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kam er so plötzlich, dass natürliche Ursachen nicht dafür verantwortlich sein konnten. Sie sind scharfsinnig genug, um den Schluss zu ziehen, dass dieser Sturm göttlichen Ursprung haben muss, vielleicht als Antwort auf eine besonders schwere Sünde.21 Und schließlich sind sie nicht engstirnig oder voreingenommen. Sie sind offen dafür, den Gott Jonas anzurufen, ja sie sind eher bereit dazu als Jona selbst.

      Als der Kapitän den Propheten schlafend vorfindet, sagt er: „Steh auf und rufe […]!“ Es sind dieselben Worte (hebr. qum lek, V. 6), die Gott benutzte, als er Jona befahl, aufzustehen, nach Ninive zu gehen und die Stadt zur Buße zu rufen22 – und während Jona sich noch die Augen reibt, hört er diese Worte Gottes aus dem Munde eines heidnischen Kapitäns. Was ist das? Gott hatte seinen Propheten ausgeschickt, um die Heiden zu sich zu rufen, und jetzt sind es die Heiden, die den Propheten auf Gott hinweisen!

      Die Seeleute fahren fort, sich vorbildlich zu verhalten. Nachdem sie erkannt haben, dass hinter diesem Sturm menschliche Sünde und eine göttliche Hand stehen, werfen sie Lose. In der Antike war es nichts Außergewöhnliches, Lose zu werfen, um den Willen der Götter zu erfragen. Möglicherweise schrieben die Seeleute die Namen aller Männer auf Holzstücke, und das Stück, das gezogen wurde, war das mit Jonas Namen.23 Hier benutzt Gott das Werfen von Losen, um mit dem Finger auf Jona zu weisen. Doch selbst jetzt, als sie die offensichtliche göttliche Antwort vor sich haben, verfallen die Seeleute nicht in Panik oder werden handgreiflich. Sie kommen nicht sofort zu dem Schluss, dass sie nun die Berechtigung hätten, Jona umzubringen. Stattdessen hören sie sich an, was er zu sagen hat, um die richtige Entscheidung treffen zu können. Sie erweisen ihm und seinem Gott den größten Respekt. Selbst als Jona ihnen vorschlägt, ihn über Bord zu werfen, tun sie ihr Möglichstes, um das zu vermeiden. An jedem Punkt der Geschichte stellen sie Jona mit ihrem Verhalten in den Schatten.

      In diesen Versen steckt viel von dem, was der Autor des Buchs uns aufzeigen will. Was hätte Jona lernen sollen? Was sollen wir lernen?

      Das Wohl aller suchen

      Das Erste, was wir lernen, ist, dass Menschen außerhalb der christlichen Kirche das Recht haben, diese auf ihr Engagement für das Gemeinwohl hin zu prüfen.

      Die Seeleute sind in Lebensgefahr. Sie haben alles versucht, was ihnen technisch und religiös möglich ist, um die Gefahr in den Griff zu bekommen, und es hat nicht gereicht. Sie spüren, dass ihre Rettung davon abhängt, dass Jona ihnen hilft, aber der tut absolut nichts. Und so kommt es zu dieser denkwürdigen Szene, in der ein heidnischer Schiffskapitän den heiligen Propheten Gottes tadelt. Hugh Martin hat eine Predigt über diesen Text gehalten, mit dem Titel „Die Welt ermahnt die Kirche“,24 in welcher er zu dem Schluss kommt, dass Jona diesen Tadel verdient hatte – und zum großen Teil hat die Kirche heute ihn ebenfalls verdient.

      Weshalb weist der Kapitän Jona zurecht? Er wirft ihm vor, dass er sich nicht um das Wohl der Menschen in dem Schiff kümmert, die doch buchstäblich alle im gleichen Boot sitzen. Er sagt: „Siehst du nicht, dass wir in Lebensgefahr sind? Wie kannst du da so gleichgültig sein? Du bist doch ein Mann des Glaubens. Warum setzt du deinen Glauben nicht für das Allgemeinwohl ein?“ Der französische Theologe Jacques Ellul schreibt:

      Diese Seeleute aus Jafo […] sind Heiden oder, modern ausgedrückt, Nichtchristen. Aber […] das Los der Nichtchristen und das der Christen hängen […] zusammen; sie sind im selben Boot. Die Sicherheit aller hängt daran, was jeder Einzelne tut […]. Sie sind in demselben Sturm, in derselben Gefahr und sie wollen denselben Ausgang […] und dieses Schiff ist ein Symbol unserer Situation.25

      Wir alle – Gläubige und Nichtgläubige – sitzen „in demselben Boot“. (Auf niemanden trifft dieses alte Sprichwort mehr zu als auf Jona!) Wenn eine Stadt unter hoher Kriminalität leidet oder unter einer Epidemie, oder wenn das Trinkwasser knapp wird oder die Arbeitslosenquote in die Höhe schnellt, wenn es wirtschaftlich oder sozial Probleme gibt, sitzen wir alle im selben Boot. Dort in dem Schiff wohnt Jona in demselben „Viertel“ wie diese Matrosen, und der Sturm, der eine Person bedroht, bedroht die ganze Gemeinschaft. Jona hat die Flucht ergriffen, weil er nicht für das Wohl der Heiden tätig werden wollte, sondern ausschließlich für das der Gläubigen. Doch hier zeigt Gott ihm, dass er der Gott aller Menschen ist. Jona muss lernen, dass er ein Glied der gesamten Menschheit ist und nicht nur einer bestimmten Glaubensgemeinschaft.

      Das soll aber kein rein pragmatisches Argument sein, nach dem Motto: „Christen sollten gefälligst Nichtchristen helfen, oder sie werden in Schwierigkeiten kommen.“ Die Bibel sagt uns, dass wir Mitmenschen aller Menschen sind, die ja alle nach Gottes Bild erschaffen und daher in seinen Augen unendlich wertvoll sind (1. Mose 9,6; Jakobus 3,9).

      Der Kapitän hält Jona dazu an, zu tun, was er kann – für alle. Selbstverständlich hat der Kapitän keine genauen Vorstellungen über Jonas Gott. Was er erhofft, ist wahrscheinlich nur ein Gebet zu irgendeinem mächtigen übernatürlichen Wesen. Aber trotzdem ist die Kritik des Kapitäns, wie Hugh Martin argumentiert, treffend. Jona nutzt nicht die Möglichkeiten, die sein Glaube ihm bietet, um das Leiden seiner Mitbürger zu lindern. Er sagt ihnen nicht, wie sie eine Beziehung zu dem Gott des Universums aufbauen können, ja er nutzt seine eigene Beziehung zu Gott noch nicht einmal dazu, seine Mitmenschen zu lieben und ihnen ganz praktisch zu helfen. Gott gebietet allen, die an ihn glauben, beides zu tun; Jona tut nichts von beidem. Sein privater Glaube hat keine Auswirkungen auf das Gemeinwohl.

      Manch einer würde hier sicher einwenden, dass die Welt kein Recht darauf habe, die Kirche zu tadeln, aber ausgerechnet die Bibel erlaubt diesen Tadel. In seiner Bergpredigt hat Jesus gesagt, dass die Welt die guten Taten der Christen sehen und Gott dafür preisen soll (Matthäus 5,16). Die Welt wird nicht sehen, wer unser Herr ist, wenn wir nicht so leben, wie er es uns geheißen hat. Wir sind, mit den Worten eines Buchtitels, „Die Kirche, auf die die Augen der Welt gerichtet sind“.26 Wir haben die Kritik der Welt verdient, wenn die Kirche Gottes Liebe nicht in der praktischen Tat sichtbar macht. Der Kapitän hatte jedes Recht, einen Frommen zu tadeln, der sich nicht um die Probleme seiner Mitmenschen kümmerte und keinen Finger für sie rührte.

      Allgemeine Gnade erkennen

      Wir lernen weiter, dass Christen die Weisheit, die Gott den Nichtgläubigen gegeben hat, respektieren und von ihr lernen sollen. Die heidnischen Seeleute sind ein lebendiges Beispiel für das, was Theologen „allgemeine Gnade“ nennen.

      In [dieser] Episode liegen Hoffnung, Gerechtigkeit und Integrität nicht bei Jona […], sondern bei dem Kapitän und den Matrosen […]. Obwohl sie unschuldige Opfer sind, begehren die Seeleute nicht auf. In einer gefährlichen Situation gelandet, die sie nicht selbst geschaffen haben, versuchen sie, eine Lösung zu finden, die für alle gut ist. Zu keinem Zeitpunkt versinken sie in Selbstmitleid, klagen einen bösen Gott an […], verurteilen die Willkür der Welt, schwören dem Schuldigen, Jona, Rache oder sehen die Lösung in Gewalt.27

      Die Lehre von der allgemeinen Gnade besagt, dass Gott allen Menschen – egal, was ihre ethnische Herkunft oder ihre Religion ist – Gaben der Weisheit, der moralischen Erkenntnis, der Güte und der Schönheit gegeben hat. Wie es in Jakobus 1,17 heißt: „Von oben kommen nur gute Gaben und nur vollkommene Geschenke; sie kommen vom Schöpfer der Gestirne […]“ Mit anderen Worten: Letztlich ist es Gott, der jede Tat der Güte, der Weisheit, der Gerechtigkeit und Schönheit möglich macht – egal, wer sie vollbringt. Jesaja 45,1 bezeichnet Kyrus, einen heidnischen König, als Gottes „Gesalbten“, den Gott benutzt, um die Geschicke der Welt zu lenken. Und in Jesaja 28,23-29 erfahren wir, dass ein Bauer dann eine gute Ernte einfährt, wenn er Gottes Unterweisung gefolgt ist.

      Das bedeutet, dass alle gute, große Kunst, ertragreiche Landwirtschaft, effektive Regierung und jeder wissenschaftliche Fortschritt Gottes Gabe für die Menschheit sind. Es sind unverdiente Gnadengeschenke Gottes. Und sie sind „allgemein“, das heißt, Gott gibt sie allen. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass der in den Jesaja-Stellen erwähnte Kyrus oder der Bauer den rechten Glauben an den wahren Gott hatten. Die allgemeine Gnade führt nicht zur Wiedergeburt des Herzens, zur Errettung der Seele oder zu einer persönlichen Bundesbeziehung mit Gott.

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