der dir nicht gerne gefällig ist, wir sind sehr erfreut, daß du Wohnung bei uns nehmen willst, und es ist auch recht schön hier, das kann man ohne Übertreibung wohl sagen.«

      Die alte Uku galt als sehr weise und genoß hohes Ansehen auf der Waldwiese. Aber es hätte ihrer Fürsprache kaum bedurft, denn alle Tiere waren sich darüber einig, daß dem lieblichen Lichtwesen, das unter sie getreten war, ein herzlicher Empfang bereitet werden müßte. Nach Ukus Worten war die Befangenheit der Überraschten ein wenig gewichen, sie drängten sich herzu, jeder mit einem Vorschlag oder mit einem Angebot, und die Wiesenblumen begannen ihr feines Läuten im Windhauch, kurz, es war niemand da, der nicht in freudiger Erregung in Ukus Meinung einstimmte.

      Der Elf nahm diese Freundlichkeiten mit einem Dankeslächeln auf, das alle aufs tiefste rührte, denn sie wußten, daß ein Elf nicht zu bitten braucht, wer kannte nicht die Macht der Blumenelfen?! Wohl erschien es ihnen, als habe er das Reich seiner Macht, die ungewisse Nacht, aufgegeben, aber wer konnte wissen, welches Vorhaben ihn bewogen hatte, den hellen Tag und das Bereich der Sonne aufzusuchen? Jedoch ihre Neugierde und ihre Zweifel sollten bald gestillt werden, und sie erhielten Gewißheit über die Fragen, die sie beschäftigten, denn der Elf erzählte ihnen seine Geschichte, nachdem er ihnen von Herzen Dank gesagt hatte.

      »Ich muß auf der Erde verharren,« begann er mit heller, trauriger Stimme, »ich kann nicht in das freie Reich der Elfen zurückkehren wie meine Gefährten, denn ich habe das Licht der Sonne erblickt, die kein Elf sehen darf. Als ich in einer klaren Nacht der Lilie entstieg, die mich geboren hat, wuchsen mir meine Flügel, die wir Elfen erhalten, sobald wir den Willen haben, unsere Blume zu verlassen, um einem anderen Wesen Glück zu bringen. Aber wir können dann nicht in die Blume zurückkehren, sondern im Morgengrauen verwandelt das erste Licht uns in Tau, und die Pflanzen nehmen uns auf, und unsere Seele kehrt ins Elfenreich zurück. Aber das werdet ihr wissen, ihr Lieben.

      In jener Nacht nun, in welcher ich erwachte, kam ein kleines geflügeltes Tier zu mir, es war eine Biene, die Maja hieß, und die ihren heimatlichen Stock verlassen hatte, um die Welt kennenzulernen. Sie hatte den Wunsch, die Menschen zu sehen, wie sie am schönsten und glücklichsten sind, und ihr wißt, daß wir Elfen Macht haben, den liebsten Wunsch des ersten Wesens zu erfüllen, das uns in unserer Lebensnacht begegnet. So flogen wir miteinander durch die helle Nacht bis an einen Ort am Waldrand, wo in einer Laube, unter blühenden Zweigen, zwei Menschen weilten. Es waren ein Mädchen und ein Jüngling. Sie hatte ihren Kopf an seine Schulter gelehnt, und sein Arm hielt sie umschlungen, als ob er sie schützen wollte. Sie saßen still da und schauten mit ihren großen Augen in die Nacht.

      Dort nun, ihr Lieben, geschah meinem Herzen das Wunder, um dessentwillen ich heute unter euch erscheine, denn ich konnte meine Augen nicht mehr von den Angesichtern der beiden Menschen abwenden. Im Himmelsschein der stillen Nacht strahlte es von ihren Stirnen und aus ihren Augen, kein irdischer Mund vermag das selige Heil zu nennen, in dem sie zu glühen schienen. Ich erzitterte heiß, bis tief in die Gründe meiner Seele hinab, ich versuchte diesen Glanz zu fassen, diese Wohltat und die Freude dieser Gemeinschaft zu verstehen, aber mein Herz vermochte es nicht. Ich fühlte, wie es sich dieser hellen Kraft des Irdischen zu öffnen trachtete, aber zugleich empfand ich in unbeschreiblicher Traurigkeit, daß dieses Erdenwunder des Glücks nicht mein Teil werden konnte.

      Und mehr und mehr erschien es mir, als ginge von der Seligkeit der beiden Menschen eine immer größere Helligkeit und Wärme aus, ein Glanz, der mich taumeln machte, und mich in eine schmerzhafte Verzückung brachte, in der ich fast meine Sinne schwinden fühlte, und die doch wie ein barmherziges Wunder in meine Seele einzog. Was geschieht mir nur, dachte ich, was soll ich erleben?! Was gibt es noch auf dieser fremden Erde, was ich nicht gewußt habe?

      Da traf es plötzlich meine Stirn wie ein lautloser

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