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       Waldemar Bonsels

      Indienfahrt

      Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2020

       [email protected]

      EAN 4064066118037

       Erstes Kapitel Von Panja, Elias und der Schlange

       Zweites Kapitel Cannanore, die Fischer und das Meer

       Drittes Kapitel Die Nacht mit Huc, dem Affen

       Viertes Kapitel Am Silbergrab des Watarpatnam

       Fünftes Kapitel Dschungelleute

       Sechstes Kapitel Im Fieber

       Siebentes Kapitel In den Bergen

       Achtes Kapitel Am Thron der Sonne

       Neuntes Kapitel Die Herrschaft des Tiers

       Zehntes Kapitel Sumpftyrannen

       Elftes Kapitel Mangalore

       Zwölftes Kapitel Von Frauen, Heiligen und Brahminen

       Dreizehntes Kapitel Das letzte Feuer und der alte Geist

       Vierzehntes Kapitel Der Heimat zu

       Von Panja, Elias und der Schlange

       Inhaltsverzeichnis

      Als ich in der gesegneten Provinz Malabar in der Stadt Cannanore anlangte, führte mich der Hindu Rameni vor das Haus, das er mir für die Zeit meines Aufenthaltes vermieten wollte. Es war nach Art der europäischen Häuser Indiens erbaut, einstöckig, mit hohem überhängenden Dach und einer breiten Veranda, die die ganze Front entlang lief. Ich erblickte es, nachdem wir uns mit vereinten Kräften durch den verwilderten Garten gearbeitet hatten. Rameni sagte: „Dies ist mein liebstes Besitztum auf Erden. Ich habe es geschont und behütet, und seit sieben Jahren hat kein menschlicher Fuß es betreten. Sein letzter Bewohner war Sahib John Ditrey, ein englischer Offizier von großer Macht, dem jeder Soldat Gehorsam leistete, der in seine Nähe kam. Er war Tag für Tag glücklich unter diesem Dach und wäre es heute noch, wenn die Regierung ihn und seine Leute nicht an einen anderen Ort verschickt hätte.“

      Ich betrachtete die großen, meist leeren Räume, in denen sich eine üppige Vegetation entwickelt hatte und in denen eine Tierwelt ihr Dasein fristete, deren Mannigfaltigkeit meine Erwartungen aufs höchste steigerte.

      „Alle diese Tiere sind arglos,“ sagte Rameni freundlich, „sie werden sich zum großen Teil wahrscheinlich zurückziehen, denn sie lieben die Gesellschaft der Menschen nicht. Aber da du in Begleitung bist, Sahib, einen Hund, einen Diener und einen Koch mitgebracht hast, wird dein Gemüt von keiner Einsamkeit zernagt werden. Ich gebe Hühner, wenn du willst…“

      Rameni beherrschte die englische Sprache in einem Maße, daß ich fühlte, wie meine Haare sich unter dem Korkhelm sträubten.

      „Auch du bist ein Engländer,“ sagte er zu mir, als er eine lange Ruhmrede auf Sir John Ditrey, den Offizier, beendet hatte.

      Ich sagte ihm, daß ich ein Deutscher sei, und er tröstete mich.

      „Ich habe von diesem Land niemals gehört,“ sagte er endlich, „aber seine Bewohner gelten als freigebig, und wahrscheinlich ist es reicher als das britische Reich.“

      Da ich ihn verstand, fragte ich nach dem Preis, den er als Miete für seine Besitzung fordere. Er sprach darauf so eifrig von anderen Dingen, daß meine Befürchtungen an Raum gewannen. Endlich gelang es mir, ihn zu Geständnissen zu überreden, und er begann zu rechnen und addierte mit geheimnisvoller Ergriffenheit die Verluste zusammen, die ihm in den sieben Jahren entstanden waren, in denen sich kein Mieter gefunden hatte. Ich beobachtete schweigend ein Volk weißer Ameisen, das die Dielen des Fußbodens und das Mauerwerk auf das geschickteste zur Anlage ihrer Ortschaften untergraben hatte. Ich werde euch nicht hindern, dachte ich, eure Reiche sollen unter meiner Herrschaft zu ungeahnter Blüte gelangen, und ich will euch ein weiser Fürst und treuer Gefährte sein. Durch das Palmendickicht am Fenster strahlte die Morgensonne, durch grüne Schleier voll zackiger Ornamente. Das unfaßliche Bewußtsein jenes Glücks, unter dem ich erzitterte, seit ich den Boden Indiens betreten und zum erstenmal den Geruch, die Wärme und das Licht dieses Landes eingesogen hatte, sank mir aufs neue ins Herz.

      „Fürchte dich nicht, Sahib,“ sagte Rameni und zählte an seinen krampfhaft gespreizten Fingern, vor Zweifel, Hoffnung und Erwartung beinahe fassungslos. Ich sprach von meinem Mut, und er hob die Hand zum zehnten Male, um aufs neue die braunen, mageren Finger von rechts nach links nebeneinander zu ordnen. Dann vergaß er alles und sprach hastig von der Teuerung und den schlechten Reisernten. „Jeder Kuli wird es dir bestätigen,“ rief er, „soll ich einen rufen?“

      „Wieviel forderst du?“ sagte ich streng. „Ich habe von einem Haus am Meer gehört, das der Kollektor vor Jahren bewohnt haben soll, und das die Regierung für einen geringen Preis hergibt.“

      Rameni gab sich mit großer Anstrengung einen Ruck und teilte mir mit, daß das Haus im Jahre wohl einen Mietwert von hundert Rupien habe, für die verlorenen sieben Jahre wolle er mir nur den vierten Teil dieser Summe in Rechnung stellen, unter der Bedingung, daß ich ihm für die drei kommenden Jahre den vollen Preis vorauszahlte.

      Als ich nickte, erblaßte er.

      „Sahib,“ stammelte er, „verspottest du deinen Diener? Es ist wahr, ich habe eine große Forderung gemacht. Vergessen wir die sieben verderblichen Jahre, ich werde die Schickung des Himmels verschmerzen, zumal sie vorbei ist. Wenn du in der Tat drei Jahre vorausbezahlst, so werde ich dir so lange dienen, als ich lebe.“

      Ich habe über meine Bereitwilligkeit niemals Reue empfunden und obgleich ich nur einige Monate in Cannanore geblieben bin, hat mein geringes Opfer sich in der ausgiebigsten Weise belohnt, denn Rameni setzte seine ganze Ehre ein, um die Beschämung gutzumachen, die ich ihm ohne meinen Willen angetan hatte. Er sandte mir beinahe täglich Eier und Früchte, Fische oder Geflügel und widersetzte sich keinem meiner Wünsche, die sich auf Einrichtungen oder Veränderungen in Haus und Garten bezogen. Erst als er nach Wochen bemerkte, daß ich in einem Glaskasten eine lebende Kobra unterhielt, zog er sich von mir zurück, ohne meine Schwelle noch einmal zu betreten und ohne meine Hand noch einmal zu berühren. Er vermied es weniger aus Furcht und, wie ich zuverlässig weiß, nicht ohne Kummer, sondern weil er es nicht mit seinen Überzeugungen vereinigen konnte, eine Gottheit gefangenzusetzen, um durch eine Glasscheibe zu beobachten, was sie tat. Aber die Zeit unserer Gemeinschaft bis

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